»Bärbel und Dirk Ackermann«, meinte das attraktive Mädchen.
Mercédès entschied sich, zuerst mit Jens Meinfeldt zu sprechen, und ließ sich den Weg zur Nummer 115 zeigen. Unterwegs rief sie Miquel an. »Sag mal, war die Spurensicherung in Sabrina Schneiders Apartment?«
»Ja, ist schon alles fertig.«
»Und warum haben sie es nicht versiegelt?«, fragte sie ärgerlich.
Schweigen auf der anderen Seite.
»Bist du noch da?«
»Vielleicht wegen der Unfallthese ...«, kam es zögerlich aus dem Telefon.
»Die sollen nicht denken, sondern ihre Arbeit machen. Das muss mit mir abgesprochen werden. Oder dir. Die Spurensicherung kann nicht entscheiden, ob etwas versiegelt werden soll oder nicht«, fuhr sie ihn wütend an. Vielleicht hätte sie mit Miquel keinen Kaffee trinken gehen sollen, sondern die Spurensicherung beaufsichtigen, dachte sie zynisch. In Madrid wäre das nicht nötig gewesen.
»Hoffentlich gehen uns dadurch nicht wertvolle Spuren verloren«, und legte einfach auf. Sie war stinksauer!
Mittlerweile stand sie vor Apartment 115, das im letzten Haus direkt über den Klippen unter dichten Pinien lag. Zwar ein etwas beschwerlicher Aufstieg bis dorthin, aber lohnenswert. Eine wundervoll gepflegte Anlage, stellte Mercédès fest. Da sind viele fleißige Hände am Werk.
Sie musste mehrmals klopfen, bis sich die Tür öffnete.
»Ja?«, fragte ein verschlafener Strubbelkopf mit zerzaustem Vollbart und beharrter Brust.
Ganz untypisch für die Jugend von heute, dachte sie. Ist behaarte Brust nicht out? Aber ihr gefiel, was sie sah. Ein toller Körper. Und erst sein … schnell ließ sie ihre Augen Richtung Gesicht wandern und wies sich als Polizistin aus.
»Jens Meinfeldt?«
Er nickte. »Polizei? So früh am Morgen?«
»Es ist Mittag vorbei. Darf ich hereinkommen?«
»Bitte«, und er gab die Tür frei.
Ungeniert stand er nackt vor ihr. »Möchten Sie sich nicht etwas anziehen?«
»Nicht unbedingt. Wenn es Sie nicht stört …«
»Nein, mich stört es nicht«, lächelte sie. Ganz und gar nicht, dachte sie noch und riskierte einen weiteren Blick. Doch dann besann sie sich auf ihre Aufgabe.
»Sie kennen Sabrina Schneider?«
»Ja. Was ist mit ihr?«
»Frau Schneider ist tot.«
»Was? Aber das gibt´s doch nicht. Wir haben heute Nacht noch …«, verstummte Meinfeldt verstört.
»Sie haben heute Nacht noch was?«, wollte Mercédès wissen.
»Wir hatten Sex. Tollen Sex. Sabrina ist … war eine leidenschaftliche Frau«, antwortete er traurig.
»Wo hatten Sie Geschlechtsverkehr? Hier in Ihrem Apartment oder bei Frau Schneider?«
»Bei Sabrina. Sie stand danach nicht so gerne auf ...«, lachte er.
»Das heißt, sie blieben nicht die gesamte Nacht zusammen?«
»Nein, Sabrina sagte immer, sie möchte nur neben dem Mann aufwachen, den sie wirklich liebt.«
»Sie hat Sie also nicht geliebt?«
»Nein. Ich war nur ihr Spielzeug. Ich gab ihr, was sie wollte. Und sie gab mir, was ich wollte.«
»Und was wollten Sie?«
»Abgesehen vom Sex, meinen Sie?« Ein neckisches Lachen war in seinen Augen erkennbar.
Mercédès nickte.
»Sabrina finanzierte mein Leben. Ich war die Muse für ihre Bücher, sie für meine Bilder. Da die aber nicht so erfolgreich sind wie ihre Bücher, also …«
»… haben Sie auf ihre Kosten gelebt«, beendete Mercédès den Satz.
»Ja«, gab er unumwunden zu.
»Frau Schneider soll nicht sehr erbaut gewesen sein, dass Sie hier auf Mallorca aufgetaucht sind?«
»Wer sagt das? Der Kriecher von einem Manager? Der war doch nur selbst scharf auf sie«, kam es verächtlich von Jens.
Mercédès wurde hellhörig. Schon wieder jemand, der meinte, Werner Hoffmann hätte mehr von Sabrina Schneider gewollt, als er zugegeben hatte. »Wie kommen Sie darauf?«, fragte sie deshalb nach.
»Na, wie er sie angesehen hat. Richtig angehimmelt. Und gestern Nachmittag stand er plötzlich in ihrem Schlafzimmer, als wir gefickt haben. Sabrina war tierisch wütend.«
»Was wollte Herr Hoffmann?«
»Keine Ahnung. Sabrina hat mich nie in ihr Leben eingeweiht. Ich fand´s komisch, dass er die Tür selbst aufgesperrt hat. Aber Sabrina wollte mir nicht sagen, ob sie was am Laufen hat mit ihm. Dafür hat sie mich dann weggeschickt. Deshalb bin ich bei dem Abendessen aufgetaucht. Wollte herausfinden, was zwischen den beiden so ablief.«
»Und, haben Sie´s herausgefunden?«
»Nein. Sie waren höflich zueinander, fast zu höflich. Sabrina ist normal charmanter, flirtet gerne. Aber gestern gab sie sich richtig langweilig. Lag vielleicht auch an dem Ehepaar, das am Nebentisch saß. Die Alte steckte ihren Kopf ständig in unsere Richtung, ließ ihre Augen flink über uns huschen. Man fühlte sich richtiggehend beobachtet. Aber mich kümmerte es nicht. Ich genoss das kostenlose Abendessen und trank zu viel von dem mallorquinischen Wein. Und ging dann mit Sabrina auf ihr Apartment. Für Sex«, fügte er grinsend wie ein Lausbub an.
Mercédès wurde es heiß, bei dem Blick, den der Junge über sie laufen ließ. Der war sicher keine fünfundzwanzig Jahre alt, aber selbstsicher und sich seiner Wirkung auf Frauen sehr bewusst.
»Sie gingen also mit Frau Schneider direkt nach dem Abendessen in ihr Apartment. Was tat Herr Hoffmann?«
»Keine Ahnung. Er schaute unglücklich drein, wie ich mit Sabrina abgezogen bin. Ich denke, er ging in seine Wohnung.«
»Wohnt er denn auf dem Gelände?«
»Soviel ich weiß, hat er irgendwo eine Dienstwohnung im Resort«, antwortete er uninteressiert.
»Wann verließen Sie Frau Schneider in der Nacht?«
»Kurz nach Mitternacht. Sabrina bestand auf ihren Schönheitsschlaf. Und sie stand ja jeden Tag um sieben Uhr auf, um schwimmen zu gehen.«
»Da haben Sie sie das letzte Mal gesehen? Als Sie sie nach ... nach dem Geschlechtsverkehr verlassen haben?«
»Ja. Was sollen die Fragen? Woran ist Sabrina denn gestorben?«
»Sie ist beim Schwimmen ertrunken.«
»Ertrunken? Doch nicht Sabrina. Die schwamm wie ein Weltmeister. Zog eine Bahn nach der anderen, ihr Fitnessprogramm. Die ertrinkt doch nicht.«
»Wir untersuchen die Todesursachen noch. Wo waren Sie heute Morgen zwischen sieben und acht Uhr?«
»Ich? Im Bett. Wo sonst?«
Mercédès musste sich ein Lachen verkneifen bei dem überraschten Gesichtsausdruck, den Meinfeldt bei dieser Frage an den Tag legte.
»Kann das jemand bezeugen?«
»Nein, aber warum sollte das jemand bezeugen können? Ich hätte Sabrina doch nie was getan, schließlich lebte ich von ihr. Ich werde doch nicht den Ast absägen, auf dem ich sitze. Außerdem standen wir uns nahe. Auch wenn es nicht die große Liebe war, so vertrauten wir uns und waren gegenseitig für einander da.« Er verschwieg allerdings, dass er deshalb in Paguera war, weil Sabrina ihm den Laufpass gegeben und angekündigt hatte, ihn aus ihrem Testament streichen zu lassen. Er wollte sie umstimmen. Denn sonst hätte er einpacken können und seine schicke Wohnung in Prenzlauer Berg aufgeben müssen. Aber mehr noch hätte ihn getroffen, seinem süßen Leben ade sagen zu müssen. Und all den willigen Mädels. Jetzt brauchte er sich nicht mehr zu sorgen.
»Sie haben mir noch nicht verraten, warum Frau Schneider nicht erbaut über Ihr Auftauchen war?«
»Ich denke, dass sie mit dem Hoffmann was am Laufen hatte. Und ich sie in ihren Bemühungen gestört habe. Aber sie hatte nichts dagegen, dass ich hier war, glauben Sie mir.« Und sein dreckiges Grinsen überzeugte Mercédès.
»Danke für Ihre Bereitschaft, meine Fragen zu beantworten. Bitte reisen Sie nicht ab, es kann sein, dass ich noch einige mehr an Sie habe«, und sie ließ ihren Blick ein weiteres Mal an eine bestimmte Stelle des jungen Mannes wandern, bevor sie das Apartment verließ. Nicht übel, dachte sie.
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