Christoph Güsken
Das Rubikon-Papier
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Inhaltsverzeichnis
Titel Christoph Güsken Das Rubikon-Papier Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
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26. Kapitel
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30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
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47. Kapitel
48. Kapitel
Impressum neobooks
Als aber der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, da reute es den Herrn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen, und er sprach: Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis hin zum Vieh und bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem Himmel; denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe.
Gen 6,5-7
Der alte Mann keuchte, während er lief. In seinen Gliedern machte sich Erschöpfung bemerkbar, das war nach vier Kilometern Strecke ganz normal. Ich habe es nicht mehr nötig, mir etwas zu beweisen, dachte er. Lange Zeit habe ich mir etwas darauf eingebildet, dass die Presse über mich schreibt, wie gut ich mich für mein Alter gehalten habe. Dass ich für einen alten Knacker verdammt fit aussehe. Aus reiner Eitelkeit habe ich damals angefangen zu joggen.
Trotz der Müdigkeit fühlte Benno von Zabern sich großartig, während er die kalte, frische Nachmittagsluft einatmete. Joggen war für ihn kein Sport, sondern eine Form der Meditation. Vier Schritte lang einatmen, vier Schritte lang ausatmen. Immer abwechselnd, immer wieder. Die Welt um ihn herum vergessen, Spaziergänger und Hundebesitzer, den See, den er umrundete, den Schotterweg, auf dem er lief. Erinnerungen, Ideen und Assoziationen reihten sich wie von selbst in seinen Gedankenfluss ein. Blockaden lösten sich, und Banales trennte sich von Wichtigem. Oft hatte er das Gefühl, wenn er nur lange genug joggte, würde sich sein Leben wie von selbst ordnen, ohne dass er etwas dazu beitragen musste.
Eine schöne Illusion. Sein Leben würde sich nicht von selbst ordnen, auch wenn er selbst alle seine Mühe darauf verwendete, es würde ihm nicht mehr gelingen. Dafür war es zu spät. Ich kann froh sein, ging es von Zabern durch den Kopf, während er einem entgegenkommenden Radfahrer auswich, dass es mir wenigstens vergönnt war, einen ungeschönten Blick auf das Chaos zu werfen. Jahre, Jahrzehnte lang habe ich mir in der Rolle des unbequemen Analysten gefallen. Als mir die Augen geöffnet wurden, sah ich im selben Moment, dass ich mir auf nichts etwas einbilden kann. Nicht einmal darauf, reinen Tisch gemacht zu haben, denn das wird die Dinge nicht mehr ins Lot bringen. Die ganze Zeit war ich mir darüber bewusst, dass ich mir selbst etwas vormache, doch ich habe es eben gern getan. Es war bequem und brachte mir Ansehen ein.
Der alte Mann verließ den See und bog nach links auf einen Weg ab, der an der Gartenseite seines Grundstücks vorbeiführte. Es war ein großes Grundstück in einer sündhaft teueren Lage, Innenstadt und Parklandschaft in einem. So etwas konnten sich nur wenige leisten. Er gehörte zu ihnen.
Von Zabern musste grinsen. Sich etwas vorzumachen, zahlte sich aus. Nicht nur jetzt, sondern auch später. Vielleicht war das Haus samt Grundstück schon bald nicht mehr viel wert, doch heutzutage konnte man sich selbst aus der Hölle freikaufen, wenn man nur über das nötige Kleingeld verfügte. Die berühmte Volksweisheit, der zufolge ein Totenhemd keine Taschen hatte, war widerlegt.
Der Jogger verfiel in Schrittempo und stoppte vor seiner Gartentür. Er überquerte den Rasen in Richtung Terrasse. Wenigstens hatte er reinen Tisch gemacht. Das war es eigentlich, was seine gute Stimmung ausmachte, nicht nur die Endorfine, die das Joggen freigesetzt hatte. Nach außen hin schien er sich dem Ende seines Lebens zu nähern. Und doch hielt er die Chance eines Neuanfangs in den Händen. Obwohl er es nicht verdient hatte.
Am Ende zählt immer nur, was du nicht verdient hast. Das hatte er irgendwo gelesen.
Die Terrassentür stand offen. So weit von Zabern sich erinnerte, hatte er sie verschlossen, als er vor einer halben Stunde das Haus verlassen hatte. Er blieb stehen und machte ein paar Dehn- und Streckübungen. Und wenn es das letzte Mal gewesen ist, dass ich diese Strecke gelaufen bin?, fragte er sich. Er war kein Dummkopf und hatte diese Möglichkeit von Anfang an in Betracht gezogen.
Benno von Zabern beugte sich vor, um mit seinen Fingern die Zehenspitzen zu berühren. Richtete sich wieder auf und nahm einen tiefen Atemzug. Er verwarf den düsteren Gedanken und betrat das Haus. Erst würde er eine Dusche nehmen und danach in aller Ruhe seinen Brief fertigstellen.
Im Arbeitszimmer befand sich ein Mann. Er trug eine braune Lederjacke und stand, dem Ankömmling den Rücken zukehrend, über den Schreibtisch gebeugt.
Von Zabern trat auf ihn zu und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie sich eine zweite Person aus dem Schatten der Tür löste. Also doch, dachte er.
„Suchen Sie etwas Bestimmtes, meine Herren?“, erkundigte er sich.
Der Mann am Schreibtisch drehte sich zu ihm um. Er war sehr groß, kräftig gebaut und trug eine spiegelnde Sonnenbrille, was seinem Gesichtsausdruck etwas Hartes und Unpersönliches gab.
In der Hand hielt er eine Waffe, auf dessen Lauf ein Schalldämpfer geschraubt war.
Kerkhoff sah auf seine Uhr, schon zum x-ten Mal. Fünfundzwanzig Minuten. So lange wartete er jetzt schon auf seine Verabredung. Er griff nach der leeren Kaffeetasse vor ihm auf dem Tisch und drehte sie in der Hand, was die Kellnerin dazu veranlasste herbeizueilen.
„Darf‘s noch etwas sein?”
Kerkhoff verneinte dankend, erwägte allerdings für einen Moment, ob er nicht von Kaffee auf Bier umsteigen sollte. Er entschied sich dagegen.
Dabei sah es ja nicht so aus, als würde aus dem Interview etwas werden. Irgendwie hatte er sich das schon gedacht, er war schließlich nicht neu in seinem Geschäft. Kerkhoff hatte schon viele Große aus Politik und Wirtschaft um ein Interview gebeten und immer gern gewartet, wenn man ihn hatte warten lassen. Dafür hatte er sogar Verständnis. Prominente lebten von dem Gefühl, bedeutend zu sein. Dass man sie um ein Interview bat, zeugte von ihrer Bedeutung, aber auch dass man dafür Wartezeit in Kauf nahm. Je mehr, desto bedeutender.
In diesem Fall jedoch sagte ihm sein journalistischer Instinkt, dass er vergeblich wartete.
Dr. Jörg Eichendorf, Abgeordneter des Europaparlaments, würde nicht kommen. Also warum nicht ein Bier bestellen und den Fall abhaken? Es von der positiven Seite sehen: Das hier war Hamburg von seiner schönsten Seite. Heutzutage hatte man nicht oft einen solchen blauen Himmel, der den bevorstehenden Frühling geradezu schmeckbar machte. Und an einem solchen Tag saß er in einem lauschigen Café und sah hinaus zu den Landungsbrücken, auf denen sich ameisengleich Touristen tummelten. Im Grunde genommen war das nämlich ein gutes Zeichen. Eichendorf ging einem Interview aus dem Weg, als ahnte er, dass unangenehme Fragen auf ihn warteten - das bedeutete doch, dass er, Kerkhoff, auf dem richtigen Weg war. Dass er mit seinen Vermutungen richtig lag. Und das war erstmal das Wichtigste. Wenn der Mann denkt, mich abwimmeln zu können, indem er mich einfach versetzt, dann ist er schief gewickelt.
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