Bisher vom Autor bei KBV erschienen:
Der Tod fährt Rad
Das Wunder von Hiltrup
Das Mordkreuz von Tilbeck
Der Glöckner von St. Lamberti
Christoph Güskenwuchs in Mönchengladbach auf, studierte in Bonn und Münster und war Buchhändler in Köln. Er verfasste Texte im Geist der legendären Monty Pythons, u. a. für die »Springmaus«. Seit 1995 lebt er als freier Autor in Münster, schrieb zahlreiche Krimis, einige wenig ernste Romane und Hörspiele. Kopflos am Aasee ist der fünfte Kriminalroman um den schrägen Ex-Hauptkommissar de Jong, der bei seiner Suche nach dem Sinn des Ganzen ständig über die schlimmsten Verbrechen stolpert. www.christoph-güsken.de
Christoph Güsken
Originalausgabe
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Lektorat: Volker Maria Neumann, Köln
Print-ISBN 978-3-95441-538-0
E-Book-ISBN 978-3-95441-548-9
Was ist der Körper, wenn das Haupt ihm fehlt?
William Shakespeare, König Heinrich VI .
Über den Autor Bisher vom Autor bei KBV erschienen: Der Tod fährt Rad Das Wunder von Hiltrup Das Mordkreuz von Tilbeck Der Glöckner von St. Lamberti Christoph Güsken wuchs in Mönchengladbach auf, studierte in Bonn und Münster und war Buchhändler in Köln. Er verfasste Texte im Geist der legendären Monty Pythons, u. a. für die »Springmaus«. Seit 1995 lebt er als freier Autor in Münster, schrieb zahlreiche Krimis, einige wenig ernste Romane und Hörspiele. Kopflos am Aasee ist der fünfte Kriminalroman um den schrägen Ex-Hauptkommissar de Jong, der bei seiner Suche nach dem Sinn des Ganzen ständig über die schlimmsten Verbrechen stolpert. www.christoph-güsken.de
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
Es ist fast Mitternacht. Nur ein paar späte Vögel zwitschern, in der Ferne rauscht beinahe lautlos ein Auto vorbei, ansonsten herrscht andächtige Stille.
Am Nachmittag würde er nie herkommen. Dann ist der See fest in der Hand der Fitness-Junkies. Du kannst nicht verweilen und die Enten beim Schnattern beobachten, weil du ständig jemandem im Weg stehst. Jogger, Biker, Scooter und Walker schieben sich als schier endlose Karawane aneinander vorbei, während alte Leute schwatzend auf Bänken hocken und den Fitten und Aktiven bei ihren Dehnübungen zusehen. Junge, hyperaktive Eltern schaukeln ihre hyperaktiven Babys in den Schlaf, und Hunde zerren ihre Halter an langen, aufrollbaren Leinen hinter sich her.
Er weiß schon, warum er die Nacht abgewartet hat; der See wird dann zum stillen, idyllischen Ort, an dem nachdenkliches Verweilen kein Problem mehr darstellt. An dem das Wort Nachtruhe noch kein Widerspruch in sich ist. Man kann innehalten und sich in aller Ruhe ein nettes Schlückchen gönnen, ohne dass man angestarrt oder um ein Autogramm angequatscht wird.
Und er liebt es, hier am Seeufer herumzustehen und die kalte Nachtluft zu atmen. Einfach so, ohne auf die Uhr zu sehen. Wie früher, während seiner Studienzeit, da hat er gar nicht weit weg von hier gewohnt. Damals, als er noch ein Niemand war, ein kleiner, unwichtiger Schreiberling, den jeder glaubte, herumstoßen zu dürfen.
Jetzt glaubt das keiner mehr.
Mach dir nichts draus, bekanntlich gilt der Prophet nichts in der eigenen Stadt – das hat Selma, eine Kommilitonin, ihm damals mitgegeben. Oder hat sie anders geheißen? Serena? Kann sein, aber Selma ist wahrscheinlicher. Egal, jedenfalls hat sie das mit dem Propheten und der eigenen Stadt erzählt. Selma oder wie auch immer hat später einen kleinen Verlag für Indi-Literatur und Slam-Poetry aufgezogen und damit sogar fast zwei Jahre durchgehalten.
Und sie hatte recht. Den Nagel sozusagen auf den Kopf getroffen. Der Prophet gilt nichts in seiner Stadt. Denn die Stadt strotzt vor Neidern und Besserwissern. Und die gönnen dir nicht den kleinsten Erfolg, legen dir alle Steine, derer sie habhaft werden können, in den Weg. Und niemand glaubt an dich, selbst wenn sie deine Begabung mit den Händen greifen können. Weil sie es nicht glauben wollen . Nicht wahrhaben. Niemand erträgt den Gedanken, dass man ihn selbst übertrumpfen könnte.
Schließlich will jeder gern Prophet sein.
Trotzdem – manchmal denkt er: gerade deshalb – hat er es geschafft. Gegen alle Missgunst und Widerstände. Heute ist er wieder zurück in der Stadt, in der er sich als kleiner, ungeliebter Prophet abgemüht hat, und steht hier, an exakt derselben Stelle, an der er vor zehn oder zwölf Jahren gestanden hat. Na ja, vielleicht nicht exakt derselben. Jedenfalls hat er sich damals nicht ansatzweise träumen lassen, dass er es eines Tages so weit nach oben schaffen würde. An die Spitze.
Charles Nöck. Das ist ein anderer Name für atemlose Spannung. Mittlerweile ein Synonym. Nöck ist eine Marke. Er ist der Garant für Gänsehaut. Niemand beherrscht die Kunst des Cliffhängers wie er, niemand wagt es kompromissloser, die spießigen Grenzen des sogenannten guten Geschmacks zu überschreiten, wenn es darum geht, Gewalt und Schrecken die Masken vom Gesicht zu reißen und sie so zu zeigen, wie sie sind, in aller Ausführlichkeit. Nichts wegzulassen. Nöck ergeht sich in hemmungslosen Blutorgien, suhlt sich in unnötigen Gewaltexzessen – so schimpft Adrian Speck, der bis in die Haarwurzeln eitle TV-Oberkritiker, ohnmächtig und wütend darüber, dass er Nöcks unvergleichlichen Siegeszug an die Spitze der Bestsellerlisten nicht verhindern konnte. Und wenn schon – selbst wenn er damit gar nicht falsch läge! Spannende Geschichten sind grausam, die Welt ist nicht gut. Wir sind erwachsen und wissen: Die Wirklichkeit ist nicht rosig. Sie ist schmutzig und hässlich. Gemein und gnadenlos. Nöck ist fast gerührt von Specks hilflosen Versuchen, auf seinem Erfolg herumzutrampeln, indem er seine Thriller als banalen Schund verunglimpft und damit nur das Gegenteil bewirkt. Außerdem sind sie nur mutig, schnörkellos und realistisch.
Ein junges Pärchen flaniert vorbei, verlangsamt seine Schritte. Sie wirft ihm im Vorbeigehen einen Blick zu. – Hat sie mich erkannt?, überlegt Nöck. Gut möglich. Jetzt sind sie vorbei. Die Frau zückt ihr Handy, sicher googelt sie jetzt seinen Namen. Knapp zehn Jahre ist es her, da hat er drüben am Alten Steinweg in einer Kneipe gehockt und vor weniger als zwanzig Leuten gelesen. Für knappe fünfzig Euro, und die Getränke musste er selbst zahlen. Jetzt wird er die Halle Münsterland füllen – was sage ich: vollstopfen – bis zum letzten Platz. Die Leute erkennen im Vorbeigehen sein Gesicht, googeln seinen Namen. Er ist ein Star. Zurückgekehrt an den Anfangspunkt seines Schaffens, ein Triumphator des Wortes, der es all denen zeigen wird, die ihm damals die Steine in den Weg gelegt haben. Ihn für einen Schwätzer hielten. Eine Eintagsfliege.
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