Auflösen von Handlungsbarrieren
Würden Sie an und für sich gerne partnerschaftliches Verhalten im Alltag anwenden, so können Sie gleichwohl davon abgehalten werden aufgrund von vorhandenen Vorbehalten. Diese beziehen sich dabei primär auf Ängste, dass einem der andere das Senden der Botschaft über unannehmbares Verhalten übel nehmen könnte und hierauf mit negativen Sanktionen reagiert.
Was können Sie nun machen, wenn derartige handlungsbehindernde Faktoren vorliegen?
- Zunächst müssen Sie mögliche Vorbehalte erkennen. Diese können offensichtlich sein, aber sich auch in Form eines flauen Gefühls im Magen bemerkbar machen, wenn Sie daran denken, die Absicht zu verwirklichen.
Ist letzteres der Fall, so können Sie die Vorbehalte für sich sichtbar machen, indem Sie sich die Folgen Ihres Verhaltens vor Augen führen und dann auf die gefühlsmäßigen Reaktionen hierauf achten. Treten Angstgefühle bei bestimmten Folgen auf, so bewerten Sie diese negativ, weil sie mit einer Bedürfnisdeprivation verbunden sind.
- Sie können sich dann fragen, wie realistisch es ist, dass die Folgen tatsächlich eintreten.
Häufig ist es so, dass sich bei näherer Betrachtung herausstellt, dass die Folgen gar nicht eintreten müssen. Das gilt besonders hinsichtlich des hier dargestellten partnerschaftlichen Konfliktlösungs- und -vermeidungsverhaltens, das auf Vorwürfe, Beleidigungen, dem Aussprechen von Drohungen etc. verzichtet und so vermeidet, den anderen zusätzlich zu verärgern.
- Bleiben nach einem Realitätstest noch Folgen über, die eintreten können, so können Sie sich weiterhin Gedanken darüber machen, ob die Folgen tatsächlich so schlimm sind, wie Sie erwarten. Sie können sich auch überlegen, wie Sie mit den Folgen so umgehen können, dass eine erwartete Beeinträchtigung minimiert wird.
- Um sich schließlich von möglichen Handlungsbarrieren nicht gefühlsmäßig erdrücken zu lassen, sollten Sie sich die Vorteile des Beendens eines für Sie unannehmbaren Verhaltens oder eines Konflikts ausführlich und anschaulich vor Augen führen.
Weitere motivationsfördernde Faktoren bei der Verwirklichung des Lernprogramms
Mit einer klugen Auswahl von Problemen bei der Anwendung von partnerschaftlichem Verhalten im Alltag, der sorgfältigen Bestimmung eines Erfolgskriteriums, einer präzisen Formulierung von Absichten und einer Methode des Auflösens von Handlungsbarrieren sind bereits Möglichkeiten dargestellt worden, die die Durchführung des Lernprogramms erleichtern.
Da das Lernprogramm mehrere Lerneinheiten umfasst und deshalb längerfristig ausgerichtet ist, besteht die Gefahr, dass Sie die Lust daran verlieren, zumal Sie ggf. anfangs noch nicht über viele positive Erlebnisse im Umgang mit den neuen partnerschaftlichen Verhalten verfügen. Es ist deshalb sinnvoll, dass Sie sich weiterer motivationaler Hilfen bedienen:
- So ist es von Vorteil, wenn das Lernprogramm zusammen mit einer anderen Person durchgeführt wird.
Einerseits wird dadurch die Verpflichtung erhöht, das Lernprogramm auch bei „Durststrecken“ weiterzuführen. Zum anderen können Sie sich über Elemente des Lernprogramms austauschen, das Lernprogramm anwenden auf Probleme, die Sie miteinander haben, oder gemeinsam Rollenspiele durchführen.
- Das Lernprogramm besteht aus mehreren Einheiten. Haben Sie jeweils eine Einheit abgeschlossen, so könnten Sie sich dafür selbst belohnen. Dies bedeutet, dass Sie sich einfach einmal angenehme Dinge gönnen (z. B. einen Konzert- oder Kinobesuch, ein schönes Buch etc), die für Sie sonst nicht in Betracht kommen.
In diesem Buch werden Methoden der zufriedenstellenden Lösung und Vermeidung von Konflikten dargestellt. Dies soll jedoch nicht unvermittelt erfolgen. Vielmehr werden in diesem Teil Themen behandelt, die in gewisser Weise auf das Hauptthema der Konfliktlösung und -vermeidung vorbereiten, d. h. einige theoretische Grundlagen bereitstellen:
- Da der Konfliktbegriff mehrdeutig ist, wird zunächst einmal dargelegt, welche Bedeutung er in dieser Veröffentlichung hat. (3.)
- Es werden in dieser Arbeit mit dem Bedürfnis- und Wertkonflikt zwei Konfliktformen vorgestellt, die nach unterschiedlichen Beeinträchtigungen klassifiziert sind: Liegen Bedürfniskonflikten Bedürfnisbeeinträchtigungen zugrunde, so sind bei Wertkonflikten entsprechend Wertbeeinträchtigungen betroffen. Was nun eine Bedürfnis- von einer Wertbeeinträchtigung unterscheidet, soll zunächst verdeutlicht werden. (4.)
- In welcher Weise Konflikte vermieden bzw. gelöst werden sollen, ist mit abhängig davon, welche Wertvorstellungen vertreten werden. (5.)
3. Konfliktbegriff
(1) Einzelne Konfliktmerkmale
Welche Vorstellungen verbinden Sie mit dem Begriff „Konflikt“? Denken Sie dabei an Streit mit einer anderen Person, an Meinungsverschiedenheiten, unterschiedliche Interessen, unvereinbare Handlungen...?
Vielleicht machen Sie sich die Mühe und schreiben einmal auf, was Sie unter einem Konflikt verstehen.
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Begriffe haben es oft an sich, dass verschiedene Personen diese unterschiedlich verwenden und es so zu Missverständnissen in der Kommunikation kommt.
Im alltäglichen Sprachgebrauch werden diese Missverständnisse normalerweise in der Unterhaltung erst allmählich sichtbar und äußern sich z. B. in der Aussage: „Das habe ich so nicht gemeint. Ich meine mit ….“
Der Konfliktbegriff ist nun vieldeutig, denn nicht nur im Alltag, sondern auch in der Literatur, die sich mit Konflikten beschäftigt, wird er unterschiedlich verwendet. Sollen Methoden zur Lösung oder Vermeidung von Konflikten dargestellt werden, so ist deshalb zunächst einmal darzulegen, was hier unter „Konflikt“ verstanden wird. Damit wird darauf verwiesen, welche Merkmale der Konfliktbegriff umfassen soll.
- Dauerhafte und flüchtige Beziehungen
Wenn Personen einen Konflikt miteinander haben, so beinhaltet das zunächst einmal, dass sie Kontakt haben, d. h. in einer Beziehung zueinander stehen, die eher flüchtiger oder dauerhafter Art sein kann.
Ein Beispiel für eine flüchtige Beziehung ist der Kontakt von Fahrgästen, der ggf. nur Sekunden betragen und einmalig sein kann. Demgegenüber unterhalten Eheleute, Arbeitskollegen, Eltern und Kinder am Tag häufige und länger andauernde Kontakte.
Konflikte können dabei sowohl in eher flüchtigen als auch dauerhaften Beziehungen auftreten.
Ein Beispiel für einen Konflikt in einer flüchtigen Beziehung ist die Situation, dass eine Person mit Waren in der Hand, an Kunden, die in einer Schlange vor der Kasse stehen, vorbeigeht. Ein Kunde sagt zu der sich vordrängenden Person, dass sie sich gefälligst hinten anzustellen habe. Die Person ignoriert den Einwand und stellt sich trotzdem vorne an.
Ein Beispiel für einen Konflikt in einer dauerhaften Beziehung ist die Situation, dass der Sohn seinen CD-Player weiter laut aufdreht, obwohl die Mutter schon mehrmals gesagt hat, dass sie den Lärm nicht erträgt.
Jedoch beeinflusst möglicherweise die Dauer einer Beziehung die Art der Konfliktlösung: Bei Konflikten in dauerhaften Beziehungen sind eher die Folgen des Konfliktverhaltens zu berücksichtigen als in flüchtigen.
Sehe ich eine Person nach der Konfliktaustragung nicht mehr wieder, so muss ich mir keine Gedanken darüber machen, ob diese Person mir eine egoistische Art der Konfliktaustragung bei Gelegenheit heimzahlen wird. Derartige Überlegungen sind jedoch in dauerhaften Beziehungen von Bedeutung.
Im Rahmen dieser Arbeit wird die Aufmerksamkeit auf dauerhafte Beziehungen gelenkt.
- Unvereinbarkeiten
Wird von einem Konflikt zwischen Personen in einer Beziehung gesprochen, so beinhaltet das weiterhin, dass Nichtübereinstimmungen/ Unvereinbarkeiten vorliegen:
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