PS: Meine Hofdamen mokieren sich über mein schlechtes Französisch. Mein Vater legte halt Wert auf das Englische, da er England mehr schätzt und den englischen Hof für die Zukunft hält.
18. Mai 1854
Mir dröhnen die Ohren.
„Es schickt sich nicht für eine Kaiserin, ihrem Mann hinterherzulaufen, wie ein Waschmädchen ihrem Galan.“
Nur weil ich Franz in Wien besucht habe, ich habe mich doch immer sofort zurückgezogen, wenn er Besuch hatte, oder, wenn seine Minister da waren. Wie kleine Kinder hat sie uns ausgeschimpft. War sie denn nie jung? Sie will die Kontrolle über uns, aber sie kann uns nichts im Grunde nichts. Ich bin nämlich die Kaiserin und sie nur Erzherzogin. Und ich habe den Kaiser doch so selten bei mir, selbst beim Diner sitzt die Esterházy dabei und bemängelt alles oder ich muss mich mit dem kaiserlichen Flügeladjutanten Hugo von Weckbecker in der Konversation üben. Nicht einmal über die wundervolle Bibliothek in Laxenburg können wir plaudern, denn der Kaiser hält nichts von Romanen und meint diese würden mich wirr machen.
„Es schickt sich nicht für eine Kaiserin, ihrem Mann hinterherzulaufen. In was für eine peinliche Situation du deine erste Dame gebracht hast. Die Gräfin Esterházy war ganz verzweifelt, weil du ihr davongelaufen bist. Und ich höre, dass du immer noch im Schlosspark mit Kreti und Pleti sprichst, dies mag sich in Possenhofen so angehen, wir sind hier aber in Wien. Und wo wir schon dabei sind, du hast dich von deinen Kammerfrauen anzuziehen und nicht geniert zu tun und es geht auch nicht, dass du mit ihnen keine Konversation betreibst. So empfindlich kann man doch gar nicht sein. Ich meine es doch nur gut mit dir, Elise.“
Die Erzherzogin schnaubt wutentbrannt und ich schaue hilfesuchend zum Franz hinüber, der mich nach diesem endlich mal vergnügten Tag ruhig verteidigen könnte, aber er bleibt zu meinem Entsetzen stumm und Sophie spricht weiter.
„Ich kann nicht zulassen, dass du dich so kindisch beträgst und unserem guten Ruf schadest. Von nun an wirst du Laxenburg nur mit der Gräfin Esterházy verlassen. Du wirst ihr auch zuhören, wenn sie dir etwas erklärt. Mir ist nämlich zu Ohren gekommen, dass du das nicht machst und somit mit unseren Sitten noch immer nicht so recht vertraut bist. Sie und Baron Weckbecker, des Kaisers Flügeladjutant, unterrichten dich weiterhin in den Gepflogenheiten unseres Hofes. Weckbecker und Lobowotz werden mit dir Konversation üben, da bist du nämlich auch noch recht unbeholfen. Auch ich werde dir jeden Nachmittag zum Tee Gesellschaft leisten. Es wäre gelacht, wenn wir aus dir keine gute Kaiserin machen könnten. Deine Mutter hat da leider recht viel verpasst, sie hat ja auch alles in Helene investiert und dich vernachlässigt. Aber das bekommen wir schon hin, Elise, mach dir keine Sorgen. Und jetzt empfehle ich mich.“
Wütend beiße ich mir auf die Lippen.
Diese Gräfin Esterházy konnte ich schon am 22. April, dem Tag vor meiner Hochzeit, nicht leiden. Sie ist alt und verkniffen und immer mürrisch, ich habe sie jedenfalls noch nie lächeln sehen. Sie führt sich auf wie eine Gouvernante und langweilt mich mit dem Hoftratsch zu Tode. Alles, was ich falsch mache und das ist in ihren Augen fast alles, meldet sie sofort der Tante Sophie. Gestern haben wir uns über das Schuh Thema gestritten. Ich darf jedes Paar nur einmal tragen. Ich finde das seltsam, weil viele arme Menschen nur ein Paar Schuhe besitzen und meine in Possenhofen mit viel Aufwand und Mühe gefertigt worden waren. Wenn ich mit dem Stallmeister ausreite, mit wem soll ich denn sonst ausreiten, wenn ich alleine nicht darf, schelten sie mich als schamlos und wenn ich mich von den Hofdamen nicht ankleiden oder gar auskleiden lassen will, weil mir das peinlich ist, dann bin ich prüde.
Was für ein Schmäh!
Zudem bin ich die Kaiserin, weder Sophie noch die Esterházy haben mir irgendwas zu befehlen!
Und vom Kaiser kann ich keine Hilfe erwarten. Er hat Angst vor ihr, der jämmerliche Feigling, dabei müsste er mich vor ihr beschützen. Wahrscheinlich nimmt er immer noch an, dass die Sophie wie eine Mutter mir nur helfen will, weil ich so jung und unerfahren bin. Und, dass sie mich ermahnen muss, wenn ich Fehler mache, dabei war er genauso mit von der Partie wie ich und hat jetzt keine Anstalten gemacht, mir zu helfen.
Mehr Vertrauen als zur Esterházy habe ich zu meinem Oberhofmeister, dem Fürsten Lobowitz, und zu meinen jungen Hofdamen Bellegarde und Lemberg, gerade die Bellegarde ist mir recht sympathisch, hier hat mir die Tante aber zu vertrauliche Beziehzungen untersagt.
Komisches Volk hier!
PS: Die einzigen, die ich leiden kann, sind Franzls Bruder Maximilian, Baron Weckbecker und Graf Grünne, des Kaisers väterlichen Freund und Adjutant. Letzterer ist öffentlich sehr unbeliebt, gar der am meisten gehasste Mann der Monarchie, aber ich mag ihn gerne und vertraue ihm. Er strahlt eine gute Ruhe aus und hört mir zu, was wohltuend ist, weil er mich ernst nimmt. Noch viel besser: Er ist ein absoluter Pferdekenner und ein sehr guter Reiter, der jeden Tag auf dem Prater ausreitet. Mit mir reitet er natürlich auch aus, ein Highlight in der trüben Misere. Macht auch mehr Freude als mit meinen Hofdamen, die sehr ängstlich sind und nicht so gut reiten können wie ich.
„Wie man es macht, macht man es falsch“, sage ich zu Baron Weckbecker. „Ich war doch nur in Wien an meinem Platz an der Seite des Kaisers. Ist es denn so falsch, dass ich mich für die Agenden des Kaisers und die Politik in den Kronländern interessiere? Selbst der Kaiser meinte, ich hätte mich tadellos benommen.“
„Mir hat der Auftritt Ihrer kaiserlichen Majestät sehr imponiert. Ich bin der Meinung, dass die Kaiserin über die Politik in den Kronländern informiert sein sollte.“ Er zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Leider sehen das die meisten Staatsmänner anders und sind der Meinung, dass der Platz der Kaiserin ein Waisenhaus oder ein Armenspital ist und nicht die Politik.“
„Aber wie soll ich eine gute Landesmutter sein, wenn ich nicht weiß, was in meinem Land vor sich geht“, sage ich stur und blicke den Baron trotzig an.
Kapitel 3 – die Erzherzogin
20. Mai 1854
Sophie hält sich immer noch für die wahre Kaiserin und mich hält sie an Ketten wie ein dressiertes Pferd. Am schlimmsten ist, dass der Kaiser nie da ist, um mich zu beschützen. Er steht schon um vier Uhr morgens auf und fährt nach Wien zu seinem Schreibtisch in der Hofburg. Ihm ist es egal, dass ich in Laxenburg nur die schreckliche Gräfin Esterházy und Tante Sophie zur Gesellschaft habe und mir Flitterwochen irgendwie anders vorgestellt habe.
Ich will heim zu meinen Eltern und zu meinen Geschwistern. Die haben mich lieb wie ich bin und ich muss kein dressiertes Pferd sein. Apropos Pferd, gut geht es mir, wenn ich ausreite, aber auch das sieht Tante Sophie nicht gerne. Ich habe Husten und bin krank, sollte mich schonen und im Bett bleiben und nicht ausreiten. Aber warum habe ich Husten? Doch nur, weil dieses verdammte Schloss so feucht ist.
26. Mai 1854
Wie eine Gefangene bin ich hier. Um mich herum eine Schwadron von Frauen, die mir dienen, mich in Wahrheit aber bewachen. Sie sind immer um mich herum, egal was ich tue. Nur, wenn ich schreibe, bin ich alleine und ich schreibe meistens nachts. Und wie gut tut mir das tut. Manchmal träume ich, dass die schreckliche Gräfin Esterházy und Tante Sophie mein Tagebuch finden und meine Gedichte lesen. Ich darf ja die Tür nie zu machen und alle Damen haben ständig Zutritt zu mir.
Dabei wäre es so schön hier. Endlich kommt die Sonne raus und Laxenburg erscheint mir märchenhaft. Ich füttere so gerne die jungen Schwäne, die durch den Schlossteich schwimmen. Sie sind so reizend wie mein Papagei.
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