Ich habe auch die Verzichtserklärung für die Erbfolge im bayerischen Königreich abgegeben, die sogenannte Renunziation.
Ich saß die ganze Zeit neben dem König auf dem Baldachin auf der Estrade und ich glaube, die Mitglieder des Königshauses, die Hofwürdenträger und die Staatsminister haben das erste Mal in meinem Leben Notiz von mir genommen.
13. März 1854
Der Kaiser ist da. Er hat mir wundervollen Schmuck mitgebracht, den einst seine Mutter an ihrem Hochzeitstag getragen hat. Ein wunderschönes Diadem mit Collier und Ohrringe, die mit Diamanten und Opalen gefasst sind. Es ist fast so kostbar wie mein gesamter Schmuck.
„Das ist wirklich wunderschön. Vielen Dank, Franz“, sage ich artig. „Ich will mich gleich hinsetzen und an die Tante Sophie schreiben.“
Franz nickt und nimmt meine Hand.
„Denk aber bitte daran, sie nicht wieder zu duzen, sie war sehr befremdet darüber, dass du sie damals bei deinem ersten Brief geduzt hast.“
„Das war ein Versehen, ich dachte nicht daran, seitdem schreibe ich sie ja in der Sie Form an“, sage ich betont ruhig „sie ist ja eigentlich immerhin meine Tante und meine Schwiegermama.“
„Ja, das stimmt, aber vor einer älteren Dame muss man Respekt und Ehrfurcht haben, auch ich als ihr Sohn verwende, wie du weißt, die Sie Form.“
„Gut, dann bedanke ich mich und schreibe, dass ich mich vertrauensvoll der mütterlichen Liebe der Erzherzogin hingeben kann“, sage ich gepresst. „Das wird ihr gewiss gefallen.“
„Sie meint es nur gut, Sisi, in jedem Brief an Tante Luise und Tante Elise schwärmt sie von deinem Liebreiz und nennt dich zärtlich Elise. Sei so gut und sei nicht gleich so angefasst, wenn man eine Bitte an dich richtet, mein Engel. Das steht dir nicht.“
Ich atme tief durch, mich von meinem alten Leben zu verabschieden, fällt mir unendlich schwer. Am liebsten würde ich manchmal ganz weit weglaufen, denn dann denke ich: Es war ein Fehler. Wieso konnte ich nur ja sagen. War dieses Ja nicht doch ein Fehler gewesen. Kam dieses Ja wirklich von mir oder mehr von meiner Mama?
22. April 1854
Ich bin in Wien!
Mit dem Schiff, das Franz Joseph hieß, wie kann es anders sein, bin ich hergekommen. Mein Gepäck, 17 große und 8 kleine Koffer sind schon am 14. April verschifft worden und am 16. April, dem Ostersonntag, hat es noch ein Galakonzert am königlichen Hofe in München gegeben. Bis Linz bin ich mit der hübschen „Stadt Regensburg“ gefahren, ab Linz dann im prachtvollen Raddampfer „Franz Joseph.“
Ich habe tränenreich Abschied vom lieben Possi genommen, von meinem Zimmer, von meinem Garten, dem See und den Bergen. Am Morgen des 20. Aprils kam König Maximilian in unser Palais in München, um mir Lebewohl zu sagen. In der Ludwigstraße, vom Palais bis zur Siegessäule standen tausende Menschen, die mir zuwinkten und ich wurde nach Straubing zur Donau gebracht, wo das kaiserliche Schiff wartete. Meine Geschwister waren bei mir und mein liebster Bruder, der Karl Theodor, unser Gackel, saß höchstselbst am Bocke. Ludwig und Néné werden gar bis Wien mit mir reisen. Der Ludwig mag den Aufwand und die Etikette genauso wenig wie der Papa und ich.
Mama nervt mich, weil sie immer wieder jammert, dass Tante Sophie meine Ausstattung recht armselig findet, weil sie selbst damals 40 Koffer dabeihatte, als sie nach Wien zog und Franzens Vater heiratete. Obwohl sie nicht einmal Kaiserin wurde.
Adieu geliebte Isar!
Wenn ich nicht so aufgeregt gewesen wäre, hätte ich die Schifffahrt sehr genossen. Ich fahre nämlich gerne Schiff, aber es standen so viele Menschen am Ufer und ich musste immerfort grüßen und lächeln, obwohl mir zum Weinen zumute war.
Das Schiff war überaus prächtig ausgestattet, 140 Pferdestärken in London gefertigt, wie mir der Kapitän freudestrahlend erzählte, meine Kajüte mit Purpursamt verkleidet, das Deck in einen Blumengarten verwandelt mit einer Rosenlaube, in die ich mich zurückziehen konnte. Die Rosengirlanden reichten über die Schiffswände bis zum Wasser hinab. Überall bayerische Fahnen, österreichische Fahnen und Habsburger Fahnen, die allesamt einträchtig im Fahrtwind wehten.
In Linz, der Hauptstadt Oberösterreichs, haben wir am 21. April im Schauspielhaus „die Rosen der Elisabeth“ gesehen und die Stadt war festlich beleuchtet. Der Kaiser, der mich unter Hochrufen der Bevölkerung freudestrahlend in die Arme schloss, verließ Linz am 22. um 4 Uhr 30 früh, um mir voranzueilen und mich in Wien abermals zu empfangen.
Wir legten um 8 Uhr in Linz ab. Was habe ich alles zu sehen bekommen und konnte mich kaum sattsehen, das Barockstift Melk, die Burg Dürnstein, Krems, Tulln, Klosterneuburg, alles feierlich herausgeputzt und schön anzusehen. Überall winkten mir Schulkinder, Bauern, Arbeiter und Frauen und ich winkte so eifrig zurück, dass mir die Hände wehtaten, dabei war ich schon ziemlich erschöpft, ängstlich, nervös und so still, dass meine Mama und meine Geschwister, die einen Teil der Reise mit mir machten, mich aufzuheitern versuchten.
Zu laut dröhnten die Kaiserhymne und vor allem die Böllerschüsse in meinen Ohren!
Bevor wir in Nussdorf bei Wien ankamen, zogen wir uns alle um und ich trug eines meiner kostbarsten Kleider, ein duftiges rosafarbenes Seidenkleid mit weitausladender Krinoline, eine weiße Spitzenmantille und ein kleines weißes Hütchen zierte mein Haupt.
Kanonengewitter und das Glockengeläut aller Wiener Kirchen kündigten meine Ankunft in Nussdorf an. „Vivat, ein Hoch auf Elisabeth, hoch lebe unsere Kaiserin“ riefen die Menschen.
Mein Franzl sprang noch, bevor das Schiff richtig angelegt hatte, vom Ufer auf das Schiff, schloss mich in seine Arme und küsste mich stürmisch. Alle riefen in einem fort ganz laut „Hoch, Elisabeth!“ und ich winkte noch einmal eifrig mit meinem Spitzentuch.
Handkuss für die Tante und Schwiegermutter, Begrüßung der Brüder, Tanten und Onkel, Jubelrufe, Böllerschüsse, Musik, Fahnenschwenken.
Wagenzug nach Wien zum Schloss Schönbrunn in einer Kutsche, die von Lipizzanerschimmeln gezogen wird.
24. April 1854
Heute habe ich geheiratet, in der Augustinerkirche mit 70 Bischöfen und Prälaten. In einem wahren Traum von einem Kleid, ein gold -und silberbesticktes, reich mit Myrten besticktes Schleppkleid. Es sollte eigentlich mein schönster Tag sein, aber ich bin jetzt völlig am Ende, müde und todunglücklich.
Die Predigt war nämlich scheußlich!
Kardinal Rauscher äußerte sich folgendermaßen: „Wenn eine Frau einen Mann liebt, weil er reich ist, so ist sie nicht rein, denn sie liebt nicht den Mann, sondern sein Geld.“
Ist das nicht gemein, Franz Joseph ist der mächtigste Mann der Welt und er hat viel Geld, aber er braucht doch für mich gar kein Kaiser zu sein, ich wäre ohne all das ohnehin sehr viel glücklicher. Übrigens ist Kardinal Rauscher Tante Sophies Beichtvater. Der alte Drachen wollte mir weh tun!
Der restliche Tag war voller Pomp, Gratulationen, Geschenke, Ehrbezeugungen, Huldigungen. Nach der Trauung wurde ich dem Wiener Hof offiziell vorgestellt, für mich kam es einem Tribunal gleich. Ich kannte kaum einen der Leute und fühlte mich einsam und verlassen. Überall nur fremde Gesichter. Als ich inmitten dieser feindlichen Schar zwei meiner Cousinen entdeckt habe, die genau wie ich aus Bayern kommen, war ich richtig glücklich und bin sofort zu ihnen hin und hab sie umarmt. Ganz lang festgehalten habe ich die liebe Adelgunde.
Vergessen war der gestrige Fauxpas, als ich mit der Diamantenkrone, einer prächtigen alten Goldschmiedearbeit mit Smaragden, die mir der Franzl zur Hochzeit geschenkt hatte, beim Aussteigen aus der Kutsche strauchelnd an der Türfassung hängenblieb und Anlass zum Gelächter und Getratsche bot, weil die Krone durch meine Ungeschicklichkeit zu Boden fiel und in aller Eile repariert werden musste. Ein böses Omen!
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