Dem Hofmaler musste ich Modell sitzen, damit ein jeder in Wien weiß, wie ich aussehe.
Jetzt sind wir wieder daheim in Possi und darüber bin ich eigentlich recht froh. Ich muss irrsinnig viel tun und komme kaum zum Schreiben. Französisch, Italienisch, Tanzstunden, Anproben bei der Schneiderin und vieles mehr. Für mich ist der Ernst des Lebens nun angebrochen, sagt Mama. Ich muss jetzt viel lernen, um eine gute Kaiserin zu werden. Bisher wäre mein Unterricht vernachlässigt worden.
Am 24. August wurde nämlich ganz offiziell in der Wiener Zeitung verkündet, dass sich der Kaiser mit mir verlobt hat und es wurden auch meine Eltern, Herzogin Ludovika und Herzog Max in Bayern, namentlich erwähnt und natürlich seine Majestät, König Maximilian II von Bayern, das Familienoberhaupt von uns Wittelsbachern. An den Papa, den Brautvater, und an den König war natürlich auch ein Telegramm versendet worden.
Ich habe jetzt Unterricht in österreichischer Geschichte, allerdings bei einem Ungarn, den Papa für mich ausgesucht hat, wahrscheinlich um Tante Sophie ein bissel zu ärgern, was ich sehr begrüße. Denn den Papa freut es klammheimlich, dass ich, seine Lieblingstochter, die ehrgeizigen Pläne meiner Mutter und meiner Tante durchkreuzt habe. Er hofft auch, dass ich den Kaiser liberaler mache, denn der Franz regiert mit strenger Hand, so wie seine Mutter es ihm befiehlt. Beide seien beim Volk recht unbeliebt, da viele kritische Köpfe im Gefängnis sitzen oder in Ungarn hingerichtet worden waren.
Mein Lehrer heißt Janos Majlath, der Graf ist ein Freund meines Vaters. Er ist ein kleiner, lebhafter, sehr unterhaltsamer Mann, den ich sehr gerne mag. Er lebt in München in bescheidenen, fast ärmlichen Verhältnissen vom Ertrag seiner Bücher, das Geld, das er hier verdient, tut ihm sicher wohl. Er unterrichtet sehr anschaulich bis in den Abend hinein und manchmal hören ihm auch Nene und der Karl Theodor, unser Gackel, zu, die Mama und einige der anderen Lehrer.
Und ich muss ja auch noch Sprachen lernen, Französisch, Italienisch und Böhmisch, leider habe ich kein rechtes Talent für fremde Sprachen und das Französisch sprechen nimmt in der Gesellschaft zu Mamas Verdruss ohnehin sehr ab. Aber der Kaiser herrscht ja über so viele Länder, Venezien, Lombardei, wo man Italienisch spricht, Böhmen, Ungarn, Kroatien, Slowenien, das Banat und Serbien, wie mir Mama immer wieder in Erinnerung ruft.
Die Tante Sophie, die begierig über meine Lernfortschritte unterrichtet werden möchte, erscheint mir immer furchteinflößender. Meine Kinderangst hat einen Namen und ein Gesicht bekommen. Dabei schreibt sie angeblich an alle Tanten von mir nur als der lieben Elise, die ihren Sohn so glücklich macht.
10. September 1853
Mir macht der Unterricht viel Freude, besonders der bei meinem Ungarn. Herr Majlath ist sehr nett zu mir, er weiß so viel und hat sehr viel Humor. Immerzu schwärmt er mir von seinem schönen Heimatland vor. Ungarn muss traumhaft sein, ein richtiges Herzensland. Ich habe Bilder von der Puszta gesehen, diese unheimliche Weite. Ich freue mich so darauf, dort hinzureisen, ich würde mich dort frei fühlen, unendlich frei.
Außerdem sind die Ungarn tapfere und mutige Menschen, sind sie doch genauso freiheitsliebend wie ich. 1849 wurde ihre Verfassung von Franz Joseph außer Kraft gesetzt. Ein Jahr zuvor hatte es nämlich viele Todesurteile gegen aufständische Ungarn gegeben, nachdem einer von ihnen versucht hatte, den Kaiser umzubringen. Das ist eine sehr schlimme Tat gewesen, aber man darf doch nicht ein ganzes Volk für die Tat eines Einzelnen bestrafen.
Franzls General Julius von Haynau bekämpfte entschieden alle Gegner der Monarchie und war daher bei diesen als Hyäne von Brescia oder als der Blutrichter von Aradberüchtigt. Auf seinen Befehl wurden am 6. Oktober 1849 dreizehn ungarische Generale sowie am gleichen Tage in Budapestder erste ungarische Ministerpräsident Lajos Batthyányhingerichtet. Majlath hat voller Verachtung von diesem Menschen gesprochen, was ich gut nachempfinden kann.
Ich habe mir jedenfalls ganz fest vorgenommen, mich für Ungarn einzusetzen, wenn ich Kaiserin bin, ganz fest. Schon alleine wegen Herrn Majlath, der ein stolzer Ungar ist und bei mir um Verständnis für die ungarischen Sonderrechte wirbt, was er nicht tun muss. Er erklärt mir die ungarische Verfassung, die von Franz Joseph aufgehoben wurde und unbedingt wieder in Kraft gesetzt werden muss.
Wir sind übrigens beide der Meinung, dass die zweckmäßigste Regierungsform die Republik sei. Das darf ich natürlich niemanden sagen, das muss unser Geheimnis bleiben, aber das weiß ich noch nicht so recht.
Allerdings hängt in allen Köpfen noch Frankreich wie eine dunkle Wolke fest. Tante Sophie hat dolle Angst, dass dieses Beispiel Schule macht und wir wie die unglückselige Marie Antoinette und ihr Gemahl geköpft werden, nur, weil Leute glauben, das Ende der Monarchie sei gekommen und sich gegen die heilige Macht des Kaisers auflehnen. Sie glauben nicht, dass die Monarchen von Gott bestimmt sind, ihre Völker zu lenken und, dass sie es alleine besser könnten. Also sag ich lieber nicht, was ich denke oder zu denken glaube.
Er zeigt mir so schöne ungarische Gedichte, Sagen und Märchen. Ich wäre lieber Königin von Ungarin statt Kaiserin von Österreich.
„Sisi, leg dein Schreibzeug beiseite. Du musst dich jetzt mit deiner Aussteuer beschäftigen. Die Zeigt drängt. Ich möchte, dass dein Trousseau, deine kaiserliche Aussteuer, in Wien vor Sophies gestrengen Augen besteht. Ich will mich nicht blamieren und du sicher auch nicht.“
Mama war neben mich getreten und ich räume etwas widerwillig die Schreibsachen beiseite.
Anproben, wie öde. Ich hasse das ständige Anprobieren und kümmere mich kaum um die vielen, neuen, furchtbar kostbaren Kleider. Ich habe auch keine Freude mehr an den Juwelen, die der Kaiser mir schickt. Ich habe mich über keines seiner Geschenke so recht gefreut nur über den diamantenen Armreif mit dem Miniaturportrait des Kaisers, das damals gemeinsam mit meinem Bild in Ischl gemalt wurde.
„Übrigens ist Néné immer noch böse auf mich, Mama“, sage ich „wir reden zwar wieder mit einander, aber nicht über das, was in Bad Ischl passiert ist. Das ist für sie alles ganz furchtbar schlimm. Sie sieht doch, wie ich den Unterricht bekomme, den sie eigentlich bekommen sollte. Wie meine Aussteuer in Kisten gepackt wird, die eigentlich die ihre sein sollte. Mama, ich habe ihr den Mann gestohlen, den sie heiraten sollte und wollte. Wegen mir wird sie nun keine Kaiserin. Ich habe das doch nicht mit Absicht getan. Ich wollte doch nie Kaiserin werden.“
Meine Mutter sieht mich ernst an. „Es ist passiert, was passiert ist. Kümmere dich bitte jetzt um deine Aussteuer. Alles andere regelt sich.“
13. September 1853
Néné und ich saßen an unserem Steg am See und haben über alles geredet. Sie ist mir nicht mehr böse und sie versteht, dass ich Angst habe. Sie hatte ja auch große Angst gehabt und es deswegen vermasselt, wie sie nun unumwunden zugibt.
„Ich habe es einfach zu sehr gewollt, Sisi und ich glaube, wenn man etwas unbedingt will, dann geht es niemals gut. Du hast es gar nicht gewollt und du hast es bekommen“, sagt sie traurig und ich lege tröstend den Arm um sie.
„Du wirst gewiss einen guten Mann bekommen. Du bist so schön, klug und gebildet und du spielst so wundervoll Klavier. Beim nächsten Mal stellst du dich einfach entspannter an, bekommst keine Migräne und alles wird gut“, sage ich bestimmt.
„Nur, dass es beim nächsten Mal keinen Kaiser mehr für mich gibt. So viele Kaiser hat Europa nicht und der Zar von Russland ist mindestens 10 Jahre jünger als ich“, meint Néné schmunzelnd.
Auch mein Papa hat übrigens Angst, da er sich nun ordentlich benehmen muss und sich nicht wie ein freigeistiger Bürger oder ein Zechbruder bei seinen Artusrunden betragen darf, wenn er nun der Schwiegervater des Kaisers von Österreich wird. Meint zumindest Onkel Max, der König, der meinem Papa regelmäßig wegen seinem Lebenswandel die Leviten liest.
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