1 ...6 7 8 10 11 12 ...21 03. Juni 1854
Endlich eine Ablenkung. Franz und ich fahren nach Böhmen und Mähren. Ich lerne böhmisch, eine Sprache, mit der ich mich schwertue und die ich nicht besonders wohlklingend finde.
Viel lieber würde ich ungarisch lernen!
Franz freut sich natürlich auf Olmütz, da er dort Kaiser geworden ist, weil sein Onkel, Kaiser Ferdinand I., der kinderlos geblieben war, nach der Märzrevolution 1848 aus gesundheitlichen Gründen die Regierung zu Gunsten Franz Josephs niedergelegt hatte. Franz Josephs Vater, Franz Karlverzichtete insbesondere durch Einfluss seiner Gattin auf die Nachfolge. Franz Karl war nämlich sowohl körperlich als auch geistig von schwacher Konstitution und galt daher für eine Regentschaft als kaum geeignet. Aus diesem Grund wurde Franz bereits von frühester Kindheit an von seiner ehrgeizigen Mutter konsequent für die Nachfolge als Kaiser aufgebaut, weswegen er ihr ja immer noch dafür dankbar ist und nichts gegen sie sagt, wenn sie mich ungerecht behandelt. Franzens Familie fand damals in Olmütz Asyl und er schwärmt von der schönen, goldenen Stadt, die immer im Schatten Prags steht.
05. Juni 1854
Nicht einmal auf einer Reise habe ich meinen Franzl für mich alleine, sondern muss ihn mit dem gesamten Gefolge teilen. Selbst die Esterházy ist dabei. Eisenbahnfahren macht mir aber große Freude und Grünne erzählt recht lebhaft von den ungarischen Pferden.
07. Juni 1854
Gestern haben wir ein Waisenhaus und ein Armenspital besucht. Es hat mir viel Freude bereitet, mit den armen Kindern zu reden. Sie sind mir so viel lieber als diese Hofschranzen, sie sind ehrlich und offen und sie mögen mich. Die Armut der Menschen macht mich tief betroffen.
08. Juni 1854
Wir sind jetzt im Prag, eine sehr schöne alte Stadt, aber sie erinnert mich leider an Wien. Wir wohnen im Hradschin, dem alten Sitz der böhmischen Könige. Ich muss lange Audienzen über mich ergehen lassen, Franz ist dies von klein auf gewöhnt, mich ermüdet es jedoch furchtbar. Allerdings war das Ritterfest im Palais Waldstein mit den feurigen Reitern in ihren prächtigen Kostümen wirklich schön.
10. Juni 1854
Heute war eine Delegation aus dem Erzgebirge da. Mein Gott, sind das arme Menschen! Ich musste fast weinen, als ich von ihrer Armut hörte. Mir sind diese einfachen Menschen um vieles lieber als die Menschen bei Hofe, egal ob in Wien oder Prag, überall sind es die gleichen, falschen, bösartigen Menschen. Tante Sophie ist der böhmische Adel treu ergeben, mich aber verachten sie als kleines dummes Mädchen. Ich kann den böhmischen Adel nicht leiden, denn sie behandeln mich derart herablassend und ich war so aufgeregt, dass ich nicht mehr auf Französisch zu parlieren verstand.
Wir besuchten außerdem noch ein Taubstummenheim und ein Irrenhaus, letzteres war sehr spannend.
02. Juli 1854
„Ich bin schwanger?“
Fast entsetzt schaue ich Hofrat Dr. Seeburger an. Eigentlich müsste ich glücklich sein wie Schwangere es nun mal sind, aber ich bin es nicht. Nicht einmal ansatzweise. Ich bin so müde, schon an Fronleichnam fühlte ich mich zu Tode erschöpft, als ich mit dem Kaiser bei der Prozession mitgehen musste.
„Jawohl Majestät, Ihre Kaiserliche Hoheit befinden sich, wie ich eben sagte, in der Erwartung. Kaiserliche Hoheit wird den Erben zur Welt bringen. Sie müssen sich nun ein bisserl umstellen. Keine Reiterei mehr.“
Das hatte ich schon befürchtet und sehe entsetzt meinen Franzl an, der meine Hand hält, mich liebevoll anlächelt und nickt. Kein Reiten mit Graf Grünne, meinem guten Freund, dem die kaiserlichen Stallungen unterstehen. Was hat der Mann für ein Wissen über Pferde, es gibt niemanden, der sich besser mit Pferden auskennt als er. Oft reite, nein, ich muss jetzt sagen, ritt ich mit ihm aus, wenn der Kaiser keine Zeit für mich hatte, also ziemlich oft.
Ich hatte schon befürchtet, schwanger zu sein. Als wir aus Prag zurückkamen, musste ich, obwohl mir unwohl war, ich sehr müde war, mich kaum auf den Beinen halten konnte und fürchtete, diesen öffentlichen Auftritt nicht mit der nötigen Grazie zu absolvieren, an der Fronleichnamsprozession teilnehmen, da die Kaiserin sich in der Öffentlichkeit präsentieren muss.
„Ich werde dick und unansehnlich, ich habe das doch bei meiner Mama gesehen, wenn sie schwanger war“, flüstere ich tonlos vor mich hin.
„Du darfst doch im Schönbrunner Park spazieren gehen, Sisi und du bist immer schön, vor allem, wenn du schwanger bist, ich freue mich ja so“, flüstert mir Franzl ins Ohr.
12. Juli 1854
Mir ist ständig schlecht und ich habe schon ein wenig zugenommen, was mir gar nicht gefällt. Der Doktor Seeburger behandelt mich, als ob ich ein kleines Kind wäre und ich muss allem folgen, was er, Tante Sophie und der Kaiser von mir erwarten.
Im Schönbrunner Park spazieren gehen. Normalerweise gehe ich gerne spazieren, aber die Menschen starren mich an, wenn ich im Schönbrunner Park flaniere. Und ich muss spazieren gehen, ich muss mich dem Volk zeigen. Sie sollen sehen, dass ich Mutter werde, dass ich wirklich ein Kind vom Kaiser in mir trage. Ich muss ihnen meinen dicken Bauch zeigen. Die Leute haben angeblich ein Recht darauf, zu sehen, dass es ihrer Kaiserin gut geht. Dass ich ein Kind bekomme, gibt ihnen Vertrauen in die Zukunft des Kaiserreiches. Sophie und auch mein Franzl wollen das so. Dabei kommen so viele Leute in den Schlosspark, seitdem alle Welt weiß, dass ich schwanger bin. Und sie gaffen mich an und rauben mir meine Seele. Tante Sophie behauptet, ich würde ein Theater machen und dem Franz mit meinen Launen schaden. Auch mein enges Schnüren findet sie doof, aber ich will nun mal nicht aufgehen wie ein Ballon.
Was ich will und wie ich mich fühle, das ist ihnen egal, auch meinem Franzl. Er sagt immer, er würde mich lieben, aber er lässt mich immerzu im Stich. Er hat so viel mit diesem dämlichen Krieg auf der Krim zu tun, mit den Hungersnöten, die überall in den Provinzen ausbrechen und mit der Cholera, die bei den Truppen in der Walachei seinen Ursprung nahm.
Und ich soll mich von meinen Tieren fernhalten, weil mein Kind dann wie ein Papagei aussehen würde, wenn ich meinen Papagei in seinem Käfig betrachte. Tante Sophie ist so blöd!
30. Juli 1854
Ich bin in Ischl, wo die Sophie uns die Villa Marstallier nach unserer Verlobung als Hochzeitsgeschenk gekauft hat, die zur Kaiservilla umgebaut wird. Mama, Karl Theodor und Mathilde sind da. Mein Gott, war das ein Spaß mit dem Telegramm, denn in dem war zu lesen: Kaiserin Elisabeth, Ischl, eintreffe mit Spatz und Gackel, Mimi.
So nahm jeder an, die reisende Mimi, die am Bahnhof abzuholen war, wäre eine exzentrische Reisende mit zwei Vogelkäfigen, dabei ist Mimi meine Mama, Gackel mein Bruder Karl Theodor und der Spatz meine jüngste Schwester Mathilde, die so klein und so zierlich wie ein Spatz ist.
Meiner Mama war die Angelegenheit vor Sophie peinlich, aber ich musste so lachen!
22. August 1854
Franz Joseph hat nie Zeit für mich, immerfort beschäftigt er sich mit diesem blöden Krimkrieg, der schon seit letztem Jahr dauert. Mir geht es nach immer noch schlecht, ich muss oft brechen und weinen. Tante Sophie hält mich für unreif und behauptet, ich würde Theater machen, ich sei selber noch ein Kind. Ich sollte mich zusammenreißen. Immerfort würde ich jammern, statt ihren Unterweisungen, die sie nur gut meint, zu folgen. Mein Unwohlsein reicht nicht aus, Termine abzusagen und ich muss weiter spazieren gehen, damit jeder sehen kann, dass ich den Thronfolger oder zumindest eine kleine Erzherzogin, die man später gut verheiraten kann, erwarte. Als ob sie mir das nicht ohnehin schon klar gemacht haben.
Читать дальше