»Haltet seine linke Hand«, befahl er. Er suchte sich den Daumen aus, kniff die Zange am Rand des Nagels zusammen und mit einem kurzen Ruck löste sich der komplette Daumennagel.
Johannes brüllte laut auf. Matthias gab ihm eine Ohrfeige.
»Wie viele Nägel hast du noch an den Fingern?«, brüllte er.
»Neun, Herr«, winselte der Gequälte.
»Wie viele Kinder hast du geschändet?«
Die Stimme von Popolius überschlug sich beinahe.
»Keines, Herr.«
Auf ein kaum wahrnehmbares Nicken des Schreibers hin, machte Matthias weiter.
Schnell folgten einige weitere Nägel, gefolgt von einem Eimer Wasser, als Johannes das Bewusstsein verlor.
»Er ist verstockt, Meister Matthias«, meinte Popolius. »Ich glaube, er verhöhnt uns.«
Mattias verstand, nahm eine andere Zange, erklärte den Zweck und wiederholte seine Frage. Johannes stammelte eine Antwort, aber der Schreiber schüttelte den Kopf. Also brach Matthias dem Mann zwei Zehen und drei Finger.
Daraufhin gestand er, in Mainz zwei Mädchen und einen Knaben geschändet zu haben.
Der Schreiber flüsterte Matthias etwas ins Ohr. Daraufhin holte er einige Eisenstäbe, die neben der Schmiede lagen, und zeigte sie Johannes.
»Ich denke, du hast noch mehr zu beichten. Sieh her, dieser Stab.«
Er fuhr mit ihm langsam über den Bauch des Mannes.
»Noch ist er kalt. Aber in ein paar Minuten wird er rot glühen. Wenn ich ihn dann auf deinen Bauch halte, wirst du erst denken, es wird ein Schwein gebraten, so riecht es. Dann kommt der Schmerz. Deine Haut wird rot, sie platzt auf. Das Fleisch verkohlt. Also erleichtere dein Gewissen.«
Er zeigte ihm die anderen Eisenstäbe, dann legte er diese in die Glut. Nach wenigen Minuten holte er den Ersten davon wieder heraus und zeigte ihn Johannes.
»Nun?«
Als keine Antwort kam, drückte er ihm das heiße Eisen auf die linke Brustwarze. Der Schrei des Mannes war ohrenbetäubend. Es roch nach verkohltem Fleisch, nach versengter Haut. Die Blase des Mannes entleerte sich und der Schließmuskel versagte. Es stank erbärmlich.
Doch Matthias folgte nur den Zeichen des Schreibers. Er hatte noch nie die Folter oder eine Hinrichtung ohne die Anleitung seines Lehrherren durchgeführt und wusste, mit dieser Befragung und allem, was danach kam, würde er sich beim Vogt beweisen. Es gab mehr als genug Henker ohne Anstellung. Und er hatte nichts anderes gelernt. Er musste nur aufpassen, dass er keine Körperteile beschädigte, die für eine Bestrafung in Frage kämen.
Ohren, Nase, Gemächt und Augen waren tabu, außer auf direkte Anordnung. Alles andere konnte er malträtieren.
Es verging eine weitere Stunde, bis der Schreiber schließlich »Genug« sagte. In dieser Zeit hatte Johannes gestanden, in mehreren Orten Ehebruch begangen zu haben. Er habe Vieh und Geld gestohlen. Er war in Kirchen eingebrochen. Hatte es mit Schafen und Ziegen getrieben. Und noch vieles mehr.
Matthias war klar, dass das meiste nur erfunden war, damit diese Qual ein Ende hatte, und hielt die ganze Befragung für überflüssig. Man hatte ihn auf frischer Tat bei etwas erwischt, was allein Grund genug war, den Schurken hinzurichten. Wozu noch mehr Geständnisse erpressen?
Der Schreiber drehte sich noch einmal um.
»Eine letzte Frage: Wer sind seine Komplizen?«
Matthias schluckte. Das war eine der gemeinsten Fragen. Hatte er keine und sagte es so, würde der Schreiber nicht zufrieden sein. Beschuldigte er jedoch jemanden, so war auch dieser dem Tode geweiht.
Matthias nahm ein Werkzeug, welches ähnlich wie eine Zange geformt war. Sie hatte zwei spitze Dornen statt zwei Backen. Nachdem er Johannes den Zweck dieses Werkzeuges erklärt hatte und auf die Frage nach den Komplizen die Antwort nicht zur Zufriedenheit des Schreibers ausgefallen war, setzte Matthias das Werkzeug ein. Mit der linken Hand griff er sich den Bauch des Delinquenten, presste das Fleisch zusammen und setzte es an. Langsam drückte er es zusammen, bis sich die Dornen durch das Fleisch gebohrt hatten. Blut sprudelte hervor. Der Mann brüllte wie am Spieß.
»Der kahle Walther. Dazu der krummbeinige Franz.«
Dann fiel er in Ohnmacht.
»Das genügt, Meister Matthias. Bringt ihn morgen nach der Frühmesse zum Gerichtsplatz.«
Matthias nickte. Als der Schreiber sich zur Tür drehte, sah er dort ein Mädchen stehen.
Marie war kreidebleich, bleicher noch als der gefolterte Johannes. Sie wusste nicht mehr, wie lange sie schon hier stand und das Grauen miterlebte, aber jede Sekunde war zu viel gewesen. Gerne wäre sie gleich wieder davongelaufen und hätte vor der Johanniterscheune auf Popolius´ Rückkehr gewartet. Aber sobald sie den ersten Schrei des Gequälten gehört hatte, zitterten ihre Knie so sehr, dass sie keinen Schritt mehr hatte tun können.
»HEDA, du neugieriges Luder!«, schrie da der Schreiber mit seiner hohen, nasalen Stimme zu ihr hinüber. »Was hast du hier zu spionieren?«
Wie unter einem Schlag zuckte Marie zusammen, aber ihr Blick blieb unverändert auf Matthias gerichtet, den sie die ganze Zeit angestarrt hatte wie den Teufel persönlich und der sich jetzt zu ihr umgewandte. Das Blut des Delinquenten klebte noch an seinem Hemd. Sie brauchte drei Anläufe, ehe ihr endlich die Stimme nicht mehr versagte und sie stammelnd ihren Auftrag schildern konnte.
»Der Vogt schickt mich … er fragt nach dem Stand der Dinge!«
Das passte Popolius ausgesprochen gut, bedeutete es doch, dass er nicht selbst in die Vogtei zurückkehren musste und den Abend mit angenehmeren Dingen verbringen konnte. Seine Miene glättete sich sofort und er nickte wohlwollend, ging auf die zitternde Magd zu.
»Schön, schön. Du kannst ihm berichten, dass der Mörder all seine Vergehen zugegeben hat. Auf der Tafel steht alles, was der Vogt wissen muss. Pass auf, dass du die Schrift nicht verwischst!«
Er drückte die Tafel in Maries Hände, die sie in ihrer entsetzten Erstarrung beinahe fallen gelassen hätte. Der Umstand, dies durch schnelles Zupacken verhindern zu müssen, weckte das Mädchen schließlich aus seiner Lähmung und sie wich zurück, die Schreibtafel wie einen Schutzschild an die Brust pressend.
Sie wagte es nicht, Matthias den Rücken zuzuwenden, als ob er sie für das, was sie beobachtet hatte, einholen und derselben Behandlung unterziehen könnte.
Noch immer starrte sie ihn voller Grauen an, ging so lange rückwärts, bis sie aus dem Türrahmen verschwunden war und den Henker von Rothenburg nicht mehr im Blick hatte. Dann erst warf Marie sich herum und rannte aus der Johanniterscheune, so schnell ihre Beine sie trugen.
Am Ende der Burggasse stolperte sie und stürzte hart zu Boden, schlug sich schmerzhaft die Knie auf. Nun kam die blonde Magd langsam wieder zu sich und zum zweiten Mal an diesem Tage begann sie zu weinen, noch heftiger als bei den Schlägen ihres Herrn. Sie war sich sicher, nie wieder vergessen zu können, welchen Schrecken sie in dieser Scheune gesehen hatte.
Marie war nun endgültig davon überzeugt, dass Matthias auf gar keinen Fall ein Mensch sein konnte. Nur ein Teufel direkt aus der Hölle war fähig, einem anderen Menschen die Dinge anzutun, die er gerade getan hatte.
Matthias säuberte seine Werkzeuge, schrubbte das Blut des Johannes von der Streckbank, fegte das Sägemehl zusammen, erneuerte es und löschte nach und nach die Fackeln. Der Delinquent war von den Bütteln des Vogtes in eine Zelle unterhalb des östlichen Wachturmes gebracht worden, wo er bis zu dem Zeitpunkt warten würde, an dem der Vogt ihn zur Urteilsverkündung bringen ließ.
Matthias ging zu seiner Hütte zurück. Seine blutverschmierten Sachen warf er in einen Zuber, der mit Seifenlauge gefüllt immer bereitstand. Eine arme Witwe aus Rothenburg verdiente sich ein paar Geldstücke, indem sie sich um seine Wäsche kümmerte. Matthias stellte sie nur vor die Tür, ein paar Tage später war sie sauber wieder da. Nur einweichen musste er sie, hatte sie ihn ermahnt, sonst würden die Blutflecken nicht mehr herausgehen. Anschließend wusch er sich und kleidete sich wieder an. Der Tag war mittlerweile weit fortgeschritten und er verspürte Hunger. So lenkte er seine Schritte zum ›Goldenen Schwan‹, um dort zu Abend zu essen und nach dem Rechten zu sehen.
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