Ein Geräusch gefolgt von einem kühlen Lufthauch der über meinen Rücken weht weckt mich. Ich sehe auf, es ist schon dämmrig geworden, regnen tut es immer noch. Julian hat das Fenster geöffnet und ist wie es aussieht aus dem Zimmer gegangen. Keine Ahnung wie lange ich geschlafen habe. Ich richte mich auf und strecke mich durch, als er wieder hereinkommt.
„Wolltest du dich aus dem Staub machen?“, witzle ich als er sich wieder zu mir legt und sich dicht an mich schmiegt. Er schiebt meine Haare zur Seite und küsst mich hinterm Ohr.
„Nein…Ich werde dich nicht allein lassen. Niemals“, haucht er in mein Ohr.
Ich seufze. „Doch wirst du. Sehr bald sogar.“
„Nein…“, wiederholt er und dreht mein Gesicht zu sich. „Und? Wie fühlst du dich?“ Er schmunzelt ein wenig und reibt dabei seine Nase an meiner.
„Echt gut…Ich fühle mich echt gut“, schmunzle ich zurück. „Und du?“
„Auch echt gut.“
„Ich dachte es wird wehtun und so…aber es war ganz toll und alles hat gekribbelt“, sage ich etwas schüchtern.
Sein Blick wechselt auf zufrieden glaub ich. „Okay…Ich bin sicher es geht noch mehr als Kribbeln.“
Er schlingt seine Arme fest um mich und küsst mich, was ich nur zu gerne erwidere. Das Klingeln meines Handys holt mich in die Realität zurück. Ich blicke auf das Display, es ist meine Mama. Sie meint es hört nicht auf zu regnen, darum kommt sie mich abholen, auch wenn ich noch lieber bei Julian bleiben will, wird das wohl das Beste sein. Ich kann mich echt schwer von ihm lösen, denn ich weiß, dass ich mich bald ganz von ihm trennen muss. Er wird zurück nach Hause gehen und ich werde hier zurückbleiben. Dieser Gedanke fühlt sich ganz schrecklich an, darum schiebe ich ihn für heute weit nach hinten und kuschle mich noch einmal an seinen nackten Oberkörper bevor mich Mama gleich abholen wird.
Julian
Ich streiche sanft über Annas Rücken. Es ist so wunderbar sie zu berühren. Ich kann gar nicht damit aufhören. Und es ist unglaublich mit ihr zu schlafen, auch damit kann ich gar nicht aufhören. Sie ist schon viel lockerer geworden und ich glaube es ist mehr aus dem Kribbeln vom ersten Mal geworden. Zumindest hatte ich gerade eben das Gefühl es hätte ihr ziemlich gut gefallen. Ihr Körper hat gebebt, das war so heiß, ich konnte mich kaum beherrschen. Ich küsse sanft ihre Schulter, ja ich weiß was ihr gefällt. Mein Blick fällt auf die Narbe die sie am Schulterblatt hat. Das war sicher ihr Arschloch Vater. Vorige Woche war so toll, weil es für ihre Mum kein Problem war, wenn sie mal länger bei mir blieb. Doch jetzt ist er wieder da und ich möchte auf keinen Fall ein Risiko eingehen. Er soll auch nicht wissen, dass wir uns immer noch treffen. Sie dreht sich zu mir und lächelt mich an. Immer wieder zieht sich bei ihren Blicken alles in mir zusammen, es ist fast unheimlich, aber ich kann es nicht abstellen. Ich streiche noch einmal über ihr Schulterblatt.
„War er das?“, frage ich leise.
Sie schließt die Augen, was eine Antwort überflüssig macht.
„Warum?“
„Wegen der Mathe Note“, sagt sie und beginnt sanft mit ihrem Zeigefinger über meine Brust zu streichen. „Es war eine spitze Kante an der ich aufgekommen bin. Ich bin eine Enttäuschung für ihn hat er gesagt, das hat viel mehr wehgetan als das Loch in meiner Schulter.“
Ich weiß, dass meine Fragerei für sie nicht angenehm ist und mich schmerzt jedes Wort, trotzdem will ich es wissen.
„Schlägt er deine Mutter auch?“
„Jetzt nicht mehr. Sie war sehr krank.“ Wieder schließt sie ihre Augen und atmet dabei durch. „Sie wäre fast gestorben.“ Ihre Stimme ist ganz erstickt. Ich greife nach ihrer Hand und ziehe sie auf meine Brust. „Brustkrebs“, fügt sie noch hinzu. „Mama würde es nicht schaffen, wenn er sie wieder so zurichten würde. Ich pass auf sie auf.“
In mir baut sich ein schreckliches Gefühl auf. Es ist wie ein Druck, der sich über mich legt. Was ist denn nur los? Wie kann es so etwas überhaupt geben? Ich weiß gar nicht was ich darauf sagen soll.
„Warum verlässt sie ihn nicht?“, entkommt mir auf einmal. Ich weiß sofort, dass es eine blöde Frage ist.
„Weil sie niemanden hat. Er würde sie fertig machen. Sie hat Angst.“
„Ich habe auch Angst. Angst um dich“, flüstere ich und küsse ihre Stirn. „Ich werde dich mitnehmen.“
Sie sieht auf und zieht die Augenbrauchen hoch. „Wohin denn?“
„Zu mir nach Hause. Es würde dir gut gehen. Ich liebe dich und kann keinen klaren Gedanken fassen, schon gar nicht, wenn ich daran denke was ist, wenn ich weg bin.“
Sie schmunzelt ein wenig. „Wir kennen uns doch noch gar nicht richtig. Was soll ich in Schottland machen? Ich muss meine Schule hier abschließen und meine Mama braucht mich. Außerdem, du studierst doch in London. Es ist echt schön wie du dich sorgst, aber es ist nun einmal wie es ist. Ich gehöre hierher. Du kommst aus einer anderen Welt, auch wenn ich keine Luft bekomme beim Gedanken daran, dass du bald nicht mehr bei mir sein wirst.“
„Nein Anna…Deine Welt ist anders. Es ist nicht fair...“ Ich atme tief durch. „Ich lass dich nicht hier zurück.“
Sie zuckt seufzend mit den Schultern.
„Und Anna, sag nicht wir kennen uns nicht. Ich hatte noch nie das Gefühl jemanden so zu kennen wie dich, auch wenn ich täglich etwas Neues an dir entdecke und ich entdecke auch genauso oft etwas Neues an mir. Das machst du.“
Sie lächelt, aber ich bin ein wenig gekränkt. Ihre Worte fühlen sich komisch an, so als würde bald alles vorbei sein. Ich bin mir sicher, meine Mum würde sie sehr gerne aufnehmen, wenn ich erst erzähle was hier abläuft.
„Wir sollten nicht den ganzen Tag im Bett liegen. Es ist so schön draußen. Fahren wir zum See?“, meint sie plötzlich. Themenwechsel. Das passt zu ihr. Immer wenn ihr ein Thema zu tiefgründig wird tut sie das.
„Ich könnte schon den ganzen Tag mit dir im Bett verbringen. Es ist schließlich so, dass ich ein Ziel habe“, schmunzle ich.
„Ein Ziel?“ Sie sieht mich neugierig an.
„Das Kribbeln ausbauen, außer es ist mir heute schon zufriedenstellend gelungen? Also?“
Sie lacht ein bisschen und zieht sich die Decke über den Kopf. „Du bist albern.“
Ich stecke meinen Kopf ebenfalls zu ihr unter die Decke und küsse sie stürmisch. „Nein…Das ist wichtig.“
„Julian…Ich liebe dich“, haucht sie und sieht mir tief in die Augen, dann zieht sie meine Lippen an ihre. „Und ja…Ich hätte nie gedacht, dass Sex so gut sein kann.“
„Sex mit mir“, füge ich hinzu.
Sie verdreht belustigt die Augen. „Natürlich.“
Anna ließ sich einen Besuch am See nicht ausreden. Sie hat wie es aussieht Ella versprochen, dass wir hinkommen. Ich wäre zwar lieber mit ihr allein, aber ich kann ihr auch keinen Wunsch abschlagen. Sie ist selbst mit dem Fahrrad hingefahren, bei mir mitfahren ist zu riskant. Schließlich fällt den Leuten hier im Dorf alles auf, irgendwelche Idioten erzählen es dann wieder ihrem Vater und wenn der sie noch einmal anfasst, gibt es hier Tote. Besser gesagt einen Toten. Ich parke die Vespa unter dem schattigen Baum beim Eingang und warte auf sie. Es ist so warm und jetzt muss sie auch noch mit dem Fahrrad herstrampeln. Ich seufze für mich als mich eine Stimme aufreißt.
„Wo ist denn dein Mäuschen?“ Janine sieht mich böse an und geht an mir vorbei. Ich hatte sie die letzten Tage komplett verdrängt. Scheiße. Ich hoffe nur, sie macht nichts Unüberlegtes. Kurz denke ich darüber nach etwas zu ihr zu sagen, doch sie sieht sich nicht mehr um und Anna kommt angefahren. Plötzlich steigt ein schrecklich schlechtes Gewissen im mir auf. Anna schließt ihr Fahrrad neben dem Mofa ab.
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