1 ...8 9 10 12 13 14 ...21 „Sorry…es ging nicht früher“, entschuldige ich mich und greife nach seiner Hand.
„Komm, was trinkst du?“ Er zieht mich zur Seite und schenkt mir etwas ein. Ich nehme das Getränk und lächle ihn an. Dann nehme ich einen Schluck. Plötzlich nimmt er mir das Glas aus der Hand und umarmt mich fest. Sehr fest. Ich erwidere es. Dann küsst er mich erneut zwischen den ganzen Leuten. Die Blicke der anderen sind mir jetzt aber egal.
„Du bist betrunken“, schmunzle ich uns streiche dabei durch seine Haare.
„Nicht so sehr…“, haucht er nahe meinem Mund und küsst mich erneut.
Wir tanzen und es ist perfekt. Ich liebe es ihn nahe an meinem Körper zu spüren. Meine Hände umklammern ihn fest. Irgendwann reißen seine Freunde ihn von mir weg, aber das macht nichts. Schließlich sind da auch noch andere Gäste. Ich lehne mich an eine Holzwand und genieße das laue Lüftchen, das unter mein Kleid weht. Zuerst sieht Julian immer wieder zu mir, doch dann verliere ich ihn aus den Augen. Mit den anderen Mädels kann ich mich nicht wirklich unterhalten, weil ich nicht weiß was ich mit ihnen reden soll. Nach einiger Zeit sehe ich mich nach ihm um. Da gibt es scheinbar ein Trinkspiel. Ich gehe näher. Julian muss Schnaps trinken. Viel Schnaps. Das gefällt mir nicht. Den anderen gefällt es aber außerordentlich gut wie es aussieht. Da sind auch die Mädchen vom See, auch Janine. Sie amüsiert sich augenscheinlich perfekt. Ein ungutes Gefühl macht sich in mir breit. Es kommt nie etwas Gutes heraus, wenn zu viel getrunken wird. Ich mag das einfach nicht und brauche es auch nicht um gut drauf zu sein. Eine Zeitlang sehe ich zu, er bemerkt mich nicht einmal mehr. Das tut unerwartet weh. Ja es ist sein Geburtstag, aber ich bin wegen ihm gekommen. Ich zupfe an meinem Kleid und überlege was ich tun soll. Dann drehe ich mich um und gehe an ihm vorbei. So, dass er mich sieht. Als ich schon am Weg zu meinem Fahrrad bin, höre ich ihn mir nachrufen.
„Anna! Was ist denn?“ Er lallt gewaltig und als ich mich umdrehe kann ich nur die Augen verdrehen. Er wankt auch ordentlich.
„Ich fahre wieder“, sage ich leise ohne ihn anzusehen.
„Warum denn? Bist du böse?“
Ich schüttle den Kopf und gehe weiter. Enttäuscht. Ich bin enttäuscht, aber auch das behalte ich für mich.
„Anna…Komm schon…“ Er schließt auf und erwischt mich an meiner Hand. „Anna“, sagt er jetzt leiser und zieht mich an sich.
Ich atme durch. So gefällt er mir nicht. Naja schon, aber ohne den Vollrausch finde ich ihn viel süßer. Er beginnt mich zu küssen, auch wenn ich den Schnapsgeruch dabei ausblenden muss ist es schön. Der Kuss wird inniger, er drückt mich an die Schuppenwand und streicht durch meine Haare, seine Lippen saugen an meinem Hals. Ich muss ihn bremsen, weil ich befürchte sonst einen Knutschfleck zu bekommen, das kann ich so gar nicht gebrauchen.
„Nicht…Lass das Julian“, sage ich und drehe mich zur Seite. Er sieht mich kurz an, dann küsst er mich weiter. Er ist atemlos und ich überfordert. Seine Hände wandern meine Taille hoch und streichen über meine Brust. Das macht er sehr bewusst ich schiebe sie wieder weg. Auch wenn ich seine Berührungen mag, so gefällt mir das nicht. Es ist nicht zärtlich und er betrunken. Er lässt sich allerdings nicht abbringen, jetzt schiebt er mein Kleid hoch und gleichzeitig sein Bein zwischen meine und seine Hände sind plötzlich unterm Kleid an meinem Po. Das ist zu viel.
„Nein! Bitte!“, stoße ich ihn energisch zurück.
„Was hast du denn?“, meint er verständnislos.
„So nicht Julian!“
Er schüttelt den Kopf, fast als fände er meinen Einwand lächerlich. „Wie denn dann? Wie willst du es haben?“
Ich reiße mich von ihm los und sehe ihn geschockt an, dabei schnappe ich nach Luft. „Spinnst du?!“
Er zieht die Augenbrauchen hoch und schmunzelt. Ich senke mit gekränktem Blick mein Gesicht und schüttle enttäuscht den Kopf. Dann gehe ich ohne ein weiteres Wort zu sagen zu meinem Fahrrad.
„Sorry Anna! Komm schon…Bleib stehen! “, ruft er mir noch nach, doch ich reagiere nicht mehr darauf. Alles fühlt sich ganz falsch an. Schmerzlich und falsch. Ich schnappe nach Luft. So habe ich mir das nicht vorgestellt. Nachdem ich ein Stück gefahren bin, bleibe ich an der Hofausfahrt stehen und versuche mich zu sammeln. Doch es gelingt nicht. Tränen laufen über meine Wangen. Habe ich mich wirklich so getäuscht? Warum? Mein Magen dreht sich fast um, als mich das Krachen eines lauten Blitzes, gefolgt von einem mächtigen Donner zusammenschrecken lässt. Der Wind nimmt zu, die Blätter der angrenzenden Bäume beginnen zu rascheln, als ich auch schon große Tropfen spüre. Mist. Ich steige schnell wieder auf und radle im immer weiter zunehmenden Gewitterregen los. Es blitzt und donnert und ich bekomme Angst, weil ich mitten in diesem Inferno unterwegs bin. Aber es ist nicht mehr weit, darum trete ich einfach weiter. Als ich unsere Einfahrt hinuntertrete, schrecke ich erneut zusammen, weil die Sirene lautstark losheult. Vermutlich hat irgendwo der Blitz eingeschlagen. Ich stelle mein Fahrrad ein und kann immer noch keinen klaren Gedanken fassen, ich bin einfach nur froh wieder zu Hause zu sein. Alles in meinem Kopf ist wirr und durcheinander. Gerade als ich den Schlüssel unter der Matte vor der Tür hochheben will, öffnet sich diese. Mein Vater stoppt ab und sieht mich an. Die Sirene. Fuck. Ein Feuerwehreinsatz. Ich schließe kurz meine Augen. Oh mein Gott…
„Anna! Bist du wahnsinnig? Was macht du denn?“, schreit er mich an und packt mich am Arm.
Ich kann nichts sagen, reiße mich los und laufe panisch an ihm vorbei, die Stiege hinauf in mein Zimmer. Atemlos lehne ich mich an die Tür und höre wie er wegfährt. Ich reibe mir die Schläfen, wieder laufen Tränen über meine Wangen. Ich muss nachdenken. Shit.
„Anna?“ Mama klopft an die Tür.
Ich öffne diese langsam. „Entschuldige…Er hat mich gesehenen…“
„Keine Angst, ich mach das schon“, beruhigt sie mich.
Ich nicke schluchzend, auch wenn ich ihr glauben will, weiß ich jetzt schon, dass es nichts helfen wird. Sanft streicht sie über meine Wange. „War es denn schön?“
Schön? Es hätte schön sein können. Ich hätte besser zu Hause bleiben sollen. Wortlos lege ich meine Hände vors Gesicht und kann nicht aufhören zu weinen.
„Ach Anna…“, beruhigt mich Mama und hilft mir aus dem nassen Kleid zu schlüpfen. „Schlaf jetzt, morgen sieht die Welt ganz anders aus.“
Auch das glaube ich nicht. Denn ich weiß, was auf mich zukommt. Ich schlüpfe kraftlos unter meine Decke, sie bleibt noch ein bisschen bei mir dann geht sie aus dem Zimmer. Mein ganzer Körper zittert und ich kann mich nicht beruhigen. Ich weiß, dass mein Vater ausrasten wird, wenn er wieder zurück ist, Mama wird das nicht verhindern können. Außerdem geht mir Julians Verhalten nicht aus dem Kopf. Er war doch nie so. Geht es ihm wirklich nur darum? Will er nur Sex? Mich ausnutzen und dann wieder abhauen? Ich denke lange darüber nach, kann es aber einfach nicht verstehen.
Laute Worte reißen mich auf. Ich bin eingeschlafen. Irgendwann. Es wird schon hell. Ich habe so viel geweint, dass ich meine Augen kaum aufmachen kann. Sie sind ganz zugeschwollen. Mein Wecker zeigt kurz nach fünf.
„Lass sie jetzt schlafen und leg dich auch noch hin“, höre ich Mama ruhig aber bestimmt sagen.
„Sag mal spinnst du? Was ist denn los mit euch Weibern?“, schreit mein Vater. „Sie führt sich auf wie eine Schlampe! Ich dulde das nicht! Nicht unter meinem Dach!“
Ich kenne die Tonlage seiner Stimme. Nach dem Feuerwehreinsatz ist es nicht bei einem Bier geblieben. Das kann ich deutlich hören. Ich liege regungslos da, aber mein Herz klopft. Ich höre ihn die Stufen heraufpoltern. Jetzt bin ich auf alles eingestellt. Ich weiß was passieren wird.
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