1 ...7 8 9 11 12 13 ...21 „Hallo Mama“, begrüße ich sie.
„Servus. Stimmt etwas nicht?“, fragt sie mich und sieht mich musternd an.
Es lässt sich nicht scheinbar nicht verbergen wie ich mich fühle. Ich fühle mich fürchterlich. Einerseits fürchterlich gut, andererseits fürchterlich nachdenklich. Ich schiebe diesen Zustand kurz beiseite. Da mein Vater noch nicht da zu sein scheint, nutze ich die Gelegenheit um mit Mama zu sprechen.
„Nein…Alles ok. Mama…Ich muss dich etwas fragen…“, stammle ich.
„Ja, was denn Anna. Ist etwas passiert?“
Ich zucke mit den Schultern und schiebe mein Fahrrad in den Schuppen.
„Anna, los raus damit. Was ist denn?“ Sie greift nach meiner Hand und lächelt mich mild an. Sie weiß, dass ich nichts Unüberlegtes tue. Sie kennt mich. Da ist so viel Wärme und liebe in ihrem Blick.
„Da ist ein Junge…“, sage ich leise und senke meinen Blick. „Also ein Junge ist er nicht mehr wirklich…Er hat am Samstag Geburtstag und ich würde gerne hingehen…“, stammle ich nervös.
„Aha. Komm. Setzen wir uns auf die Bank“, meint sie neugierig.
Ich folge ihr und lehne mich an die kühle Hauswand.
„Wie alt wird er denn?“, fragt sie vorsichtig.
„Einundzwanzig. Er macht Urlaub. Am Herzoghof.“ Ich sehe sie an und lächle kurz, was sie erwidert. „Ich habe mich in ihn verliebt“, sage ich so leise, dass man es kaum hört.
Sie nickt und lächelt immer noch. Sie lässt mir kurz Zeit, dann fragt sie genauer nach. Ich erzähle ihr alles, was wirklich guttut.
„Papa wird das nicht erlauben“, seufze ich und senke meinen Blick.
Mama seufzt auch. „Bestimmt nicht. Würdest du weiter gehen, als das was du mir gerade erzählt hast? Ich meine, er ist vermutlich bald weg. Auch wenn ich ihn nicht kenne, Männer vergessen danach gerne alles schnell.“
Würde ich weiter gehen? Keine Ahnung. Ich könnte es mir vorstellen, auch wenn ich nicht genau darüber nachgedacht habe bis jetzt.
„Ich möchte einfach gerne auf die Geburtstagsfeier“, murmle ich. „Ich habe nicht vor irgendetwas in der Richtung zu tun Mama.“
Sie nickt. „Aber er vielleicht.“
„So ist er nicht.“
Wieder nickt sie. „Ich lasse mir etwas einfallen Anna.“ Jetzt lächelt sie wieder.
Wir sitzen noch ein bisschen so da. Ohne über Julian zu sprechen. Ich bin froh es ihr erzählt zu haben. Vorsichtig lege ich meinen Kopf auf ihre Schulter.
„Danke Mama…“, murmle ich mich an sie schmiegend.
Anna
Heute ist Julians Geburtstag. Der Tag hat schon so toll begonnen. Er hat mich zum Frühstück eingeladen. Wir sind in den Nachbarort gefahren und lange im kleinen Café im Ort gesessen. Er hat immerzu meine Hand gehalten. Ich bin verliebt und ich glaube er ist es auch. Sein Blick. Ich schließe kurz meine Augen. Ich freue mich total ihn gleich wieder zu sehen. Jetzt bin ich allerdings wieder zu Hause und warte. Mama hat sich etwas überlegt. Ich habe zwar kein gutes Gefühl dabei, aber das muss ich jetzt wohl ausblenden. Sonst ist mein Vater Samstag abends immer irgendwo unterwegs, aber heute ist er natürlich zu Hause. Als würde er spüren das etwas im Gange ist. Mama meint ich soll warten bis es ein bisschen später ist und mich dann raus schleichen.
„Anna!“, ruft mich mein Vater kurz nach acht. Gut, dass ich noch nicht umgezogen bin. Ich öffne meine Zimmertüre.
„Ja?“, rufe ich hinunter.
„Deine Mathe Übungen für die Woche? Du hast sie mir noch nicht gezeigt“, ruft er zurück.
„Das kann sie doch auch morgen machen“, fällt Mama ihm ins Wort.
„Gabi. Das ist unsere Sache“, stellt er sie wie gewohnt ab. „Misch dich da nicht ein.“
Ich atme durch. Shit. Ich habe noch gar nicht alles fertig. Mir fehlen noch ein paar Beispiele für die ich diese Woche einfach keine Zeit hatte und auch keinen Kopf. Weil mein Kopf voll mit Gedanken an Julian ist.
„Ja…Ich weiß… Ich mach´s gleich fertig“, rufe ich hinunter und haste zu meinem Schreibtisch.
Ihm wird nicht auffallen, wenn ich irgendetwas hinschreibe. Für den Stoff reicht sein IQ nicht. Trotzdem habe ich Angst, ihn zu bescheißen. Heute tue ich es trotzdem. Ich schreibe irgendwelche Phantasie Gleichungen neben die Rechnungen. Ein leichter Wind kommt auf und weht angenehm in mein Zimmer. Es ist fürchterlich schwül heute. Hoffentlich kommt kein Gewitter. Es klopft an meiner Tür die zeitgleich schwungvoll aufgeht. Ich zucke zusammen. Papa kommt ins Zimmer und bleibt neben mir stehen. Er atmet durch.
„Immer am letzten Drücker“, sagt er leise aber bestimmt.
Ich lege den Stift weg und presse meine Hände auf den Tisch, da ich vor Angst über meinen Betrug erwischt zu werden zittere.
„Ich bin schon fertig“, sage ich leise.
Er nimmt mir das Blatt aus der Hand und sieht mit verengtem Blick darauf. Ich senke meinen Blick und halte kurz die Luft an. Er sieht länger als gewohnt darauf. Mir wird warm. Er kennt sich nicht aus, das weiß ich, trotzdem überfällt mich eine innere Panik die ich mühsam verberge.
„Im nächsten Jahr hast du Matura. Streng dich mehr an. So wird da nichts“, sagt er und legt das Blatt wieder hin.
Ich nicke zaghaft und atme vorsichtig aus. Er verlässt mein Zimmer wieder. Mein Hals fühlt sich komisch an. Als würde man mir die Luft abdrücken. Ich hasse mein Leben in diesem Haus. Warum kann ich nicht einfach wie alle Mädchen in meine Alter samstags weggehen? Ich lege mich auf mein Bett und könnte schreien. Ich sollte einfach hinunter gehen und sagen was Sache ist. Oder abhauen. Für immer. Ich schnappe nach Luft. Das kann ich nicht. Mama braucht mich. Darum warte ich und bin still. Wie immer. Ein leises Klopfen reißt mich auf. Shit. Ich bin eingeschlafen. Mama schaut ins Zimmer. Es reißt mich auf. Schnell werfe ich einen Blick auf meinen Wecker. Kurz nach elf. Mist…Er wird denken ich komme nicht.
„Wir gehen jetzt schlafen. Gute Nacht Anna“, sagt Mama und zwinkert dabei.
„Ja…Gute Nacht“, sage ich und stehe zeitgleich auf. „Ich muss noch ins Bad.“
Sie nickt als ich an ihr vorbei gehe. „Viel Spaß“, flüstert sie und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
Da ich nicht viel Zeit verschwenden will, muss duschen und ein hübsches Kleid ausreichen. Ich schleiche mich wie mit Mama ausgemacht aus dem Haus und versuche über den Hof zu gehen, ohne dass das automatische Licht angeht. Mein Fahrrad habe ich schon so abgestellt, dass ich nur noch losradeln muss. Es ist stockdunkel, meine Lampe erhellt die Nacht nur schwach. Je näher ich zum Herzoghof komme, umso nervöser werde ich. Ich höre schon leise die Musik und das Reden und Lachen der Leute. Der Hof ist recht abgelegen, darum stört sich hier auch niemand an einer Party. Die letzten Meter schiebe ich mein Fahrrad. Um meinen Puls zu regulieren und nicht komplett atemlos anzukommen. Ich lehne es an eine Scheunenwand und gehe schüchtern durch die Partygäste. Ich kenne zwar die meisten, auch wenn ich nicht wirklich etwas mit ihnen zu tun habe. Mich nach Julian umsehend, merke ich wie meine Knie ein wenig schlottern. Vielleicht ist es ein Fehler mich weggeschlichen zu haben. Hier sind alle schon so gut drauf, ich passe gar nicht dazu. Außerdem wäre es doch gut gewesen etwas Makeup aufzulegen, wenn ich die anderen Mädchen ansehe, komme ich mir viel zu normal vor. Gerade als ich weiter zu zweifeln beginne sehe ich Julian. Ich gehe auf ihn zu und plötzlich fällt alles von mir ab. Er sieht auf und lächelt mich an.
„Hey…Ich dachte schon du kommst nicht mehr…“ Er zieht mich direkt in seine Arme und küsst meinen Hals. Das ist überraschend offensiv zwischen den ganzen Leuten, aber er scheint auch schon ordentlich etwas getrunken zu haben. Doch ich sehe darüber hinweg. Es ist sein Geburtstag und ich bin um Stunden zu spät.
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