Die Rödnbacher
Peter Kleinlein |
Rödnbacher, Hobbydetektiv |
Marga Kleinlein |
seine stets besorgte Ehefrau |
Simon Bräunlein |
Metzgermeister aus Rödnbach, Hersteller der 1A preisgekrönten Bratwurst |
Gisela Bräunlein |
seine Ehefrau, das Gehirn des Familienbetriebes |
Lothar Schwarm |
Friseurmeister aus Rödnbach, sehr sensibel, äußerst gepflegte Erscheinung |
Maria Cäcilie Leimer |
Kosmetikerin aus der Oberpfalz, noch Lebensgefährtin von Lothar Schwarm, zukünftige Frau Schwarm |
Die Ermittler
Erwin Schindler |
Kriminalhauptkommissar |
Heinz Havranek |
Kriminalobermeister |
Die Odalfinger
Heidi Kellermann |
geb. Kleinlein, Tochter der Kleinlein |
Markus Kellermann |
deren Ehemann |
Bastian Kellermann |
der 12-jähriger Sohn der Beiden |
Jennerwein |
Wilderer und Beschützer |
Frau Stadler |
hilfreiche Nachbarin |
Nora |
eine leichtfertige Mietze |
Zirkusvolk
Annunzio Bellini |
ein toskanischer Zirkusdirektor, der kein Wort italienisch versteht |
Renata Bellini |
seine Ehefrau und Assistentin alias Signorina Renata |
Ilonka Kalman |
Wahrsagerin, Zigeunerprinzessin und Schlangenfrau, Mutter von Mario |
Mario |
ein begabtes Zirkuskind |
Roman Stranitzkyalias Ray Jenkins |
Tierbändiger und Dompteur, Freund und Beschützer von Ilonka |
Grischa |
Rumänischer Tanzbär im Ruhestand |
Elena Popescu |
fliegender Teil der Los Alamos |
Samson |
der Fänger der Los Alamos |
Guido Trapani |
ein Clown der selten lacht |
Karl-Heinz Münch, genannt Carlos |
ein junger Zirkusmitarbeiter mit äußerst schlagkräftigen Argumenten |
Cynthia |
eine fast völlig harmlose Pythonschlange |
Weitere Beteiligte
Alois Betz |
Pensionär und ehemaliger Informant des Dorfdetektivs |
Christa Neumann |
dessen treu sorgende Nachbarin |
Nicolas Koch |
Militanter Tierschützer mit auffallend blauen Augen und kartoffelförmiger Nase |
Frau Sebald |
Anwaltsgattin, „grüne Witwe“ |
Claus W. Sebald |
Ihr Gatte, ein Starverteidiger |
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Der Jennerwein ist kein Mörder
Die Sonne stach schon wieder, wie in den vergangen Wochen fast ständig, erbarmungslos von einem nahezu wolkenlosen Himmel. Alle, zumindest die, die es sich leisten konnten, hatten sich vor ihren glühenden Strahlen in die kühleren Gefilde der Häuser zurückgezogen. Oder sie waren, je nach Gusto, auf ein Radler, auf ein Weißbier oder auch zwei in einen der schattigen Biergärten gepilgert oder sie hatten sich mit tausenden anderen Hitzeflüchtigen in eines der überfüllten Freibäder begeben, wo sie in Reih und Glied wie die Heringe auf dem Holzkohlegrill dahinbrutzelten. Sommerzeit ist Grillsaison, in jeder Hinsicht.
Endlich! Vor wenigen Tagen hatten auch in Bayern die großen Ferien begonnen und die erschöpften Schulkinder, aber auch die Mehrzahl ihrer nicht minder ausgelaugten Lehrer waren dankbar für den sechswöchigen Waffenstillstand. Froh darüber, sich eine Zeit lang nicht mehr ertragen zu müssen, die Energiespeicher wieder aufladen und den einen oder anderen Geduldsfaden so gut es ging neu knüpfen zu können. Das galt natürlich auch für den Basti, den Bastian, wie er richtig hieß. Seinen Vornamen verdankte er der Tatsache, dass sein Vater seit jeher ein glühender Anhänger des FC Bayern München im Allgemeinen und von Bastian Schweinsteiger im Besonderen war, auch wenn dieser mittlerweile im englischen Manchester seine zweifellos üppig belegten Brötchen verdiente. Der Schweini, nicht der Papa. Der arbeitete nach wie vor in der Münchener Entwicklungsabteilung eines weltweit bekannten deutschen Konzerns mit einem großen S am Anfang und einem kleinen s am Ende.
Der Basti teilte sich mit seinem besten Freund, dem Jennerwein, den schattigen Platz an der Nordseite des schmucken Einfamilienhauses in Odalfing, einem Ort in der südöstlichen Peripherie von München. Dort saß er gedankenverloren, mit dem Finger in der Nase nach unergründlichen Schätzen forschend, auf der hölzernen Bank und dachte angestrengt darüber nach, was er in den kommenden fast sechs Wochen grenzenloser Freiheit, also ohne die lästige Schulpflicht, anstellen konnte. Sein Freund Jennerwein lag derweil völlig entspannt neben ihm, lang dahingestreckt und absolut frei von solch anstrengenden Gedankenspielen auf einer alten zerschlissenen Decke. Der schloss lediglich von Zeit zu Zeit in einem aufreizend langsamen Tempo die schwer gewordenen Augenlider, gerade so als würde ihm selbst diese minimale Regung eine unzumutbare Mühe bereiten. Einem unbedarften Zuschauer, also einem Jeden der ihn und seine Eigenheiten nicht näher kannte, hätte sich unweigerlich der falsche Eindruck aufgedrängt, er sei extrem hinfällig und würde vermutlich nie wieder die Kraft aufbringen sie erneut zu öffnen. Doch entgegen allen berechtigten Befürchtungen zog der Phlegmatiker in einem Anflug von Pflichtbewusstsein die Jalousien schon nach wenigen Sekunden wieder bis ganz nach oben. Er wollte sich nichts von den Vorgängen entgehen lassen, die sich im Garten der Familie Kellermann abspielten. Schließlich repräsentierte er das vollständige Wachpersonal des Hauses und er konnte es sich aus diesem Grunde keinesfalls leisten, seine angestammten Aufgaben zu vernachlässigen. Seine in vielen Jahren erworbene Reputation stand auf dem Spiel. Auch ein Golden Retriever hat schließlich eine Berufsehre.
Zudem interessierte er sich schon aus purer Neugierde brennend dafür, was die wohl genährte, grau getigerte Nachbarskatze Nora mit ihren ausgefahrenen Krallen und eifrig kratzenden Pfoten unter dem üppig blühenden Rosenbusch zu suchen hatte, mitten in seinem Revier, in seinem ureigensten Herrschaftsbereich. Nach einigen Minuten erfolglosen Scharrens gab die penetrante Invasorin ihre dubiosen Bemühungen auf und stolzierte rotzfrech und hoch erhobenen Hauptes an den beiden müden Kriegern vorbei in Richtung Hauseingang. Eine Provokation, zweifellos. Eine die man nicht ungestraft hinnehmen kann.
Es kann nicht mehr zufriedenstellend aufgeklärt werden, was sie dort zu suchen hatte. Nachträglich betrachtet muss man wohl von einer gefährlichen Mischung aus jugendlichem Übermut, eigener Selbstüberschätzung und völliger Unterschätzung der angeborenen Reflexe Jennerweins, sowie dessen ausgeprägtem Pflichtgefühl ausgehen. Zu diesem Zeitpunkt wusste die unfreiwillige Selbstmörderin sicher noch nicht, dass gleich hinter der Haustür ein blank polierter Fressnapf stand, der den Namen seines Eigentümers trug. Ein Besitztum, welches er notfalls unter Einsatz seines Lebens zu verteidigen gedachte und unter keinerlei Umständen mit ungeladenen Gästen zu teilen bereit war. Ob die leichtfertige Mietze tatsächlich im Sinn hatte sich an seinen Vorräten zu vergreifen oder ob sie nur zufällig in deren Nähe gelangte, das weiß man bis heute nicht. Wahrscheinlich auch sie selbst nicht mehr, nicht nach dem, was ihr anschließend widerfuhr. Jedenfalls hatte der kräftige, wenn auch unter normalen Umständen gemütliche Hund exakt diesen fatalen Schluss gezogen, war mit weiten Sätzen von der Bank heruntergeschnellt und hatte sich unvermittelt auf den Eindringling gestürzt um den dreisten Futterdiebstahl zu verhindern und der windigen Hereingeschmeckten, wie er als gebürtiger Münchner die Diebin treffend bezeichnen würde, sicherheitshalber eine Lektion fürs Leben zu erteilen. Die Katze fühlte sich in die Enge getrieben und sah keine Chance mehr sich im heimischen Nachbarsgarten in Sicherheit zu bringen und suchte deshalb ihr Heil in der Flucht nach vorne. In ihrer verständlichen Panik hechtete sie blindlings in den Hausflur der Kellermanns, wurde aber sofort von ihrem Verfolger unter lautem Bellen von dort verjagt. Blieb nur noch die Flucht in das Wohnzimmer. Dort war Heidi Kellermann, Bastis Mutter, eben dabei, auf einer schwankenden Haushaltsleiter balancierend, die frisch gewaschenen Vorhänge erneut ans ebenfalls frisch gewienerte Fenster zu drapieren, was auch ohne das darauf Folgende eine zirkusreife Nummer hergegeben hätte. Das Unglück war unvermeidlich, wie jeder aufmerksame Beobachter unschwer hätte voraussagen können. Der Stubentiger huschte in seiner Angst unter der Leiter hindurch, dicht gefolgt vom Jennerwein, der aufgrund seiner Masse, einer eindeutig überhöhten Geschwindigkeit und dem frisch eingelassenen Parkettboden nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte, aus der Kurve getragen wurde und mit seinem beachtlichen Gewicht gegen eines der blechernen Beine der alles andere als standfesten Leiter prallte. Ein schmerzhaftes Aufjaulen folgte unmittelbar danach, begleitet von einem spitzen Schrei, der eindeutig keinem der beiden tierischen Kontrahenten zuzurechnen war, sowie einem blechernen Scheppern der umgekippten Leiter.
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