»Ja, Sir.« Farrell streckte sich zu seiner vollen Größe. »Wir sind Bauern, haben also Erfahrung im Bestellen von Land.«
»Nun, das hört sich doch gut an. Ich freue mich, dass wir ihnen beiden ein Angebot machen können. Die Company zahlt ihnen die Überfahrt und die Verpflegung an Bord des Schiffes, das sie nach Virginia bringt. Ebenso zahlen wir ihnen ein Gehalt, von dem ein Teil zurückgelegt wird, um Unterkunft, Essen und den Schutz durch die dort anwesenden Soldaten zu bezahlen. Ein weiterer Teil ist als Sparrate für das Land, dass sie nach den fünf Jahren erhalten, gedacht. Der Rest steht ihnen zur freien Verfügung. Fünf Tagwerk pro Person. Und als Ehepaar erhalten Sie noch zwei weitere Tagwerk umsonst.« Er legte den Kopf schief, betrachtete Bidelia wieder von oben bis unten. Sein Blick blieb an ihren Brüsten hängen, er leckte sich die Lippen, dann fuhr er fort. »Als Bonus erhalten sie von der Company für jedes Kind, das sie dort während der Zeit gebären, ein Tagwerk Land geschenkt.« Er feixte. »Sie sehen, Fleiß zahlt sich aus.«
Farrell sah Bidelia an. Er spürte, dass sie zögerte, aber es gab in seinen Augen kein Zurück mehr.
»Sir, das klingt wunderbar und wir wären sehr daran interessiert, diesen Kontrakt mit Ihnen einzugehen.«
Walther klatschte in die Hände.
»Sehr gut. Wir können das sofort machen, das nächste Schiff nach Virginia wird übermorgen ablegen. Es gibt nur eine Kleinigkeit, die wir noch erledigen müssen. Ein Arzt muss sie untersuchen, wir müssen ja sicher sein, dass niemand krank die Reise antritt.«
Er läutete nach seinem Sekretär, der sie ein paar Häuser weiter bei einem Arzt ablieferte. Dieser, ein alter, griesgrämiger Mann mit dreckigen Fingernägeln, tastete ihre Hälse ab, langte in die Münder und wackelte an ein paar Zähnen. Bidelia musste sich beherrschen, dass sie sich nicht übergab, als sie die schmutzigen Finger in ihrer Mundhöhle spürte. Dann klopfte er ihre Rücken ab, betastete sie beide von oben bis unten. Länger als nötig befasste er sich mit Bidelias Brüsten, dann grunzte er.
»Ihr seid beide gesund. Und Sie«, er grinste Bidelia an, »sind im besten gebärfähigen Alter.« Er kritzelte etwas auf ein Blatt Papier, das er dem Sekretär reichte. »Geeignet.«
Der Sekretär, ein blasser, blonder Mann, nickte und führte sie wieder zu Pendleton, der ein paar beschriebene Blätter Papier aus einer Lade zog und sie auf dem Tisch ausbreitete. Farrell betrachtete sie, konnte aber nichts damit anfangen. Er hatte weder lesen noch schreiben gelernt, ebenso wie Bidelia.
»Sir, entschuldigen Sie, aber was steht dort?«
Pendleton hätte am liebsten laut gelacht, riss sich aber zusammen. Er brauchte dringend noch einige Siedler. Und dass die beiden vor ihm nicht lesen und schreiben konnten, war perfekt für ihn. Für ihn waren sie nur dumme Bauern. Zwei Nummern auf einer Liste, die sich langsam füllte und damit auch seine Quote verbesserte.
»Oh, nur das, was ich gerade gesagt habe. Machen Sie bitte hier«, er deutete auf eine Stelle auf einem der Blätter, »Ihr Zeichen und Sie, Miss, bitte hier.«
Er reichte ihnen einen Federkiel, beide machten ein Kreuz an den Stellen. Walther Pendleton fragte sie erneut nach ihren Namen, schrieb sie säuberlich neben die beiden Kreuze, setzte seine Unterschrift daneben und ließ zusätzlich noch seinen Sekretär als Zeugen unterschreiben.
»So, damit sind sie beide offiziell als Siedler aufgenommen. Ich lasse sie jetzt in die Herberge bringen, in der sie bis zur Abreise bleiben werden. Natürlich auf Kosten der Company, versteht sich.«
»Vielen Dank, Sir.«
Pendleton winkte ab.
»Das ist doch selbstverständlich. Doch eine Frage: Haben sie viel Gepäck? Es ist nicht möglich, mehr als einen Seesack voll pro Person an Bord mitzunehmen.«
»Sir, wir haben noch einen Karren, auf dem sind ein paar Vorräte und etwas Werkzeug sowie Kleidung.«
»Ich würde sagen, sie nehmen die Kleidung und auch an Vorräten mit, was sie benötigen. Die Verpflegung an Bord ist, nun ja, nicht wirklich üppig. Es reicht zum Leben, aber mehr auch nicht. Die Werkzeuge und den Karren würde ich ihnen abkaufen.«
Walther Pendleton wusste genau, wie er die Menschen ködern konnte. Eine Stunde später war alles geregelt und sie saßen in einer bescheidenen, aber sauberen Herberge auf dem Bett. Im Mieder von Bidelia steckten die ganzen Ersparnisse, die sie hatten, und sie nahm sich vor, gut darauf zu achten.
»Ein Tagwerk Land pro Kind! Geschenkt!« Farrell war außer sich vor Freude.
»Farrell McGrath! Ich weiß, was in deinem Kopf und in deinen Hosen vorgeht. Aber ich habe keine Lust, dort mit einem Kind unter dem Herzen anzukommen, ohne zu wissen, was mich erwartet!«
Er verzog beleidigt das Gesicht. Bidelia musste lachen, als sie ihn so sah.
»Nun komm, du Ochse. Ich hab nicht gesagt, dass ich was gegen das, was in deiner Hose lauert, habe. Ich will nur nicht schwanger dort ankommen. Alles andere …«
Sie ließ den Satz unvollendet, als sie sich aus ihrem Kleid und dem Mieder schälte, ihren Mann an die Hand nahm und auf das Bett zog.
County Cork, Oktober 1652
Laoise lag in einem kleinen Waldstück in dichten Büschen verborgen und wartete. Es hatte die ganze Nacht geregnet und noch immer fielen Tropfen von den herbstlich verfärbten Blättern, verursachten ein gleichmäßiges, beruhigendes Geräusch. Weniger beruhigend war der stetige Strom von Wasser, der von einem kleinen Ast seinen Weg direkt in Laoises Kragen fand und ihr eiskalt den Rücken hinunter rann. Dennoch veränderte sie ihre Position nicht. Die Patrouille konnte jede Sekunde den Weg entlang kommen, dann hätte sie jedes Zucken verraten können.
Laoises Körper war gespannt bis in die letzte Faser. Dennoch hatte sie nicht vergessen, was Sean Murphy ihr in den letzten Wochen beigebracht hatte. Sie atmete tief ein und aus, zwang ihr Herz dazu, ruhiger zu schlagen.
Da sah sie die Bewegung über den Hügeln. Sie waren zu zweit, berittene Soldaten, eindeutig Engländer. Seit es Cromwell gelungen war, Irland unter seine Kontrolle zu bringen, gab es gar keine anderen mehr. Ihre farbenfrohen Uniformen leuchteten sogar durch den aufsteigenden Nebel.
»Weiße Kleidung bekäme euch besser«, murmelte Laoise und legte an.
***
Sergeant Andrew Lockhart war nervös. Er ging ohnehin nicht gern Patrouille, aber in diesem Teil des Countys ging er sie besonders ungern. Nirgendwo anders war der Anteil der Soldaten, die den Rebellen zum Opfer fielen, höher als hier und bisher war es nicht gelungen, die Widerständler aus ihren Löchern zu treiben.
Seit es den Befehl gab, niemanden mehr zu töten, sondern Gefangene zu machen, war die Situation noch schwieriger geworden. Kaum eine Patrouille kehrte unbeschadet zurück.
Eigentlich war es gar nicht Lockharts Aufgabe, hier zu patrouillieren, aber er war am Vortag beim Morgenappell mit einer Fahne erwischt worden, die man einfach nicht ignorieren konnte, so hatte man ihm einen Erkundungsritt in diese Gegend als Bestrafung aufgebrummt.
Dass man ihm als Begleitung einen Grünschnabel mitgegeben hatte, hob Lockharts Stimmung nicht gerade. Lance Corporal Donald Meadows war vor zwei Tagen in Irland angekommen, versetzt aus London. Und er war versessen darauf, den »irischen Schweinen« das Handwerk zu legen.
Seine Blicke waren ständig auf Wanderschaft und immer wieder wanderte seine Hand zum Knauf der Pistole.
»Wieso zeigen sich diese Feiglinge nicht?«, murrte Meadows. »Den ganzen Weg lang haben wir keine Menschenseele gesehen!«
»Und darüber solltest du froh sein, du Schwachkopf«, brummte Lockhart, »das ist eine gefährliche Gegend, unterschätzt die Rebellen ni…«
Ein peitschender Knall schnitt dem Sergeant das Wort ab. Der Kopf des jungen Corporals hüllte sich in eine Wolke von Blut und er kippte lautlos seitlich vom Pferd, landete mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden. Seine linke Gesichtshälfte war nur noch eine blutige Masse.
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