Levi zeigte ihm mit geschwellter Brust die teuren Neuerwerbungen, zwei Bilder von einem gewissen Wassily Kandinsky – einem jungen russischen Maler. Johann betrachtete irritiert die Striche und Farbkleckse.
Er brummte später zu Franziska: «Juden und Russen beherrschen die Kunst, sofern man diese Farb- schmierereien so bezeichnen kann. Über Tausend Mark hat Levi dafür bezahlt. Für so was gibt der so viel Geld aus – unverständlich. Und ich», grollte er, «von mir verlangt er für Kost und Unterkunft, dem kleinsten Zimmer unterm Dach fünf Mark im Monat! Die Juden verstehen schon, wie man zu Geld kommt. Andere hungern und die reichen Leute wissen nicht wohin mit ihrem Vermögen.»
Franziska teilte nicht seine Meinung: «Warum regst du dich darüber auf! Du musst es ja nicht bezahlen. Bist du etwa neidisch.»
Sie legte beruhigend ihren Arm um seine Schulter: «Uns geht es gut, haben doch alles, was wir brauchen.»
Immer noch leicht schmollend schüttelte er mit dem Kopf: «Du hast ja recht, es gibt Gott sei Dank Maler, wie Max Liebermann, der ist zwar Jude, aber er malt wenigstens so, dass ich es verstehe.»
Sie schaute ihn fragend an und er erklärte: «Sein Gemälde, der Kartoffelsammlerinnen, hängt hinten im Esszimmer. Levi hat es mir kürzlich gezeigt. Auch das Bild, oben im Treppenhaus, von Ludwig von Hofmann mit dem Titel Abendsonn e, gefällt mir ausgezeichnet, da sieht man wenigstens, was es darstellt. Ist schon in Ordnung, wenn Levi Bilder sammelt, sonst würden ja die Maler verhungern.»
Ein in der Woche darauf folgendes Gespräch mit dem Obermeister der Innung ergab zwar keine Möglichkeit, die Meisterschaft in einem anderen Betrieb fertig zu führen, aber ein Jungmeister suchte verzweifelt einen guten Vorarbeiter. Das Maurergeschäft seines Vaters hatte einen großen Auftrag von der Königlich Preußischen Eisenhütte erhalten.
Am nächsten Tag in aller Frühe reiste Johann ab, Malapane war eine knappe Tagesreise entfernt.
«Wenn es glatt verläuft, bin ich bis heute Abend wieder zurück», flüchtig küsste er Franziska und sprang auf den wartenden Bauernkarren, mit dem er einen Teil der Strecke mitfahren durfte.
«Grüß Euch, ich bin Johann Scholty, der Obermeister schickt mich, ihr sucht einen Gesellen», stellte er sich vor und übergab sein Empfehlungsschreiben.
«Grüß Gott, junger Mann, ich bin Meister Joachim Bednarz. Soso, der Seitz sendet euch, dann hält er viel von dir, sonst empfiehlt der Niemanden. Du bist schon ein Einheimischer ?»
«Ja, ich habe auch einige Mutjahre abgedient. Aber leider hat das nicht so geklappt, wie ich wollte.»
Nachdem Bednarz einen Blick auf das Schreiben geworfen hatte, meinte er: «Ich suche einen fleißigen Altgesellen der mir eine Kirchenbaustelle leiten kann.»
«Ich hatte schon einige eigene Baustellen bei Meister Eberhardt, allerdings noch keine Kirche.»
«Ist auch kein Hexenwerk!», der junge Mann grinste über seinen Scherz, «Wir bauen seit 1899 in Sczedrzik, etwa eine Stunde von hier entfernt, eine neue katholische Kirche im neoromanischen Stil mit Ziegelfassade. Diese ersetzt einen Vorgängerbau aus Schrotholz[Fußnote 23] . Dafür brauche ich einen Mann der sich gut mit Böhmischen Kappen[Fußnote 24] , Ziegelbögen und sonstigen Zierrat aus Ziegeln auskennt. Wie Seitz schreibt, hast du damit in halb Europa Erfahrung gesammelt.»
«Ja ich habe in Böhmen, Italien und in Ostpreußen die verschiedensten Arten und Techniken der Backsteingotik erlernt.»
«Das ist hervorragend, ich versuche es mit dir als Vorarbeiter. Ich kann mich nicht mehr um alle Baustellen selber kümmern, der Betrieb ist in den letzten zwei Jahren enorm gewachsen.»
Bednarz strich sich über den kurz gestutzten Bart: «Wir haben in Sczedrzik eine Werkstatt eingerichtet und die Fundamente mit dem Unterbau erstellt. Das Ganze wird nichts Besonderes werden, ist ja nur eine kleine Dorfkirche, aber wir geben trotzdem unser Bestes. Johann, du wohnst als Kapo[Fußnote 25] im Dachgeschoss oberhalb der Werkstatt, da gibt es eine kleine Wohnung. In den nächsten vier Jahren sollte die Kirche fertig werden. Was sagst du dazu? Hier meine Hand – schlag ein und wir sind uns einig.» Der junge Meister, etwas älter als Johann, sah ihn fragend an und hielt ihm die Hand hin.
«Meister – es gilt!», er schlug ein.
«Abgemacht, wir sind uns einig. Ich fahre jetzt auf die Baustelle, du kommst gleich mit, nenn mich Joachim, wenn wir unter uns sind.»
Auf der kurzen Fahrt erzählte ihm sein neuer Arbeitgeber, ein großer, kräftiger blonder Hüne, mit leichtem Bauchansatz, dass er auch zum Schacht der Rechtschaffenden Fremden Gesellen gehört habe. Nach zwei Jahren war er vorzeitig in den väterlichen Betrieb zurückgekehrt, um hier seine Meisterschaft zu beginnen. Da sein Vater schwer krank war, bekam er eine Ausnahmegenehmigung. Vor knapp einem Jahr hatte er seine Meisterprüfung abgelegt. Seitdem leitete er das Baugeschäft alleine.
Manche haben schon Glück, warum ich nicht, haderte Johann mit seinem Schicksal.
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