Thomas Spyra
1948 in Leipzig geboren, in Franken aufgewachsen und verheiratet mit Christl, sie leben seit 1990 in Bad Windsheim. Er ist Mitglied im Autorenverband Franken (AVF).
Zu seinen kreativen Arbeiten zählen neben dem Schreiben, die Malerei und der Chorgesang.
Bibliografie:
Neben Ausstellungsbüchern, Broschüren und Heften hat er historische Artikel in der örtlichen Zeitung veröffentlicht.
Im November 2009 erschien sein Roman:
« Des Meisters Bartel verlorener Ring » - eine Familiengeschichte aus Franken Anfang des 18. Jahrhunderts.
Juli 2016 hat er mit «Wildgänse» seinen zweiten historischen Roman, eine Geschichte über Liebe, Freiheit und Hoffnung im 18. Jahrhundert herausgegeben.
Eine unabhängige Fortsetzung des ersten Buches.
Die Erzählungen: «Tödlicher Theriak» (2012), «Dämmerung» (2017) und «Der Alabasterbub» (2019) fanden Aufnahme in den Anthologien des AVF zum Schaeff-Scheefen-Preis.
Herausgegeben im Selbstverlag von Thomas Spyra
1. Auflage © 2020
2. Auflage © 2021
cristom-kunstverlag
91438 Bad Windsheim, Herrngasse 8
www.spyra.info
ISBN 978-3-00-066886-9
Druck: www.WirmachenDruck.de
71522 Backnang, Mühlbachstraße 7
Coverbild von Thomas Spyra
Acrylgemälde 160 x 120 cm, 2011
Das Bild «Abgestellt und Vergessen» zeigt einen Eisenbahnwaggon der Baureihe Kassel der Deutschen Reichsbahn mit dem Waggonlaufzettel von Dresden nach Auschwitz auf einem verlassenen Schienenstrang am Horizont über einem reifen Weizenfeld.
Viele, besonders die älteren Menschen, haben die schreckliche Zeit des NS-Terrors verdrängt.
Wir sollten uns erinnern und an die jungen Leute weitergeben, damit so etwas nicht wieder passieren kann.
Für meine geliebte Frau Christl,
ohne die es dieses Buch nicht geben würde.
Die Sonne strahlte
Die Sonne strahlte vom Himmel
– das Korn reifte – Blumen blühten
und Menschen wurden
diskriminiert
ausgeschlossen
gequält
ausgelöscht
vergessen
es wird daran erinnert
– Schuld aufgearbeitet – weggelegt
Die Sonne strahlt vom Himmel
– das Korn reift – Blumen blühen
und Menschen werden
diskriminiert
ausgeschlossen
gequält
ausgelöscht
vergessen
© aus dem Gedichtband «SichtWeise» von Christl Spyra
Es war nicht meine Schuld
Eine deutsche Familiengeschichte
Roman
von
Thomas Spyra
Prolog 2016
In fünf Sätzen sollte ich über eine Kunstausstellung mit modernen Bildern berichten. Ich las nochmals meinen Text, hätte mir doch seine Beschreibung geben lassen sollen, damit ich verstand, was der Maler mit den Kunstwerken auszudrücken versuchte.
«Alex! Jetzt beeil dich, in einer halben Stunde ist Redaktionsschluss.»
Mein Chef wurde immer kurz vor Abgabetermin ungeduldig.
«Ja gleich, nur noch Korrektur lesen.»
Drei Minuten später klickte ich auf senden, packte das Tablet in meine Handtasche und verließ das Büro.
Seit vier Jahren war ich in der Redaktion der Nürnberger Nachrichten als Journalistin beschäftigt. Zuständig für die Lokalnachrichten, und alles, was so passiert, vom Feuerwehrfest, über Maibaumaufstellen, Kulturevents oder dem runden Geburtstag einer Frau Doktor Sowieso .
Zusätzlich verfasste ich für eine der großen überörtlichen Zeitungen eine Kolumne.
Mein Traum ist es, irgendwann einmal eine Geschichte, eine richtig erstklassige Story oder einen Roman zu schreiben.
Ich war spät dran, schwang mich aufs Fahrrad, kurvte im Stadtgraben entlang, quer durch die Altstadt, missachtete die Fußgängerzone und raste die drei Kilometer zu meinem Lieblingsitaliener, Pizzeria Catania , eine kleine familiäre Gaststätte im Stadtteil Gostenhof.
«Ciao Mario!»
«Ciao Bella! Come stai?»
«Molto bene, Grazie.»
«Wie immer?»
«Si, per favore!»
Floskeln, die ich häufiger in der Woche mit dem netten Sizilianer wechselte.
Zum Abendessen traf ich mich donnerstagabends hier regelmäßig mit meiner besten Freundin. Wir hatten beide Journalismus studiert, träumten von der großen Karriere. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
«Ciao! Du kommst spät, wieder nicht fertig geworden», umarmte sie mich.
«Ciao Annemarie! War ein Stresstag heute.»
Meine Freundin hatte kurz nach dem Studium geheiratet, mittlerweile waren ihre drei Kinder erwachsen, und sie schrieb für ein Magazin.
«Prego, un Vino Nero d´Avola é un Aqua naturale!», Giovanni, der achtundvierzigjährige Gastwirtssohn, servierte galant meine üblichen Getränke.
«Grazie, ich nehme heute eine Pizza Salami - hast du schon bestellt?»
Annemarie nickte.
«Du musst mal raus hier, sonst lernst du nie einen netten Kerl kennen», flüsterte sie, «Oder du nimmst Giovanni, der ist noch frei und schaut famos aus. - Ein heißer Sizilianer!»
Sie grinste mir spitzbübisch zu.
«Was soll ich mit dem, der will viele Kinder und wenn ich von der Arbeit komme, stehe ich in der Küche oder serviere hier. Nee, das ist nichts für mich. So einen tollen Mann, wie du hast, bekomme ich eh nicht mehr.»
Wir stießen an und tranken einen Schluck Rotwein.
«Weist du Annemarie, vielleicht bin ich zu wählerisch, habe mir mein alleinstehendes Leben eingerichtet. Der Mann, der da hinein passt, muss wahrscheinlich erst geboren werden. Schade, mit mir stirbt die Scholty – Linie in der siebten Generation aus.»
«Hier in Gostenhof, im Schmelztiegel von Gastarbeitern, Flüchtlingen und der jungen grünen Gesellschaft wirst du schon noch den Richtigen finden.» Annemarie gab nicht auf, versuchte mich bei jeder Gelegenheit zu verkuppeln.
«Was macht dein Roman?», ich gab dem Gespräch eine andere Richtung.
«Ich bleibe bei meinen Kurzgeschichten und Gedichten, für einen Roman fehlt mir die Zeit.»
Giovanni servierte die Bestellung: «Prego Signorina Alexandra, ihre Pizza Salami, mit einem Gruß von meiner Mama - und Pasta Bolognese für die Signora.»
Schwungvoll stellte er unsere Essen ab, verbeugte sich, «Buon appetito», verschwand wieder in die Küche.
«Überleg dir´s, der wäre schon was», grinste Annemarie, «wie der um dich herumschwänzelt, aber dir ist ja keiner recht!»
«Mir fehlt die Zeit für solche Kindereien. Ich will endlich mit dem Roman anfangen, jetzt habe ich den perfekten Stoff», lenkte ich vom Thema ab. «Mein Vater hat mir letzte Woche zwei Schuhkartons mit Briefen, handschriftlichen Aufzeichnungen und Fotos von Großmutter Ingeborg übergeben.»
«Na denn viel Erfolg!»
Schweigend aßen wir, bestellten noch einen Espresso und verabschiedeten uns am frühen Abend.
Bis vor kurzem wohnte ich so gut wie anonym in einem Hochhaus in Nürnberg - Langwasser, da fiel eine reifere ledige Frau nicht auf. Ich bin eine nette, vollschlanke Person, trotzdem habe ich noch keinen passenden Partner gefunden, aber es ist noch nicht aller Tage Abend. Wie sagt man, für jeden Topf findet sich ein Deckel.
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