„Aber… woher ist der denn?“, fragte sie vorsichtig.
„Na, aus meiner Sammlung!“
„Aber… dann fehlt dir doch jetzt ein Stein in deiner Sammlung!“
„Irgendwann finde ich schon einen neuen“, sagte er, „ich hatte eben nur gehofft, dass du dich freust!“
Und wie sie sich freute – sie konnte es gar nicht so emotional in Worte fassen: „Ich… ja ich weiß gar nicht was ich sagen soll“, flüsterte sie berührt. Und dann polterte sie fast lautstark darauf los: „Natürlich freue ich mich! So einer hat mir noch gefehlt!“
„Dann habe ich mich ja richtig entschieden, den zu nehmen“, sagte er.
„Auf jeden Fall!“
Die Bedienung kam und stellte die Burger und die Colas vor sie.
„Dann auf einen netten Abend!“, sagte Daniel.
„Der ist doch schon nett“, sagte sie keck, wickelte wieder einen Gegenstand aus, diesmal ihren Burger und biss beherzt hinein, dass der Ketchup seitlich wegspritzte. Und Daniel lachte.
Ja, sie fühlte sich gut. Es war dieses natürlich wohlige Gefühl, dass sich da in ihrem Bauch breitmachte, genau, wie sie es sich immer vorgestellt hatte. Sie hatte Vorurteile gegen Daniel gehabt, die sie nun überhaupt nicht mehr vertreten konnte. Er war höflich, aufmerksam, nett und überhaupt nicht wie alle anderen Jungs. Und ihr dämmerte, dass ihr negatives Erlebnis an seinem ersten Tag in der Schule wirklich auf einen unglücklichen Umstand und seine Nervosität zurückzuführen war.
In den drei Stunden, in denen sie in dem kleinen Fast-Food-Restaurant waren, unterhielten sie sich viel über persönliche Begebenheiten und was sie bisher Skurriles in ihren jungen Leben erlebt hatten. Zweimal hatten sie sich Cola nachbestellt um einfach hier sitzen bleiben zu können und die gemeinsame Zeit zu genießen.
Als sie dann endlich das Restaurant verließen, taten sie dies unter den zweifelnden Blicken der Bedienung die von Anfang an für sie dagewesen war. Ein kleines Lächeln konnte sie sich dennoch nicht verkneifen: Was würde wohl aus dem turtelnden Paar werden?
Vor der Tür hieß es erst einmal Abschied nehmen, denn jeder musste nun zu seiner Familie.
„Also dann, bis morgen in der Schule“, sagte Daniel, als er Melanie die Hand entgegenstreckte. Sie sah, dass er ihr direkt in die Augen blickte und spürte, dass die wohlige Wärme verbunden mit einem Kribbeln in ihrem Bauch mehr wurde.
„Bis morgen“, sagte sie leise.
„So einen Abend können wir gerne wiederholen!“
„Ja, finde ich auch“, flüsterte sie.
„Also dann, tschüss!“, wurde auch er leiser. Und dann beugte er sich leicht zu ihr hinunter und küsste sie auf die Wange. In diesem Moment fühlte sich ihr Bauch heiß wie ein Komet an.
Daniel drehte sich und schritt eilig von ihr weg.
Als sie sich auf den Nachhauseweg machte, spürte sie, dass hier etwas begonnen hatte, was vielleicht nie mehr zu Ende gehen würde. Und das überraschte sie wahrscheinlich viel mehr als ihr Gegenüber…
Eine Woche war seit dem Restaurantbesuch vergangen. Sie hatten sich seitdem jeden Tag gesehen. Rückblickend konnte es Melanie gar nicht glauben, dass sie es jeden Tag aufs Neue wagte sich mit diesem Jungen zu treffen. Aber es schien ihr immer richtiger zu sein. Ja, Daniel war wirklich anders als die anderen Jungs. Da war sie sich ganz sicher.
Als Melanie Lisa zum dritten Mal einen Korb für eine Verabredung am Abend gab, die Lisa sich von Tom freischaufeln wollte, bohrte sie nach. Das war vorgestern. Melanie wich ihr natürlich aus.
„Los, Melanie“, schnaubte Lisa, „heraus mit der Sprache: Was ist los mit dir? Ich bin schließlich deine beste Freundin und ich kann mich nicht erinnern, dass du mich jemals hast hängen lassen!“
Melanie ging in sich. Natürlich wollte sie Lisa nicht die Wahrheit sagen, denn das wäre der definitive Paukenschlag, so, wie sie über Daniel zu ihr geredet hatte. Zudem hatten Daniel und sie in der Schule absolutes Stillschweigen vereinbart und sich ganz heimlich jeden Tag aufs Neue verabredet. Das Geständnis an Lisa wäre also eine absolute Offenbarung gewesen.
Doch als Melanie dann auch noch rot wurde und Lisa immer noch nachbohrte: „Was stimmt mit dir nicht, Süße“, konnte sie einfach nicht mehr anders.
„Ich glaube, ich habe einen Freund!“, hauchte sie leise.
„Wie, du glaubst? Was geht ab? Komm schon, heraus mit der Sprache, wer ist es?“
„Das willst du gar nicht wissen“, sagte sie lapidar.
„Und ob ich das will, du verrückte Kuh, ich freu mich doch für dich“, sagte Lisa in ihrer botten Art.
„Es ist… Daniel“, gestand sie endlich ihrer besten Freundin das vermeintliche Dilemma.
„Wie? Was? Nein!!! Du meinst doch jetzt wohl nicht Daniel Fischer, deinen Erzfeind?“
„Doch. Den meine ich!“, stöhnte Melanie, obwohl dazu gar kein Anlass war, denn es ging ihr ja gut mit Daniel.
Lisa klappte die Kinnlade hinunter und irgendwann brachen aus einer Mauer offener Fragen ihre Worte hervor: „Herzlichen Glückwunsch, Kleine!“, dabei war Melanie sogar ein paar Monate älter als Lisa…
Nach dieser Erfahrung hielt es Melanie für angebracht, nun auch ihre Eltern einzuweihen. Es konnte nicht sein, dass die beste Freundin von ihrem Liebesleben erfuhr, ihre Eltern, zu denen sie eine immer noch sehr harmonische Beziehung hatte, aber nicht.
Also war es gestern, als sie Daniel mit nach Hause brachte. Sie stellte ihn als ihren Freund ganz nebensächlich vor, was immer das für ihre Eltern auch bedeuten mochte. Für Daniel schien es ihr, war es ein Highlight, denn er schien sichtlich berührt. Ja, hier war etwas Großes im Gange.
Sie verschwanden ziemlich schnell in Melanies Zimmer, und da sah er sie endlich: Die Steinsammlung. Alle Steine waren ordentlich in einem riesigen Bücherregal platziert. Da gab es ganz große, glatte, wie sie sie am liebsten mochte. Und auch ziemlich krumme und uneben erdige, die aber wohl einfach in eine solche Sammlung mit dazu gehörten.
„Wow“, sagte er, „das ist wirklich beeindruckend!“
„Ist deine Sammlung nicht so groß?“, fragte sie.
„Nicht ganz“, sagte er, „aber annähernd!“ Und zu seiner großen Freude sah er ganz oben, auf dem obersten Regalboden platziert, seinen Stein. Er hoffte jedenfalls, das er es war. Steine waren sich ja oft so ähnlich!
„Es kommt ja auch nur darauf an, dass man selber mit seiner Sammlung zufrieden ist“, sagte sie.
„Ja, genau“, meinte er. Auch wenn ihr nicht entging, dass er dabei etwas teilnahmslos klang.
„Wie sieht’s denn morgen aus bei dir?“, fragte sie irgendwann ganz unvermittelt, nachdem sie wieder einmal gegenseitig Episoden aus ihrem bisherigem Schulleben erzählt hatten.
„Was meinst du?“, frage er.
„Na, ob ich dann mal morgen zu dir mitkommen darf?“
„Ja, also“, begann er zu stottern, „warum… ja warum eigentlich nicht?“
„Ja dann. Ich freu mich“, meinte sie stirnrunzelnd über seine reservierte Art.
Bald danach begleitete sie ihn zur Haustür. Sie freute sich, morgen seine Familie kennenzulernen. Natürlich wusste sie, dass es Mutter und Freund war. Trotzdem akzeptierte sie dieses Verhältnis, abseits der Ansichten ihrer Eltern schon jetzt.
Was sie an diesem Abend etwas irritierte, war, dass Daniel etwas neben sich stand. Hatte er Angst, sie seinen Eltern vorzustellen? Das konnte sie sich nicht vorstellen, denn dazu verstanden sie sich gefühlte unendliche Tage einfach zu gut. Nun ja, neuer Tag, neues Glück, sagte sie sich bei der Verabschiedung. Morgen sind ein neuer Tag und mein neues Glück!
Am nächsten Morgen beim Frühstück, vor der Schule, nahm ihre Mutter sie in die Zange. Gestern waren sie sich gar nicht mehr begegnet, nachdem sie hinter Daniel die Tür geschlossen hatte.
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