„Ich nehme ihre Hilfe gern an. Aber was ist mit ihrer Wäsche passiert?“
„Was soll damit passiert sein? Ich wasche sie gerade, wie sie sehen.“
„Ihnen muss da aber ein Fehler unterlaufen sein. Buntes, Wollsachen und Leinen kann man doch nicht zusammen bei solch hohen Temperaturen waschen. Jetzt ist alles verfilzt und verfärbt. Ihre Wäsche ist vielleicht sauber, aber jetzt unbrauchbar.“
„Wenn sie das so sagen, glaube ich es auch. Ich wollte ohnehin neue Kleider kaufen; jetzt habe ich wenigstens einen Grund.“
„Monsieur, lassen sie uns erst einmal nachsehen, was noch zu gebrauchen ist.“
„Non, Madame. Ich habe eine bessere Idee. Wir werden das gesamte Zeug einfach in die Mülltonne stecken und gehen, wenn ihre Wäsche fertig ist. Aber lassen sie uns bitte vor dem Waschsalon in der Sonne warten. Wir sind ja jetzt allein hier und müssen nicht mehr auf ihre Wäsche aufpassen.“
Die Syrerin war irgendwie sprachlos geworden.
Zum einen hatte sie Angst vor dem jungen fremdenfeindlichen Mann; zum anderen staunte sie über Horst Uhlig und war begeistert von seinem Verhalten; war aber sehr einverstanden, vor dem Salon in der Sonne zu warten.
„Das ist irgendwie wie zu Hause in Aleppo.“
„Sie kommen also aus Aleppo?; eine wunderschöne Stadt soll das sein“, sagte Horst Uhlig.
„Es war eine wunderschöne Stadt.“
Weiter kam die Syrerin nicht, weil ein Streifenwagen der Polizei unmittelbar vor dem Waschsalon anhielt und auch der junge provozierende Mann erschien.
Er sagte den beiden Streifenpolizisten, dass dort auf der Bank der gewalttätige ältere Herr säße.
Einer der Polizisten blieb mit dem jungen Mann am Streifenwagen stehen. Der andere ging zum Waschsalon.
Die Syrerin flüsterte ängstlich: „Auch das noch. Jetzt bekomme ich als Asylantin bestimmt den allergrößten Ärger.“
„Warum denn das? Warten sie erst einmal ab.“
In diesem Moment hatte sich der Polizist soweit genähert, dass er Horst Uhlig erkannte.
„Entschuldigen sie, Herr Oberstaatsanwalt. Hier muss ein ganz erhebliches Missverständnis vorliegen. Der junge Mann dort hat Anzeige gegen sie und ihre Begleiterin erstattet.“
„So, welche Straftat sollen wir denn begangen haben?“, fragte Horst Uhlig.
Der Polizist winkte und rief seine Kollegen herbei.
„Ach du großer Gott, Herr Staatsanwalt. Der junge Mann behauptet, dass sie ihn bedroht und beleidigt hätten.“
„Wollen sie denn nicht meiner Anzeige nachgehen und wenigstens die Personalien der Beschuldigten aufnehmen?“, fragte der junge Mann ganz konsterniert.
Der Polizist antwortete ihm: „Wissen sie, wen sie da beschuldigen? Das ist der Oberstaatsanwalt Uhlig.“
„Das ist mir scheißegal. Und die Personalien der Asylantin wollen sie auch nicht aufnehmen?“
„Nein. Sie sollten beten, dass das alles nicht nach hinten losgeht und plötzlich sie der Beschuldigte sind.“
„Soweit ist es in Deutschland schon gekommen“, schrie der junge Mann und entfernte sich.
„Herr Staatsanwalt, wollen sie eine Gegenanzeige erstatten? Die Personalien des jungen Mannes haben wir schon aufgenommen.“
„Lassen sie es gut sein und bearbeiten sie seine Anzeige ganz normal. Ich habe dem jungen Mann die Leviten gelesen, als er die Asylantin anpöbelte. Und wenn er jetzt auch noch weiß, wer ich bin, wird er vielleicht geheilt sein; oder auch nicht“, antwortete Horst Uhlig dem Polizeibeamten.
Beim Weggehen fragte einer der Polizeibeamten seinen Kollegen, was der „HH“ wohl in einem Waschsalon mache.
Horst Uhlig hatte diese Frage noch verstanden und sagte, dass auch die Waschmaschine eines Staatsanwaltes kaputtgehen könne.
Der fragende Polizist bekam einen roten Kopf und war froh, dass er wieder in seinem Streifenwagen saß.
Nachdem die junge Syrerin ihre saubere Wäsche zusammengepackt hatte, begleitete Horst Uhlig sie bis zum Eingang der Asylunterkunft und verabschiedete sich höflich.
„Mein Ehemann wird sich für ihre Hilfe bedanken wollen. Wie kann er sie erreichen?“
„Ihre Bekanntschaft war mir Dank genug, Madame. Wenn sie wieder einmal Hilfe brauchen, hier ist meine Karte. Und nun wünsche ich ihnen und ihrem Ehemann noch einen schönen Tag.“
Im Restaurant
Nach dieser Verabschiedung schlenderte Horst Uhlig mit sich selbst zufrieden nach Hause.
Kaum dort angekommen, klingelte das Telefon und der Ehemann der Syrerin meldete sich mit dem Namen Eilan.
„Sehr geehrter Herr Uhlig; vielen Dank, dass sie meine Ehefrau beschützt haben.“
Horst Uhlig staunte nicht schlecht über diesen Anruf, zumal der Ehemann der Syrerin ein ausgezeichnetes Deutsch sprach.
„Herr Eilan, ich bitte sie. Ihre Gattin hätte die Situation auch ohne mich gemeistert. Außerdem reichte doch ein einziger Satz, um den ungebildeten jungen Mann zur Ordnung zu rufen. Viel größere Probleme gab es mit meiner Wäsche.“
„Auch darüber bin ich unterrichtet. Wenn sie möchten, würde meine Frau ihnen beim Kauf neuer Wäsche gern behilflich sein. Sie würden ihr sogar eine Freude machen; Frauen kaufen doch nun einmal zu gern ein. Zurzeit können wir für uns noch nicht sehr viel mehr als die Essenszutaten kaufen.“
„Bitte haben sie Verständnis dafür, dass ich mir meine Unterwäsche ohne fremde Hilfe kaufen möchte. Aber ich bräuchte auch andere Kleidung. Dabei hätte ich schon gern weibliche Hilfe. Wäre es ihrer Gattin recht, wenn sie mich morgen Nachmittag begleitet? Ich schlage 16 Uhr vor.“
“Meine Frau nickt freudig.“
„Also dann hole ich sie vor der Unterkunft ab. Was halten sie beide davon, wenn wir nach dem Einkauf noch essen gehen? Ich lade sie natürlich ein. Bevorzugen sie ein bestimmtes Restaurant?“
„Herr Uhlig, das können wir nicht annehmen.“
„Warum denn nicht? Hält man in Syrien nichts von Gastfreundschaft?“
Horst Uhlig lacht so, dass die Eheleute Eilan es nicht als Aufdringlichkeit empfinden konnten und die Einladung annahmen.
Gut, dass Horst Uhlig einen Tisch bestellt hatte. Das Lokal war sehr gut besucht.
Nach alter Gewohnheit schaute sich Horst Uhlig beim Betreten des Gastraumes um, ob ein bekanntes Gesicht zu sehen war.
Er hatte Glück und erkannte keines seiner früheren „Opfer“.
Wie es seine Art war, wollte er mit dem Rücken zu den übrigen Gästen sitzen, erntete aber heftigsten Widerspruch von seinen syrischen Gästen.
Nach kurzer Zeit fügte sich Horst Uhlig und nahm lächelnd zur Kenntnis, dass es im arabischen Raum Sitte sei, dass der Gastgeber gesehen und die Gäste bescheiden im Hintergrund sitzen würden.
„Sie müssen mir sehr viel von ihrer Heimat Syrien erzählen. Wenn ich es aus der Schule noch richtig in Erinnerung habe, ist der syrische Staat relativ jung, aber die Bevölkerung ist eine der ältesten und intelligentesten. Mein Lehrer hat immer gesagt, dass die Syrer schon lesen und schreiben konnten, als die Germanen noch von Baum zu Baum hüpften und sich brüllend und grunzend auf die Brust schlugen.“
Die Eheleute Eilan sahen sich ungläubig an und wussten nicht, wie sie reagieren sollten.
„Sie müssen nicht alles so ganz wörtlich nehmen. Wir Deutsche machen oft derbe Späße. Auch hat mich mein Beruf geformt. Seit zwei Monaten bin ich aber pensioniert. Ich war Sonderstaatsanwalt für Korruption. Man nannte beziehungsweise nennt mich „HH“ Uhlig. Das bedeutet „Harter Horst“ oder „Harter Hund“ Uhlig. Meine Freunde nennen mich aber nicht so. Ich betrachte sie, liebe Eheleute Eilan, als meine Freunde, wenn ich das darf. Und ich weiß auch, dass meine direkte Art gewöhnungsbedürftig ist.“
Beide schauten sich ob der Kauzigkeit ihres Gastgebers etwas ängstlich an, fügten sich aber in ihr abendliches Los. Horst Uhlig hatte es bemerkt und bat um Entschuldigung für sein Verhalten.
Читать дальше