Der freie Fall wurde von einem ohrenbetäubenden Gekreische begleitet, auch Rosi und Leni schrien.
Danach war Schluss, die Schulterbügel klappten hoch und beide stiegen aus, noch etwas benommen.
Sie schauten an dem Turm hoch und staunten über die große Höhe.
Von außen beobachteten sie ihre Nachfolger und sahen deren vom Kreischen verzerrte Gesichter.
Sie kamen anschließend zur Raupenbahn. Die Raupe war ein Fahrgeschäft, das Rosi auch von früher kannte.
Sehr laute Musik dröhnte aus den Lautsprechern. Es standen viele Jugendliche herum und hingen ab.
Die Jungen baggerten die Mädchen an, die meist zu zweit in die Fahrkabinen stiegen. Am Nachmittag kamen aber auch immer mehr Pärchen, die traditionell zur Hauptkundschaft der Raupe gehörten.
Die Raupe fuhr einfach im Kreis hoch und runter, gegen Ende der Fahrt senkte sich ein Stoffbalg über die Kabinen. Das war der Moment des Kuschelns und Knutschens, was wegen des Verdecks aber niemand sehen konnte.
Die wagemutigen Bediensteten standen auf der Außenkante der Wagen und kontrollierten die Fahrchips.
Früher trugen sie eine große Haartolle, die sie mit dem im Hosenbund steckenden Kamm permanent frisierten.
Sie schafften es auch, während der Fahrt abzuspringen und kamen sich vor wie Tarzan.
Rosi und Leni stiegen in einen Wagen, nachdem sie 2.50 Euro bezahlt hatten und gaben ihren Chip ab.
In einem Affenzahn ging es im Kreis herum, Leni wurde gegen Rosi gepresst.
Danach schloss sich das Stoffverdeck, und man hörte vereinzelte Schreie. Als es sich wieder öffnete, war die Fahrt zu Ende.
Rosi und Leni verließen die Raupe und kamen an eine Losbude. Rosi kaufte für jeden fünf Lose, Leni hatte tatsächlich einen Gewinn gezogen.
Der Losverkäufer gab ihr eine Kunststoffrose. Die hielt Leni während der ganzen Zeit in der Hand. Sie nahm sie später als Erinnerung mit nach Hause.
Rosi und Leni schlenderten weiter, sie kamen am Kinderkarussell vorbei, wo Eltern mit ihren Kleinen standen.
Dafür war Leni natürlich schon zu groß, Rosi musste an früher denken, als sie liebend gern auf die Feuerwehr ging und immer die Glocke läutete, während ihre Mutter und ihr Vater am Rand standen und sich unterhielten.
Sie erreichten den Schießstand, wo junge Männer versuchten, ihrer Freundin eine Puppe zu schießen.
Es wurde immer nachgeladen, immer wurden 2 Euro für vier Schuss hingelegt, bis dann irgendwann Schluss war und der Budenbesitzer dem jungen Mann einen Trostpreis hinlegte.
Die Freundin heuchelte große Freude und nahm den Preis an sich.
Rosi kaufte für Leni und sich eine Tüte gebrannte Mandeln. Das hatte sie immer schon getan, immer wenn sie auf der Leopoldsauer Kirmes war, kaufte sie gebrannte Mandeln.
Die waren wegen der harten und süßen Glasur natürlich schlecht für die Zähne, schmeckten frisch geröstet aber umso besser.
Danach gelangen sie an ein Fahrgeschäft, das man am besten mit nüchternem Magen bestieg, es hieß Break Dance.
Auf deutschen Kirmesveranstaltungen war es eine relativ neue Erscheinung.
Auf einer großen rotierenden Scheibe befanden sich vier oder sechs Gondelkreuze, an denen jeweils vier Gondeln befestigt waren
Die Drehscheibe und die Gondelkreuze wurde durch Elektromotoren angetrieben und die Gondeln dadurch in eine kombinierte Drehung versetzt.
Ähnlich wie die Drehscheibe waren die Gondeln schräg an den Gondelkreuzen befestigt, konnten sich aber frei um die eigene Achse bewegen.
Aufgrund der wilden und oftmals nur schwer vorhersehbaren und sich ständig ändernden Fahrtbewegung lehnte sich der Name dieses Fahrgeschäftes an den Breakdance-Tanzstil an.
Leni wurde schon vom Zuschauen fast schlecht. Aber sie wollte unbedingt auf den Break Dance.
Auch Rosi war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, in dieser zuckenden Gondel sitzen zu müssen, kaufte aber zwei Chips und setzte sich mit Leni hinein.
Am Spätnachmittag bekam man noch bequem eine Gondel, abends rannten die Leute auf die sich noch drehende Scheibe und kämpften um die Gondeln. Viele mussten die Scheibe dann unverrichteter Dinge wieder verlassen. Es ertönte die Stimme des Rekommandeurs: „Nichts geht mehr! Bitte zurückbleiben!“
Dann setzte sich der Break Dance in Bewegung.
Man konnte wirklich nicht vorhersagen, wie sich die Gondeln bewegen würden, die ganze Sache verlief auch noch auf einer schiefen Ebene.
Mal gab es recht gemächliche Drehungen, dann wieder ein starkes Reißen und unglaubliche Beschleunigungen.
Rosi und Leni waren froh. als sie den Break Dance hinter sich lassen konnten. Sie hatten während der ganzen Fahrt nicht ein Wort miteinander gewechselt, beiden war etwas flau im Magen.
Sie sahen sogar jemanden am Rande der Scheibe sich übergeben.
Schnell gingen sie weiter.
Rosi fragte Leni:
„Ist mit Dir alles in Ordnung, sollen wir noch weiter machen?“ und Leni nickte mit dem Kopf und steuerte zielstrebig das Riesenrad an.
Dieser Klassiker einer jeden Kirmes war immerhin dreißig Meter hoch.
Rosi kaufte Chips und setzte sich mit Leni in eine Kabine.
Und schon setzte sich das Rad in Bewegung, bis es nach kurzer Zeit wieder stehen blieb.
Erst als alle Kabinen besetzt waren, fing es an, sich ständig zu drehen.
Toll war der Ausblick auf Leopoldsau, die Fahrt war kein Vergleich zum Break Dance.
Sie drehten ungefähr sechs Runden, als das Riesenrad zur Ruhe kam und die Kabine unten angehalten wurde.
Rosi und Leni stiegen aus. Es war mittlerweile 18.00 h geworden und Rosi mahnte zur Eile.
Leni war noch nicht müde, obwohl sie ein Fahrgeschäft nach dem anderen ausprobiert hatten.
Nebenan gab es den Dark Ride, was nur eine andere Bezeichnung für die alte Geisterbahn war. Leni zog sofort dorthin.
Es war an diesem Dark Ride nichts los, keiner von beiden wusste, was auf sie zukommen würde.
Sie fuhren in einen völlig dunklen Raum, in dem eine abscheuliche Musik lief, deren Klang durch spöttisches Lachen, durch Entsetzensschreie, durch unheimliche Rufe oder lautes Gebrüll unterbrochen wurde. Leni rückte ganz dicht an Rosi heran. Beide versuchten, durch weit geöffnete Augen zu erkennen, was um sie herum geschah.
Sie sahen aber nichts.
Plötzlich erklang direkt neben ihren Ohren ein infernalischer Schrei und im gleiche Moment flog ihnen ein feuchter Lappen ins Gesicht.
Sie erschraken zu Tode, Leni hielt sich an Rosi fest, die einen Arm um ihre Nichte legte.
Danach ging ein grelles Licht an, welches auf ein menschliches Skelett fiel, das sich auf sie zubewegte.
Leni war wie erstarrt, sie schmiegte sich eng an Rosi. Zum Schluss fuhr der Wagen an wilden Tieren vorbei, die brüllten und nach ihnen schnappten.
Sie waren beide froh, als sie die Fahrt des Grauens hinter sich gebracht hatten.
Zufrieden blickte der Betreiber in zwei aschfahle Gesichter.
Langsam löste sich bei Rosi und Leni der Kloß im Hals und sie liefen gut gelaunt weiter.
„Da will ich noch rein!“ rief Leni und zeigte auf den Round up, den Rosi auch schon von früher kannte.
Der Round up war ein klassischer Karuselltyp, bei dem die Fahrgäste wie in einer Zentrifuge durch die Fliehkraft an die Außenwand gedrückt wurden. Dabei stellte sich die rotierende Scheibe fast senkrecht.
Rosi und Leni klebten an der Drahtwand und schauen in die Mitte der Drehscheibe.
Die Drehgechwindgkeit war ziemlich hoch, jedenfalls kam sie einem so vor.
Erst als sie herabgesetzt und die Scheibe wieder in die Horizontale gebracht wurde, konnten sich die beiden wieder normal bewegen. Es war ihnen aber nicht schwindelig geworden.
Rosi sagte:
„Wir können noch ein Fahrgeschäft mitnehmen, danach müssen wir nach Hause!“
Leni entschied sich für ein absolut verrücktes Gerät, das auf der deutschen Kirmes noch neu war, den Top Spin.
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