Aydin und ich gingen hoch und setzten uns eine Zeit in sein Zimmer. Er hatte einen PC und einen Fernseher.
Er zeigte mit die Spiele, die er auf seinen PC geladen hatte.
Ich fragte ihn, was er später einmal werden wollte, Aydin sagte, dass er das noch nicht genau wüsste, wahrscheinlich würde er aber irgendetwas in der Informatikbranche anstreben.
Er wollte studieren, aber nicht in Istanbul, vielleicht in Konya, dort gäbe es 8500 Studenten in sechzehn Fakultäten.
Aber zuerst müsste er seinen Schulabschluss machen, er schaltete den Fernseher an und stellte MTV ein.
Wie zu Hause, dachte ich und schaute mir ein paar Clips an.
Dann ging ich ins Bett.
Der nächste Tag stand wieder im Zeichen der Messerfertigung.
Yussuf war früh aufgestanden, was er aber immer tat.
Er hatte in seiner Werkstatt aus früheren Zeiten noch einen Ebenholzblock liegen, daraus hatte er immer seine Griffschalen hergestellt.
Er sägte und schliff mit der gleichen Behändigkeit, mit der er auch geschmiedet hatte.
Dann passte er die Griffschalen an, polierte hie und da noch ein bisschen und schlug drei Hohlnieten durch die Ebenholzgriffe und das Messerheft.
Ich nahm das Messer, es lag ausgezeichnet in der Hand, Yussuf sah mir an, dass mir das Messer gefiel, er war stolz auf seine Arbeit.
Er setzte sich noch eine halbe Stunde an den Schleifstein, dann war das Messer fertig.
Yussuf nahm ein Stück Leder und schnitt zwei Scheidenhälften daraus, mit einer Ahle stach er Löcher für die Naht aus.
Mit geübtem Griff nähte er aus den zwei Lederhälften eine Messerscheide zusammen, er heftete gleichzeitig eine Gürtelschlaufe daran.
Danach machte Yussuf ein feierliches Gesicht und händigte mir seine hervorragende Handwerksarbeit aus.
Ich zog meinen Hosengürtel durch die Lederschlaufe und steckte das Messer in die Scheide.
Mit einem Mal befiel mich ein Gefühl der Zufriedenheit, ich hatte mein Messer!
Natürlich könnte ich es nicht die ganze Zeit am Gürtel tragen, es würde mir gestohlen werden.
Ich gab Yussuf vierzig Euro, er war zufrieden.
Er setzte er sich in seinen Sessel und begann, auf mich einzureden, Aydin kam mit der Übersetzung kaum hinterher.
Ich sollte auf meinem Weg nach Osten unbedingt in Konya Station machen. Ich könnte von Istanbul-Haydarpascha mit der Anatolischen Eisenbahn bis nach Konya fahren, dann wäre ich schon ein gutes Stück nach Osten vorwärts gekommen.
Yussuf wünschte mir für meine Reise Allahs Segen und nannte mir die Adresse seines Bruders in Konya, da könnte ich übernachten.
Es hätte ihn sehr gefreut, noch einmal schmieden zu können.
Ich sollte ihm unbedingt schreiben, vielleicht sogar aus China!
Ein Lächeln überflog sein Gesicht, als er das sagte, wie auch immer das zu deuten war.
Rosi ist Lenis Tante und lädt ihre Nichte auf die alljährlich stattfindende Kirmes ein, wo sie einen halban Tag verbringen und kaum ein Fahrgschäft auslassen.
Am ersten Tag der Kirmes lud Rosi ihre Nichte Leni ein, mit ihr einen Nachmittag auf dem Volksfest zu verbringen.
Leni war begeistert und Rosi holte sie mit ihrem Käfer ab. Leni wollte zuerst einen Teil ihres Kommuniongeldes mit zur Kirmes nehmen, das redete ihr Rosi aber wieder aus, Sie wollte alles bezahlen.
Miriam steckte ihrer Tochter dann aber doch dreißig Euro zu. Lenis Schule endete um 13.15 h, die Kinder aus Leopoldsau hatten am Kirmesmontag schulfrei.
Leni machte schnell ihre Schulaufgaben und aß. Um 14.15 h kam Rosi und holte sie ab. Sie waren dann um 14.45 h auf der Kirmes.
Rosi versprach Leni:
„Wie bleiben bis zum Abend, gegen 19.00 h bringe ich Dich aber wieder nach Hause!“
Rosi hatte zugesagt, Leni spätestens um 19.30 h zu Hause abzuliefern.
Die Kirmes fand wie in jedem Jahrs auf den Donauwiesen statt. Sie war sehr groß, es gab viele Fahrgeschäfte.
Waren diese früher eher harmlos und lustig, so gab es in dieser Zeit Fahrgeschäfte, die einen das Gruseln lehrten. Aber Leni wollte mit ihrer Tante gerade die spektakulären Fahrgeschäfte ausprobieren. Auf manche durfte Leni wegen ihres geringen Alters noch gar nicht, oder sie musste von einer erwachsenen Person begleitet werden.
Rosi parkte bei sich zu Hause und ging anschließend mit Leni zur Donau hinunter. Man konnte die Kirmesmusik bis in die Stadt hinein hören.
Um 14.00 h fing der Kirmesbetrieb an. Es war eigens eine Donauwiese für Parkzwecke hergerichtet, für Auswärtige.
Sie mussten 3 Euro für das Parken bezahlen.
Um 15.00 h war noch nicht so viel los, es begann aber, voll zu werden.
Rosi und Leni hatten sich vorgenommen, so viele Fahrgeschäfte wie möglich mitzunehmen. Sie mussten sich ranhalten.
Gleich am Eingang gab es schon ein Kettenkarussell, das war zwar nicht sehr aufregend, aber für den Anfang genau das Richtige.
Kettenkarussells gab es auf der Kirmes schon seit ewigen Zeiten.
Dieses war noch recht neu und drehte ziemlich schnell. Man hob mit seinem Sitz ziemlich ab und drehte sich in großer Höhe im Kreis.
Leni versuchte, mit den Beinen den Sitz vor ihr zu berühren, schaffte das aber nicht. Auch hielt sie der Sicherungsbügel zurück, den alle umlegen mussten.
Rosi saß auf dem Sitz neben ihr und hielt die Ketten, an denen der Sitz hing.
Nach ungefähr zehn Runden wurde die Fahrt langsamer und das Karussell kam zum Stillstand.
Rosi und Leni stiegen ab und gingen zum nächsten Fahrgeschäft. Das war der Autoscooter.
Auch den Autoscooter gab es schon, so lange Rosi denken konnte. Er übte auf alle Fahrer eine merkwürdige Faszination aus.
Man zahlte 3 Euro, setzte sich in einen Wagen und fuhr seine Runden. Es kam darauf an, möglichst den Remplern der anderen zu entgehen. Junge Burschen hatten es besonders auf die Mädchen abgesehen, die sie nach Möglichkeit frontal rempelten. Das war nicht besonders schlimm, weil die Wagen mit einem umlaufenden Gummiring gepolstert waren, dennoch wurden die Körper stark durcheinandergewirbelt, was manchmal unangenehm war.
Am Autoscooter lief immer laute Techno-, Dance- oder Discomusik.
Auch wurden Nebelmaschinen betrieben, die die Fahrfläche verschleierten.
LED-Licht wurde computergesteuert eingesetzt.
Das alles machte den Autoscooter zu einer Hauptattraktion für die Jugend. Manche standen stundenlang am Rand und bewegten sich nicht.
Fahrten wurden wegen des hohen Preises nicht so oft gekauft.
Rosi und Leni sind ohne großes Gerempel davongekommen und verließen den Autoscooter wieder.
Sie kamen so langsam in Fahrt. Draußen gab es vor dem Autoscooter und dem Freifallturm einen Kokosnuss-Stand. Beide gingen sie hin und kauften sich gebrochene Kokosnuss-Stücke.
Kokosnüsse kannte man nur vom Weihnachtsteller und von der Kirmes. Die Kokosspalten schmeckten ausgezeichnet, blieben aber auch am Gaumen kleben. Also kaufte Rosi zwei Dosen Sprite.
Die nächste Attraktion war der Freifallturm. Diesen Turm gab es noch nicht so lange auf der Kirmes. Er erfreute sich einer großen Beliebtheit.
Rosi und Leni zahlten 5 Euro pro Person und setzten sich auf eine Bank, die rund um einen vierzig Meter hohen Turm angebracht war.
Es passten ungefähr dreißig Personen auf die Bank. Alle Personen wurden durch hydraulische Schulterbügel gesichert.
Als die Bank voll besetzt war, wurde sie an Stahlseilen hochgezogen. Langsam ging es hoch fast bis zur Turmspitze. Es lief sehr laute Musik, die ab und zu von Durchsagen des Bedieners unterbrochen wurde. Bis dieser plötzlich sagte: „Und jetzt festhalten!“ Dann fiel die Bank am Turm nach unten, wo sie kurz vor dem Ende durch starke Wirbelstrombremsen aufgefangen wurde.
Als sie zum Stillstand gekommen war, ging es gleich noch einmal hoch bis auf halbe Höhe, und wieder kam der Absturz.
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