Miriam stolzierte in Richtung des nächsten Klamottengeschäfts um sich noch einmal in Ruhe etwas zum Anziehen für den anstehenden Abend auszusuchen. Sie wusste, dass ihre Laune bis in den Keller gehen würde, wenn sie heute Abend etwas anziehen müsste, was sich bereits in ihrem Schrank befand oder etwas, was eine ihrer Freundinnen schon besaß.
In dem Kleidungsgeschäft drehte sie wieder an einem Kleiderständer und wühlte hin und wieder darin herum. Irgendwann wurde sie fündig. Ein rosafarbenes, Bauch freies Top mit der weißen Aufschrift „Honey Bunny“. Sie mochte knappe Shirts mit billigen Sprüchen drauf. Nicht zuletzt, weil ihre Art sich zu kleiden auch offensichtlich ihrem Charakter entsprach. Miriam nahm das Shirt von dem Ständer und stolzierte mit einem siegessicheren Gesichtsausdruck zur naheliegenden Kasse.
„8 Euro 95 Cent“, sagte die Verkäuferin, während sie das Shirt zusammenlegte und in eine weiße Plastiktüte mit roter Aufschrift verschwinden ließ.
Miriam legte einen zwanzig Euroschein auf die weiße Verkaufstheke. Die Verkäuferin nahm diesen entgegen und tat ihn in die Kasse, während sie mit der anderen Hand das Wechselgeld aus den Geldfächern suchte.
„Vielen Dank und noch einen schönen Tag“, sagte sie, als sie Miriam das Wechselgeld reichte.
Miriam nahm das Geld entgegen und ging ohne sie eines Blickes zu würdigen Richtung Ausgang.
Da sie gefunden hatten, was sie in dem Einkaufszentrum suchte, entschloss sie sich, auch nicht länger in den stickigen Hallen umher zu wandeln. Ihr fiel auf dem Weg zum Ausgang ein, dass sie noch Getränke für den Abend brauchte.
Sie machte eine Kehrtwendung, wobei sie elegant ihre Haarpracht herumschleuderte, wie sie es schon in vielen schlechten Filmen und noch schlechteren TV-Shows gesehen hat und ging in Richtung eines großen Supermarktes.
Als sie in dem Korridor mit den Regalen, in dem sich Massen von Getränken befanden ankam, suchte sie zielstrebig das Regal in dem sich unzählige Sorten von Weinen, Prosecco und Sekt befanden. Da sie zwar Muttis Geld hatte, es aber auch nicht in Unmengen vorhanden war, griff sie sich zwei Flaschen Billigsekt der Marke „Morgen dicken Kopf“. Sie klemmte sich eine Flasche unter den linken Arm, wodurch ihr, von der plötzlichen Kälte ein kurzer heftiger Schauer durch den Körper fuhr und nahm die zweite Flasche in die linke Hand. In rechten Hand trug sich ja noch die weiße Plastiktüte mit ihrer neusten Errungenschaft. Sie machte sich zackigen Schrittes, so wie ihre ganze Art war, auf zur nächsten Kasse. Dort angekommen, stellte sie sich als letzte Person in einer Schlange von etwa 10 Leuten an. Ungeduldig blickte sie hin und her und warf jedes Mal ihre Haarpracht durch die Gegend. Sie bemerkte nicht, dass sich eine ältere korpulente Frau hinter ihr anstellte, die zwei Mal ihre Haare direkt ins Gesicht bekam. Die Frau schmatzte genervt mit der Zunge zwischen den Zähnen.
Miriam drehte sich zu ihr.
„Was ist?“, fragte sie bockig.
„Können sie bitte etwas mit ihren Haaren aufpassen? Die schmecken nicht so gut.“, sagte die Frau lächelnd.
„Halt den Sabbel, Dickie!“, sagte Miriam laut und wandte ihr den Rücken zu. So bemerkte sie nicht, wie das Lächeln aus dem Gesicht der Frau verschwand und diese verständnislos den Kopf schüttelte. Miriam holte sich eine Einkaufstüte aus dem Fach unter dem Fließband und legte sie zu den Flaschen, die sie schon auf selbigem standen. Nach dem sie bezahlt hatte, packte sie die beiden Sektflaschen in die Plastiktüte, drehte sich noch einmal zu „Dickie“, zeigte ihr den Mittelfinger und stolzierte hastig in Richtung des Ausgangs des Weserparks.
Als sie den Ausgang erreichte fing sie an zu rennen, um noch die Straßenbahn der Linie 1 zu kriegen, sie hasste es, an Haltestellen ihre wertvolle Zeit zu verschwenden.
Als Miriam etwa 25 Minuten später den Hausflur ihres Wohnhauses betrat, kam ihr die Nachbarin entgegen, die unter Miriam und ihrer Mutter wohnte. Miriam warf ihr im Vorbeigehen zu, dass es heute etwas lauter werden könnte, weil ihre Freundinnen zu Besuch kommen würden. Sie hatte nicht mehr mitbekommen, wie ihre Nachbarin leise vor sich hin nuschelte: „Ja, wie jeden Freitag...“.
In der Wohnung angekommen, stellte Miriam die Sektflaschen in den Kühlschrank und pfefferte die leere Plastiktüte in die
Spüle der für heutige Zeiten altmodisch eingerichteten Küche.
Dann hopste sie in ihr Schlafzimmer und zog sich hastig ihr Shirt aus und probierte das neue an.
„Für mich gemacht.“, flüsterte sie vor sich hin, während sie sich in ihrem großen Wandspiegel betrachtete.
Gegen 19:30 Uhr trafen die ersten zwei Freundinnen ein, Christina und Nicole, die eine Flasche Prosecco mitbrachten. Sie öffneten die zwei Flaschen Billigsekt, die ja schon eine Weile gekühlt waren und füllten die ersten Gläser. Während sich die Flaschen leerten trafen noch zwei weitere „Damen“ ein, Marta und Alex. Bei lauter Musik und noch lauterem Hühnchengegackere wurden alle Flaschen geleert und die Stunden vergingen.
Es war etwa 23:30 Uhr, als sie sich entschlossen, langsam in Richtung Modernes zu fahren. Miriam ging vom Wohnzimmer, wo alle Hühnchen versammelt waren, in ihr Schlafzimmer, um sich „hübsch“ zu machen. Sie zog ihre blaue Jeans, die sie schon den ganzen Tag trug, aus und streifte sich eine schwarze Leggins über, weil sie wusste, dass sie immer etwas fror, wenn sie nachts an der Haltestelle auf die Nachtlinien wartete. Über die Leggins zog sie einen Jeans-Minirock. Zu guter Letzt warf sie sich ihre neue Errungenschaft, das rosafarbene Top über und packte ihre weiße Lackhandtasche. Ein kleines Handspiegelchen, ein kleines Makeup-Etui, ihr Portmonee und ein Condom. Schon war ihre Tasche gepackt. Knapp 15 Minuten später befand sich der ganze Hühnerstall an der Haltestelle der Linie 1, die direkt in die Innenstadt fuhr. Am Bremen Hauptbahnhof mussten sie in die Straßenbahn der Linie 6 umsteigen. Die Linie 6 fuhr durch bis zum Bremer Flughafen. Aber soweit brauchten die „Damen“ gar nicht zu fahren. Sie stiegen 4 Haltestellen später, an der Wilhelm-Kaisen-Brücke, aus. Um zum Modernes zu gelangen, hätten sie auch noch eine Station weiterfahren können, aber sie wollten sich vorm Betreten der Diskothek noch etwas zu trinken, bei einem nahegelegenen Kiosk, besorgen. Jede der fünf „Damen“ kaufte sich einen Piccolo und eine Dose eines bekannten Energie-Drinks. Sie mixten selber. Sie tranken schnell.
Nach dem die „Vogelschar“ (Hühnchen sind auch Vögel) etwa eine dreiviertel Stunde in der Schlange am Eingang des Modernes verbrachten, versammelten sie sich endlich im Foyer der Diskothek. Sie machten Treffpunkt und Uhrzeit für den Rückweg aus und fingen an, sich in dem Gedränge der Diskothek zu verteilen. Christina, Alex und Nicole stürmten an die nächste Bar, es war die lange Theke, auf die man gleich zuging, nachdem man aus dem Foyer kam. Marta verschwand auf der Toilette und Miriam beschloss, erst einmal ordentlich zu tanzen. Sie tanzte geschlagene zehn Songs lang, bis sie merkte, dass sie schon sehr verschwitzt war. Sie hatte Durst. So beschloss sie, sich einen Weg zu einer der Bars im hinteren Teil der Disko zu bahnen um dort gemütlich etwas zu trinken. Trotz gewohnter Überfülltheit der Lokalität, fand Miriam einen freien Barhocker direkt an der Theke. Sie saß dort keine fünf Minuten und wollte sich gerade einen Vodka-Redbull beim dem vorbeihuschenden Barkeeper bestellen, als ihr ein großer, blonder, junger Mann ein Glas anbot. Sie nahm das Angebot an, nahm das Glas entgegen und roch kurz dran. Es war Vodka-Redbull, genau das was sie gern trinkt. Der Typ kam ihr nicht sonderlich attraktiv vor, aber Gratisgetränke von Stelzböcken, nimmt sie immer gerne an. Sie warf ihm einen aufreizenden Blick zu, um ihm grünes Licht zum Baggern zu geben. Sie bekam eine Zeit lang blöde Witze und Komplimente im Wechsel, bis er sie fragte ob sie für eine Weile in sein Auto wollten, er habe dort etwas Lustiges für die Beiden. „Oh“, dachte Miriam. Ein Stelzbock mit Drogen kam ihr jetzt sehr gelegen, da sie für solche Dinge selten Geld hatte. Sie willigte ein und kippte das Getränk noch hastig in sich hinein. Dann griff sie sich seine Hand und hüpfte vom Barhocker. Der „Stelzbock“ ging vor und schob jeden bei Seite, der gerade im Weg stand. So bahnte er den beiden den Weg frei. Vom hinteren Teil des Modernes bis zum Ausgang sind es etwa 50 Meter, so brauchten die Beiden schon gute zwanzig Minuten durch die Menge, bis sie am Ausgang angelangten.
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