Er wachte auf dem Bauch liegend auf, da es Sommer war, war er nur halb mit einem weißen Laken zugedeckt. Bekleidet war er nur mit einer hellblauen Unterhose. Sein Schlafzimmer war in einem stetigen Weiß gehalten. Die Wände weiß gestrichen, der Fußboden weiß gefliest mit tief schwarzen Fugen. Auch das Mobiliar war weiß glänzend gehalten. Es handelte sich natürlich nicht um Massenbauelemente á la Ikea, es waren natürlich Designerelemente. Allesamt Einzelstücke. Mit weniger würde er sich auch nicht zufriedengeben.
Phillip stand auf, und wankte in Richtung Bad, in welches er direkt vom Schlafzimmer aus betreten konnte. Das Bad war durch und durch mit dunkelgrauem Marmor verkleidet, lediglich die Trennwand zur Duschzeile war aus dickem Milchglas. Er nahm sich seine Zahnbürste aus dem Zahnputzbecher, welcher ebenfalls aus Marmor bestand, drücke etwas Zahnpasta aus der Tube und steckte sich das Reinigungsutensil in den Mund. Während er mit der linken Hand zu bürsten begann, lehnte er sich um die Ecke und stellte mit der rechten Hand den Wasserstrahl der Dusche, die sich rechts neben seinem Waschbecken befand, so ein, wie er es gerne hat und wie er es jeden Tag tat. Als die Dusche dabei war, ihre Temperatur zu erlangen, blickte sich Phillip im Spiegel an, während er ruppig seine Zähne weiter putzte. Seine nicht mehr ganz kurzen blonden Haare standen am Hinterkopf zu Berge und vielen ihm vorn schon fast in die Augen. Seine immer roten Wangen stellten sich in dem grellen Licht der Halogenleuchten des Bades noch pockiger dar als ohnehin schon. Seine hellblauen Augen waren durch das Zusammenkneifen zum Schutz vor dem Licht kaum zu sehen. Er spuckte den Rest der sich in seinem, mit wulstigen Lippen umrahmten, Mund befindlichen Zahnpaste aus, streifte sich seine Calvin Klein runter und machte einen Schritt um die Ecke in seine Duschzeile.
Während Phillip begann, ausgiebig zu duschen, war seine Putzfrau Olga, eine kleine dickliche Russin mit lockigem leicht rötlich gefärbtem Haar, mit dem Staubsaugen im Wohnzimmer durch und wickelte das Kabel des Staubsaugers mit der Hand auf. Sie wusste zwar, dass der Staubsauger eine Kabelaufrollautomatik hatte, aber diese Funktionierte nicht immer zuverlässig, sodass sie keine Zeit mit dem herumprobieren verschwendete. Olga war immer fleißig und schnell in ihrer Arbeit. Sie stellte den Staubsauger an die Wand neben dem pervers großen Fernseher mit Plasmabildschirm und stellte einige Zeitschriften, die noch auf dem Vollglas-Wohnzimmertisch lagen in eine eigens dafür eingerichtete Zeile des Wohnzimmerregals, bei welchem es sich natürlich auch um ein Designerstück handelte. In dem Designerregal befanden sich viele intelligent, sich ineinander windende Teilabschnitte in denen sich ordentlich verteilt einige Dekorationsartikel und einige Ordner befanden, in denen sich Phillip' komplettes Leben befand. Die schwarzen Standard-Büro-Ordner wirkten etwas unpassend in dem Designerregal. Dann ging Olga in die Küche, holte einen hellblauen halb feuchten Schwamm und wischte den Wohnzimmertisch mit einigen geübten Bewegungen ab. Während sie sich erneut schnellen Schrittes auf den Weg in die Küche machte, um den Schwamm zurück zu bringen, blickte sie sich noch einmal im Raum um, ob sie auch an alles gedacht hat. Als sie in der Küche verschwunden war, trat Phillip aus dem Schlafzimmer, er war mittlerweile mit dem Duschen durch und fertig angezogen. Er trug eine saubere leicht verwaschene Jeans, schwarze Socken, ein weißes Hemd und war gerade dabei, sich ein schwarzes Jackett überzuwerfen. Das Olga noch da war, wusste er. Er hasste Olga, weil sie auch bei seinen Eltern die Hausarbeiten übernahm und dazu sehr redselig war. Wenn Olga da war, versuchte er, sich so verschlossen zu geben wie möglich, was auch immer gut klappte.
Olga kam aus der Küche und griff sich den Staubsauger, während ein fröhliches „guten Morgen“ fast singend aus ihrem Munde kam. „Moin“ grummelte Phillip leicht genervt von dieser guten Laune. „Haben sie gut geschlafen?“, fragte Olga, die sich mit dem Staubsauger auf dem Weg zur Abstellkammer, befand. Auf Phillip' Zunge befand sich der Satz „Was geht dich das an, Du Fetthaufen?“, doch er antwortete mit einem kurzen und knappen „Jap!“. Er ließ sich auf seine weiße Ledercouch fallen, die mit ihren stylischen Rundungen der Feder Luigi Colanis entsprungen sein könnte und nahm sich sein Smartphone zur Hand. Während er die neusten Posts seiner „Freunde“ auf Twitter und Facebook durchstöberte, warf sich Olga ihre leichte rosafarbene Sommerjacke über und verabschiedete sich mit den Worten „So, bis nächste Woche, Herr Trenker!“. Phillip antwortete: „Tschüss“.
Da heute Freitag und damit Feiern angesagt war, war es auch klar, dass der Abend hier in Phillip' Loft starten würde. Er twitterte und facebookte seinen „Freunden“: „Heute 19:00 Uhr bei mir! Und dann Partyyyy!“. Phillip musste noch einkaufen, da er keinerlei Getränke und Knabbersachen mehr im Hause hatte. Gäste wollen ja immer versorgt sein und da seine Freunde es ja gewohnt waren, dass Phillip immer alles hatte, wollte er sie auch nicht enttäuschen.
Phillip erhob sich von seiner weißen Couch und rutschte auf seinen Socken über das helle Naturholzparkett zu seinen weißen Slippers, in die er routiniert hineinschlüpfte, während er sich sein Smartphone in die Innentasche seines Jacketts steckte. Auf dem Weg zur Wohnungstür, griff er sich sein Schlüsselbund, an dem sich nur sein Wohnungsschlüssel, sein Autoschlüssel und natürlich ein Mercedes-Anhänger befand, vom weißen Sideboard. Er riss eilig die Tür auf, trat auf den Hausflur und zog die Tür hinter sich zu.
Als er das Haus verließ, griff er noch einmal in die Innentasche seines Jacketts um auf seinem Smartphone zu sehen, ob sich schon jemand wegen des bevorstehenden Abends meldete. Er lokalisierte kurz, in welcher Richtung sich sein Wagen, ein schwarzer Mercedes der S-Klasse, befand und ging zügig die Straße rechts herunter, während er konzentriert mit deinem Smartphone hantierte. Er blickte nicht in Laufrichtung und lief direkt in eine Person hinein, wobei er sein Telefon aus der Hand verlor, welches unsanft mit einem Scheppern auf dem Fußweg landete. Phillip war nie jemand, der ein Blatt vor den Mund nehmen musste, er brauchte auch nie vor irgendjemandem Respekt haben. Er hatte ja eine Menge „Freunde“ und seinen Vater, den Rechtsanwalt. So hielt er auch in diesem Schreckmoment nicht inne und brüllte den etwa 20 cm kleineren etwa gleichaltrigen Mann, in den er hinein rannte auf der Straße so laut an, dass sich jeder nach den Beiden umdrehte. „MANN, KANNST DU NICHT AUFPASSEN?“, brüllte er. Der Mann, der so unauffällig gekleidet und ruhig dar stand, dass Phillip ihn normalerweise niemals bemerken würde, antwortete mit ruhiger Stimme und einem leichten Grinsen auf den Lippen: „Sorry, aber du hast auch nicht nach vorne geschaut!“. Phillip wurde noch lauter: „MANN, DU DÄMLICHER ZELLHAUFEN! WENN MEIN HANDY IM ARSCH IST, POLIER ICH DIR DIE FRESSE!“. Phillip brüllte so laut, dass eine Frau mittleren Alters, die gerade an den Beiden vorbeiging, kurz zusammenzuckte, während sie einen Schritt über das am Boden liegende Smartphone machte. Der Mann, hörte auf zu grinsen, behielt aber für diese Lautstärke, die ihm entgegen geblasen wurde, einen sehr entspannten Gesichtsausdruck.
Phillip ging in die Hocke um sein Telefon aufzuheben, griff es sich und probierte hektisch die Tasten durch. Es hatte alles noch funktioniert. „Hast Glück gehabt, Mann!“, sagte er immer noch im sehr lauten Ton. Er drehte sich um, um dem Mann noch einmal böse ins Gesicht zu blicken, doch da war niemand mehr. Der Fußweg war leer, als wenn dort nie jemand gewesen wäre. „Feigling!“ grummelte Phillip vor sich hin und setzte seinen Weg zum Auto fort. Fast am Wagen angekommen, betätigte er den Türöffner-Kopf an seinem Autoschlüssel. Drei kurze Piep Töne ertönten und er stieg ein. Als er den Motor startete, schaltete sich auch seine Stereoanlage, die er hatte nachrüsten lassen. Laute Bässe ertönten, so dass er die ganze Straße mit einer Mischung aus röhrendem Motorgeräusch und Schimpfe-Rapper-Musik beschallte. Auffällig und extrovertiert, wie seine ganze Art schon immer war.
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