fragte Anna erzürnt. Colli hüpfte glücklich zwischen ihnen hin und her.
Uta grinste und streckte ihr Kinn hervor. fragte Uta grinsend. Dann biss sie bei ihrem Muffin ab.
Die beiden Studentinnen spazierten entlang dem tosenden Fluss. Der Wald war sehr dicht, die Landschaft idyllisch. In Schweden war die Welt wenigstens noch in Ordnung, dachte Uta verträumt. Sie war froh, dass sie und Anna in Schweden aufgewachsen waren.
Uta sah mit vorgestrecktem Kinn zur Seite. Anna blickte ihre Freundin liebevoll an. Uta war wirklich sehr hübsch mit ihren langen blonden Wimpern, den blonden Haaren, der kleinen Nase, den großen Augen und der Zahnlücke, die irgendwie sexy wirkte, konnte ihr schon in der Volksschule kein Junge wiederstehen.
Anna kannte Uta schon seit Ewigkeiten, aber über Jungs sprach sie nie gerne. Dieser Amerikaner musste etwas Besonderes sein!
Sie marschierten eine Weile schweigend nebeneinander her, beide in Gedanken versunken. Colli tollte um sie herum und schleckte Anna die Hand ab. Anna streichelte ihm liebevoll den Kopf und deutete mit der Hand auf den Wald neben ihnen. fragte Anna. sagte Anna traurig.
Als sie so spazierten, beäugte Uta Anna von der Seite. Ihre Freundin war rundlicher geworden. Doch das machte nichts. Es passte Anna irgendwie. Sie war um einen Kopf kleiner als sie, doch das glich sie mit engen Hosen und selbst gestrickten Pullis aus. Sie war immer bunt gekleidet und ihre Sommersprossen waren noch immer auf ihrer Nase. Uta war traurig, dass Anna solche Sorgen hatte. Sie vermisste sie oft sehr. Sie kannte ihre Freundin und deren Eltern schon so lange! Die Mutter kümmerte sich früher neben dem Geschäft auch um das große Haus und den Garten. Beziehungsweise hatten sie einen Gärtner und eine Putzfrau angestellt. Annas Mutter war für Uta immer eine gepflegte, feine Dame der gehobenen Gesellschaft. Sie war immer elegant gekleidet, sprach eine sehr feine Sprache, man merkte ihr die Nobles des Geldes an. Sie war immer höflich, aber auch sehr distanziert. Im Gegensatz zu ihrer eigenen Mutter, die sehr burschikos sein konnte, umgab Annas Mutter immer eine undurchdringliche Mauer. Frau Mikal fuhr früher immer nach Afrika mit, doch mittlerweile wollte sie diese unfeinen, schmutzigen Länder nicht mehr besuchen. Das wusste sie von Annas Briefen.
Eine gewisse Kälte spürte Uta immer bei Annas Eltern. Doch auch Liebe und Hoffnung. Annas Mutter gab Anna immer Dinge auf, die sie zu erledigen hatte und das schon als Kind. Sie musste für die Mutter einkaufen gehen, Verantwortung für ihren Bruder übernehmen, der jünger war, als Anna. Anna hasste ihn dafür, dass sie oft auf ihn aufpassen musste. Als Anna gerade zehn Jahre alt war, kurz bevor sie nach Wien zogen, begann sie Alkohol aus der Hausbar ihrer Eltern zu nehmen. Zuerst nahm sie die Flaschen, die bunt aussahen wie Liköre und Blue Curacao, dann griff sie auch zu Schnäpsen und allem Möglichem. Uta wollte sie immer davon abhalten, aber Anna war sehr stur in diesem Alter und setzte ihren Willen durch. Die Eltern waren immer so in ihre Arbeit vertieft, dass sie die Alkoholprobleme ihrer Tochter gar nicht bemerkten.
Was soll ich nur machen? Meine Eltern und ich hatten wieder einen heftigen Streit. Nun, da die großen Konzerne uns die Kunden strittig machen, wäre ich da ziemlich in der Klemme, wenn ich das Geschäft übernehmen würde. Die Nachfrage nach Tropenholz ist groß und unsere Kunden wollen alle diese edlen Hölzer aus Afrika und Asien. Mein Vater wird immer böse, wenn ich davon anfange, dass wir keine Tropenhölzer hernehmen dürfen. Er schimpft mich dann immer, es wäre schließlich mal meine Firma, er hätte nicht alles umsonst aufgebaut und ich müsse umdenken, um zu überleben. Aber nun will er, dass Swen die Firma übernimmt. Ich soll Psychologie studieren und mich nicht mehr um das Geschäft kümmern! Ach, Uta…> sagte Uta traurig, doch Anna redete einfach weiter.
In der Zwischenzeit stand die Sonne senkrecht. Es war Mittagszeit. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich im Fluss wieder, der mit brausendem Getöse neben ihnen her stob. Anna standen die Schweißperlen auf der Stirn, obwohl es gar nicht warm war. Das Gespräch über ihre Eltern und ihren Bruder regte sie sehr auf. Sie band ihre roten langen Haare mit einem Gummiband zu einem Zopf zusammen.
Anna schob sich den letzten Bissen des Muffins in den Mund. Sie sah sehr lustig aus mit den Hamsterbacken und den Sommersprossen, die auf ihrer Nase im hellen Sonnenlicht leuchteten, dachte Uta. Nur die tiefe Stirnfalte passte nicht zu dem rothaarigen Mädchen.
Die restlichen Ferien trafen sie sich noch drei Mal, dann musste Uta wieder nach Connecticut. Anna studierte Psychologie in Wien. Sie beneidete Uta um ihre Auslandserfahrung und wünschte sich manchmal auch ein Studium im Ausland, wo sie weit weg von ihren Eltern und dem Möbelgeschäft wäre.
6. Kapitel
Hamburg – Mai 2014
Im obersten Stockwerk des Megatowers herrschte emsiges Treiben. The „Morning Heap” nannte es der Deutschland-Boss Nathan Rosenzweig. Er war der Chief Executive Officer und Präsident der amerikanischen Investmentbank Goldstein & Kuhn, die ihren Sitz im selben Tower, wie der Medienmogul Schwarzschild hatte.
Um 9.55 Uhr läutete Lloyd Smith die Glocke in der 64. Etage des Hamburger Turms.
Der „Morning Heap“ hatte begonnen. Es war eine tägliche Konferenz, auf der die aktuelle Lage auf den Finanz- und Rohstoffmärkten besprochen wurde.
Die zwanzig Teilnehmer hörten den Ausführungen der Bankiers zu, die gerade über die Tendenz an der Tokioter Börse und den Handelsverlauf an der Wall Street am Vorabend berichteten. Währenddessen klingelten unaufhörlich die Telefone.
Die Sprache war kurz und knapp, man redete sich mit Vornamen und „du“ an. Reines Deutsch sprach hier niemand, vielmehr ein Mischmasch aus Deutsch und Englisch.
Nathan Rosenzweig hatte den begehrten Status eines Partners schon vor sehr langer Zeit erhalten. Er erinnerte sich noch, als ob es gestern gewesen wäre. Er war 45 Jahre und hatte sich zum Chief Executive Officer und Präsidenten der amerikanischen Investmentbank hochgearbeitet. Seine Mitarbeiter waren sehr jung.
Als eine der nobelsten und reichsten Investmentbanken hüllte man sich gerne in Schweigen. Selbst bei Angaben zur Mitarbeiterzahl in Deutschland hielt sich die Bank bedeckt.
Bei der Morgenkonferenz in der Aktienabteilung war auch der Boss, Samuel Goldstein höchstpersönlich anwesend sowie sein vierundzwanzigjähriger Sohn, Jonathan Goldstein. Sein Vater, Samuel, war ein deutsch-jüdischer Auswanderer, der in New York sein Glück machte. Dort gründete er Anfang des 19. Jahrhunderts das Geldhaus Goldstein. Samuel Goldstein hatte einen Sohn und eine Tochter, die als 24-jährige einen sehr intelligenten jungen Mann heiratete. Sein Schwiegersohn, Denny Kuhn, erfand den Aktienhandel. Gemeinsam mit seinem Sohn Jonathan, der von der Familie nur John genannt wurde, spezialisierten sie sich auf den Handel mit Wertpapieren im großen Stil. Das Geldhaus hieß fortan Goldstein & Kuhn.
Ulmhoff blickte nach oben. An der Spitze des eleganten Büroturms konnte er die golden leuchtende Pyramide erkennen, die das Wahrzeichen der Illuminati darstellte und den Abschluss des Turms bildete. Goldstein war ein jahrelanger Freund und neben ihm einer der mächtigsten Illuminati. Seinen Sohn liebte er, wie seinen eigenen. In zehn Minuten würde er mit dem Lift in die oberste Etage des Büroturms fahren und die wenigen Treppen, die zu der Pyramide führten, hinaufsteigen. Hier hatte Goldstein Senior sein Büro. Es war der Inbegriff der Macht.
Als Ulmhoff näher an den Büroturm herankam, musste er grinsen. Nicht einmal ein nüchternes Firmenschild zeugte davon, dass hier eine der nobelsten und umstrittensten Adressen der Großfinanz ihren Deutschlandsitz hatte.
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