„Miss Landon ist erst vor wenigen Wochen nach Jamaica gekommen, wie sie mir erzählte. Und seit wenigen Tagen ist sie hier in Port Royal. Wir lernten uns vor wenigen Tagen bei einem Abendessen des Gouverneurs kennen, bevor dieser nach Port Lantago aufgebrochen ist. Da wir uns auf Anhieb gut verstanden haben und Miss Landon noch kaum jemanden in dieser Stadt kennt habe ich sie zu uns eingeladen.“
Lächelnd sahen sich die beiden Frauen an. Liam war beeindruckt dass die junge Frau offenbar irgendwelche Beziehungen zu Gouverneur Don Luis hatte. Es war normalerweise nicht einfach auch nur eine Audienz beim Gouverneur zu gekommen. Er nahm sich jedoch auch vor, auf der Hut zu sein solange er nicht wusste in welcher Beziehung Miss Landon zu Don Luis stand. Allerdings vergaß er all seine Vorsicht sofort wieder als er erneut die sanfte, wohlklingende aber dennoch feste Stimme der jungen Frau vernahm. Er hatte schließlich nichts zu befürchten.
„Noch einmal möchte ich Euch herzlich für Eure Einladung danken, Doña Anna. Dies ist ein ganz wunderbarer Empfang und ich freue mich sehr, heute Euer Gast sein zu dürfen.“
„Aber die Freude liegt ganz auf meiner Seite“, entgegnete Doña Anna. Dann fuhr sie fort.
„Mr. Moore ist bereits seit vielen Jahren einer unserer meistgeschätzten Freunde. Er und sein Bruder leben jedoch in Port Lantago, etwa eine halbe Tagesreise von Port Royal entfernt, und beehren uns nicht allzu häufig mit ihrem Besuch. Besonders in letzter Zeit hat Mr. Moore sich sehr rar gemacht.“
Bei diesen Worten sah sie Liam vorwurfsvoll an, lächelte ihn dann jedoch herzlich an. Liam erwiderte ihr Lächeln ebenso herzlich. Er mochte Doña Anna aufrichtig.
„Wichtige Geschäfte haben mich in letzter Zeit sehr in Anspruch genommen“, entschuldigte er sich. „Und dann sind da noch meine Pferde.“
„Aber natürlich, das weiß ich doch“, antwortete Doña Anna und legte ihm lächelnd eine Hand auf den Arm. Dann wandte sie sich wieder an Nyah Landon.
„Ihr müsst wissen dass Mr. Moore neben seinen anderen Geschäften ganz wundervolle Pferde züchtet.“
„Tatsächlich?“, fragte Nyah und ihr Interesse war aufrichtig geweckt. „Ich selbst liebe Pferde über alles! Darf ich fragen was für Pferde Ihr züchtet?“
„Aber natürlich“, antwortete Liam lächelnd. „Ich züchte Cartujanos. Meine Zucht habe ich mit mehreren Stuten und Hengsten aus Südspanien – Andalusien genauer gesagt – begonnen. Die Cartujanos sind von ausgesprochener Schönheit und Anmut und ihr Temperament…“
Doña Anna unterbrach Liam mit einer vorsichtigen Geste.
„Wenn Ihr mich bitte entschuldigen wollt, aber mein Mann scheint mich an seiner Seite zu brauchen.“
Dies sollte natürlich nur ein Vorwand sein um die beiden alleine zu lassen, was auch Nyah und Liam klar war. Lächelnd verabschiedeten sie sich von Doña Anna. Diese war äußerst zufrieden mit ihrer Idee, Liam und Nyah einander vorzustellen und freute sich, dass sie sich scheinbar gut verstanden. Nun wollte sie ihnen Gelegenheit geben, sich ein wenig kennenzulernen und dabei wollte sie nicht stören. Ihre Anwesenheit schien nun nicht mehr von Nöten zu sein. Und ihr war nicht entgangen wie die beiden einander angesehen hatten. Lächelnd bahnte sie sich einen Weg zwischen den anderen Gästen hindurch bis sie ihren Mann schließlich gefunden hatte.
Als sie alleine zurück geblieben waren lächelten Nyah und Liam sich an.
„Sie ist wirklich wundervoll“, sagte Nyah, was Liam nur bestätigen konnte.
„Das ist sie in der Tat. Und eine hervorragende Gastgeberin ist sie obendrein.“
Nyah nickte.
„Hättet Ihr etwas dagegen wenn wir ein wenig an die frische Luft gingen?“, fragte Nyah dann. „Es ist auf einmal furchtbar warm und laut hier.“
Damit sprach sie Liam aus der Seele und er nickte zustimmend. Er selbst hätte diesen Vorschlag nicht gemacht, um Nyah nicht zu kompromittieren. Nun führte er sie jedoch mehr als bereitwillig auf die große Terrasse hinaus, wo sich nur wenige Gäste aufhielten, da es bereits dunkel war und kühler wurde. Nyah atmete die kühle Nachtluft erleichtert ein und trat ans Geländer vor. Von hier hatte man einen schönen Blick über den Garten, in dem mittlerweile zahlreiche Fackeln entzündet worden waren. Liam folgte ihr langsam und als er neben sie ans Geländer trat wandte Nyah ihm ihren Blick zu. Lächelnd sah er sie an.
„Ich freue mich wirklich, Euch hier wiederzusehen“, sagte er leise. „Dort am Strand habt Ihr mich… nun… Ihr habt mich überrascht und tief beeindruckt.“
Lächelnd erwiderte Nyah Liams Blick, sagte jedoch nichts.
„Waren das Eure Hengste?“
„Ja“, antwortete Nyah, plötzlich ein wenig verlegen.
„Sehr schöne Pferde. Wirklich. – In ihren Adern fließt auch spanisches Blut, nicht wahr?“
Nyah nickte.
„Ja. Aber… sie sind etwas Besonderes.“
Dann wandte sie den Blick wieder ab. Liam hätte gerne mehr über die beiden Hengste erfahren, doch Nyah schien nicht über sie sprechen zu wollen. Daher erzählte Liam nach kurzem Schweigen ein wenig von seinen eigenen Pferden und Nyah wandte sich ihm wieder zu. Sie lauschte ihm mit ehrlichem Interesse und stellte ihm einige Fragen zu seiner Zucht. Liam erkannte schnell dass sie sich hervorragend mit Pferden auskannte. Bald waren sie in ein angeregtes Gespräch – nicht nur über Pferde – vertieft und merkten kaum wie die Zeit verging. Erst sehr viel später, als es draußen zu kalt wurde, gingen sie wieder hinein, waren jedoch weiter in ihr Gespräch vertieft.
Es war bereits gegen Mitternacht als die ersten Gäste begannen, sich zu verabschieden. Die Stimmung war ausgelassen und es wurde noch immer getanzt. Der Empfang war mehr als gelungen und die Gesellschaft von Port Royal würde noch lange über diesen Abend sprechen.
Alex und Elena unterhielten sich gerade angeregt mit dem Bürgermeister Don Miguel und seiner Frau. Doch dann entschuldigten sich die beiden, um sich von einigen der anderen Gäste zu verabschieden. Als sie alleine zurück blieben ließen Elena und Alex ihre Blicke über die anderen Gäste hinweg schweifen. Sie standen etwas abseits auf einer kleinen Empore, von wo aus sie einen guten Blick über den gesamten Salon hatten. Da sie mittlerweile ebenfalls müde wurden beobachteten sie eine Zeit lang schweigend die noch immer tanzenden und sich unterhaltenden anderen Gäste. Plötzlich wandte Alex sich jedoch seiner Frau zu.
„Sag mal, hast du Liam eigentlich während der letzten Stunden gesehen?“, fragte er.
„Nicht während der letzten Stunden“, antwortete Elena. „Aber jetzt sehe ich ihn dort unten. Und – er tanzt.“
Alex glaubte zunächst, sich verhört zu haben.
„Er tut was?“
„Er tanzt. Und es scheint ihm großen Spaß zu machen. So ausgelassen habe ich deinen Bruder noch nie gesehen.“
Überrascht folgte Alex ihrem Blick. Seine Überraschung wuchs noch als er sah mit wem Liam tanzte.
„Das gibt es doch nicht“, entfuhr es ihm leise und er schüttelte ungläubig den Kopf.
Elena sah ihn fragend an.
„Kennst du die Schönheit, mit der dein Bruder dort tanzt?“
Alex nahm Elenas Worte nur zum Teil wahr. Zu sehr war er vom Anblick seines Bruders und der dunkelhaarigen – wirklich atemberaubend schönen – Frau abgelenkt. Wie war das nur möglich? Alex gab seiner Frau im Stillen Recht. Auch er hatte seinen Bruder selten zuvor so ausgelassen und schon lange nicht mehr so von innen heraus strahlend gesehen. Vielleicht sogar noch nie. Selbst aus der Entfernung sah Alex, wie die Augen seines Bruders leuchteten als er während des Tanzes den Blick der jungen Frau mit einem Lächeln erwiderte.
„Nun, kennen wäre zu viel gesagt“, antwortete Alex schließlich. „Liam und ich haben sie vor ein paar Tagen während eines Ausritts am Strand gesehen.“
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