„Du bist eine wunderbare Kämpferin.“
„Danke“, antwortete Nyah lächelnd auf Liams Kompliment. Sie freute sich ehrlich darüber.
Auch er war ein guter Kämpfer, der äußerst geschickt mit seinem Degen umgehen konnte.
„Du und Ashad, ihr hättet diese Kerle vermutlich auch ohne unsere Hilfe in die Flucht geschlagen“, fuhr Liam dann fort.
„Ja, vielleicht“, antwortete Nyah. „Dennoch bin ich froh, dass ihr gekommen seid. Wie kann ich dir nur für deine Hilfe danken?“
Liam dachte einen Moment lang nach, dann leuchteten seine Augen plötzlich auf.
„Oh, da hätte ich schon eine Idee“, entgegnete er und Nyah sah ihn fragend an. Er schenkte ihr ein atemberaubendes Lächeln.
„Sei heute Abend mein Gast“, bat er sie. „Ich lade dich in mein Haus in Port Lantago ein. Mein Bruder Alex und seine Frau Elena werden auch da sein. Und du könntest Ashad ebenfalls mitbringen, wenn du möchtest. Dann könnte ich dir auch meine Pferde zeigen…“
Als Nyah schwieg fügte er leise hinzu: „Es wäre mir wirklich eine große Freude.“
Schließlich erwiderte Nyah Liams Lächeln.
„Ich werde gerne kommen“, nahm sie seine Einladung an. „Und Ashad ebenfalls.“
Liam hatte das Gefühl, sein Herz würde vor Freude einen Sprung machen und sein Lächeln wurde noch strahlender.
„Wie schön! Ich freue mich sehr.“
Kurz darauf kehrten Ashad und Alex mit den Pferden zurück. Bevor sie in Hörweite kamen ergriff Liam rasch Nyahs Hand. Obwohl er sie nur ganz sanft berührte spürte er, wie sie leicht zusammenzuckte und sich anspannte. Daher ließ er ihre Hand sofort wieder los. Als sie ihn ansah lächelte sie jedoch und Liam erwiderte ihr Lächeln.
„Dann bis heute Abend?“, fragte er leise und mit hoffnungsvollem Blick.
„Ja, bis heute Abend“, erwiderte Nyah ebenso leise.
Dann traten sie auseinander und gingen zu ihren Pferden. Corazón wieherte leise als Nyah zu ihm trat. Er lehnte sanft seinen Kopf an ihre Schulter als sie ihm über den Hals strich. Sie sah dem Hengst an, dass er sich während des Kampfes aufgeregt hatte. Sie wusste dass er sie hatte verteidigen wollen, doch Nyah hatte ihn fortgeschickt um ihn zu schützen. Die Tatsache jedoch, dass er ihr nicht hatte helfen können hatte dem Pferd schwer zugesetzt. Corazón war eine Kämpfernatur. Nun, während Nyah ihn sanft streichelte, beruhigte er sich jedoch sofort. Wenige Augenblicke später saß Nyah auf. Dabei fing sie noch einmal Liams Blick auf, der sie beobachtet haben musste. Als sie seinen Blick erwiderte lächelte er sie an und hob zum Gruß die Hand. Dann ritten sie in entgegengesetzte Richtungen auseinander.
Während des restlichen Rückritts nach Port Lantago war Liam sehr schweigsam. Er dachte über das merkwürdige Zusammentreffen mit Nyah nach. War es wirklich Zufall gewesen, ihr hier und unter diesen Umständen zu begegnen? Liam glaubte eigentlich nicht an Schicksal, doch seit er Nyah kannte hatte dieser Begriff eine ganz neue Bedeutung für ihn bekommen.
Dabei dachte er weniger über den Überfall auf Nyah und den darauffolgenden Kampf nach. Viel mehr beschäftigte ihn, was danach geschehen war. Warum war Nyah so erschrocken zusammengezuckt, als er sie berührt hatte? Es war schließlich nicht das erste Mal gewesen dass er ihre Hand ergriffen hatte. Für einen Moment hatte er gemeint, Furcht in ihren Augen aufflackern zu sehen, bevor sie ihn wieder angelächelt hatte. Dabei hatte sie ihre Anspannung nicht ganz verbergen können. Hatte es einfach nur an dem vorangegangenen Kampf gelegen? Wobei sie eigentlich einen sehr ruhigen und gefassten Eindruck gemacht hatte. Erstaunlich ruhig sogar. So, als wäre dieser Kampf kaum bemerkenswert gewesen. Was Liam wiederrum wunderte. Aber was war es dann gewesen? Nyah gab ihm immer wieder Rätsel auf.
Als er sie dann später mit ihrem Pferd gesehen hatte, war er für einen Moment ganz gefangen gewesen von ihrem Anblick. Diese stille Zwiesprache zwischen Nyah und ihrem Hengst, die so viel Vertrauen und auch Liebe ausgedrückt hatte, hatte ihn tief berührt.
Nun riss Alex Liam jedoch aus seinen Gedanken als er ihn, wohl zum wiederholten Mal, ansprach.
„Liam, ist alles in Ordnung?“, fragte sein Bruder und sah ihn aufmerksam an. Liam nickte.
„Ja, ich war nur in Gedanken.“
„Das dachte ich mir“, erwiderte Alex schmunzelnd.
„Und jetzt kann ich auch verstehen warum“, fügte er noch hinzu. „Sie ist wirklich eine bemerkenswerte Frau. Schön, furchtlos und eine hervorragende Kämpferin.“
„Ja“, gab Liam einsilbig zurück. Er hing immer noch seinen Gedanken nach. Doch dann riss er sich zusammen und sah Alex endlich an.
„Ich habe sie für heute Abend zu uns eingeladen. Nyah und ihren Begleiter. Ashad.“
„Oh“, entgegnete Alex überrascht. „Gut.“
Nach kurzer Überlegung fuhr er fort.
„Dieser Ashad hat etwas Furchteinflößendes an sich. Weißt du, in welcher Beziehung er zu Nyah steht? – Ich meine, er folgt ihr schließlich wie ein Schatten und sie scheinen einander sehr vertraut zu sein.“
Jedenfalls hatte ihr Umgang miteinander darauf schließen lassen, fügte Alex im Stillen hinzu, als er Liams ernsten Blick sah. Auch Liam war aufgefallen, wie zuvorkommend und selbstverständlich sie mit einander umgegangen waren. Und sie schienen einander wortlos zu verstehen. Liam war ebenfalls der düstere Blick aufgefallen, den ihm der Schwarze zugeworfen hatte, als er mit den Pferden zurückgekommen war und ihn mit Nyah gesehen hatte. Er hatte wie eine stille Warnung gewirkt, obwohl Ashad ihm gegenüber durchaus höflich, wenn auch ein wenig reserviert gewesen war. Erst jetzt erkannte Liam jedoch, dass er, als er Nyah an der Seite des Schwarzen hatte wegreiten sehen, für einen kurzen Moment so etwas wie Eifersucht verspürt hatte. Wer war dieser Mann, dass Nyah ihm ihr Vertrauen schenkte? Etwas, das er sich selbst ebenfalls wünschte. So sehr wünschte, dass es ihm beinahe den Verstand raubte.
Dann schalt er sich jedoch einen Narren. Wer war er denn selbst dass er sich irgendetwas von Nyah hätte wünschen dürfen? Von dieser wundervollen, geheimnisvollen Schönen? Eines wusste er jedoch mit absoluter Sicherheit. Nyah war die Frau, auf die er so lange gewartet hatte. Obwohl er so wenig über sie wusste war er sich völlig sicher. Und er wusste dass er nicht wieder von ihr loskommen würde. Niemals. Er war ihr völlig verfallen und es gab nichts das er daran ändern konnte. Wenn er nur wüsste, wie sie empfand. Was sie fühlte. Doch sie ließ ihn einfach nicht an sich heran. Und wo er früher, bei anderen Frauen, eher skrupellos und weniger zurückhaltend gewesen war, wusste er jetzt nicht, wie er sich verhalten sollte. Und das quälte ihn am meisten. Er wollte auf keinen Fall irgendetwas tun, dass Nyah verletzte oder ihr unangenehm war. Ständig hatte er Angst, irgendetwas Falsches zu tun oder zu sagen. Eine Tatsache, über die er sich nie zuvor Gedanken gemacht hatte, die ihn nun jedoch belastete. Dennoch konnte er Nyah nicht fernbleiben. Oder gerade deshalb.
Nun riss er sich jedoch von seinen Gedanken los und beantwortete Alex‘ Frage mit einem Kopfschütteln.
„Sie hat Ashad nie erwähnt.“
Doch vielleicht würde er an diesem Abend etwas mehr herausfinden. Schon jetzt konnte Liam es kaum erwarten, bis die Stunden vergingen und er Nyah wiedersah.
Ashad war keineswegs erfreut darüber als Nyah ihm, nachdem sie zurück auf ihrer gemieteten Hacienda waren, sagte, dass Liam sie zum Abendessen eingeladen hatte. Er brauchte nicht zu fragen, ob sie die Einladung angenommen hatte. Natürlich hatte sie das. Und es stand ihm nicht zu, ihre Entscheidung in Frage zu stellen, doch er machte sich dennoch Gedanken.
„Denkst du nicht, dass das zu gefährlich ist?“, fragte er Nyah skeptisch als sie nebeneinander her in Richtung Port Lantago ritten. Nyah sah ihn nur verständnislos an.
Читать дальше