Mit sanftem Griff hob George Violetts Fuß an. Dann tastete er die angeschwollene Stelle ab und bewegte das Gelenk ein wenig.
Kaum hatte er damit begonnen, musste Violett mehrmals tief ein- und ausatmen. Sie versuchte jede allzu deutliche Reaktion zu vermeiden, aber es gelang ihr nicht den beiden etwas vorzumachen.
Tamora vertraute auf Georges Meinung. Sie hatte den Eindruck, dass er so eine Verletzung nicht zum ersten Mal begutachtete.
»Ich muss Ihnen leider sagen, dass Sie sich den Fuß verstaucht haben, Miss Violett«, begann George mit seinem Befund. »Wenn Sie ihn die nächsten Tage ordentlich schonen, werden Sie schon bald wir Ihre entzückenden Schuhe tragen können. Aber bis dahin werden Sie ihn brav hochlagern, kühlen und nur leicht belasten.« Er warf ihr einen bestimmenden Blick zu, in dem aber auch all seine ehrlich empfundene Anteilnahme lag. »Sollte es wider erwartend schlimmer werden, empfehle ich eindringlich einen Arzt hinzuziehen.«
»Danke, George, das werde ich«, erwiderte Violett. »Und machen Sie sich bitte keine Vorwürfe, schließlich können Sie ja nichts für mein dummes Missgeschick.« Sie fasste ihn am Arm und drückte ihn dankbar.
»Ich werde Ihnen einen Imbiss vorbereiten und aufs Zimmer bringen, Miss Violett«, bot er dienstbeflissen an.
»Das ist nicht nötig, George. Wir haben für das Abendessen eingekauft … Und keine Widerrede, … von keinem von euch beiden!« Damit machte sie dem bereits offensichtlichen Widerspruch direkt ein Ende, der sich bereits auf Georges und Tamoras Gesicht abzeichnete. »Wenn Sie bitte so gut sind und die Lebensmittel aus dem Wagen zu holen und in die Küche bringen, George. Meine Verlobte und ich möchten uns derweil frisch machen und etwas herrichten. Wir kommen dann nach unten. Ich verspreche auch, dass ich vorsichtig bin. Ich werde meinen Fuß auch hochlegen, und wenn Sie wollen, dürfen Sie ihn weitergehend versorgen.« Sie sah die beiden mit aufblitzenden Augen an und fügte scharf hinzu: »Aber ich werde auf keinen Fall, nur damit das klar ist, hier auf dem Zimmer liegen und mich bedienen lassen, wie eine Sterbenskranke, die ich in keiner Weise bin! Verstanden?!«
Tamora grinste George an. Sie wussten beide, dass Violett wieder zu alter Höchstform zurückgefunden hatte.
»Dann werde ich jetzt die Sachen aus dem Wagen holen«, entschuldigte sich George, um Violetts Anweisung nachzukommen.
Auch Tamora erhob sich. »So, dann will ich mal sehen, wie ich dich heil unter die Dusche bekomme«, meinte sie lächelnd. »Aber dazu muss ich dich erst einmal ausziehen, nicht wahr?«
»Boah! Wenn ihr beide wüsstet, was ihr mich gerade könnt …!«, vernahm George noch Violetts warnende Stimme, bevor er die Tür mit einem Schmunzeln hinter sich ins Schloss zog.
*
Nachdem George die Lebensmittel geholt und auf der großen marmornen Arbeitsfläche der Küche ausgebreitet hatte, stellte er den Wein vorsorglich in den Weinkühlschrank, um ihn auf die gewünschte Temperatur zu bringen. Er hatte gerade das Putzen, wie auch Waschen des Spinats und anschließende Abtropfen hinter sich gebracht, als er sich nähernde Schritte hörte.
»Hör endlich damit auf, mich wie eine Invalidin zu behandeln, Tammy!«, regte sich Violett lautstark über ihre, sie bemutternde Verlobte auf. »Sonst hol' ich die Gerte aus dem Auto und zeig' dir, wer von uns beiden das Sagen hat! Ich schwöre dir, danach brennt dir dein süßer Arsch tagelang, so sehr werde ich dich verdreschen!«
»Oh, jaaaa, Vio, unbedingt! Wie geil!«, spöttelte Tamora grinsend. Dann wurde sie aber gleich wieder ernst und drohte ihrerseits: »Du schaffst es doch allein gar nicht zum Wagen! Dein Fuß würde dir so schmerzen, wenn du über den Kies läufst! Willst du das wirklich? Sind es genau die Schmerzen, die du jetzt brauchst, damit du dich wieder stark fühlst?«, brachte Tamora erbost vor. »Du sollst nicht so viel laufen. Sonst hole ich George, und der trägt dich wieder! … Außerdem musst du uns nichts beweisen! Ich weiß ja, dass du dich verletzlich fühlst. Aber keiner hier im Haus, wird dir deswegen weniger Respekt zollen, wenn du dir mal helfen lässt. Und wenn du nicht gleich aufhörst, dich wie eine störrische Ziege aufzuführen, werde ich richtig böse! Hast du mich verstanden?! Denn ich kann die Gerte jederzeit mit Leichtigkeit aus dem Mustang holen!« Sie gab ihr einen heftigen, laut klatschenden Schlag mit der flachen Hand auf den Hintern, das klare Rollenverhältnis übergehend, und wohlwissend, dass sie dafür noch von ihrer Königin zur Rechenschaft gezogen würde. Damit war das Thema für sie beendet.
Gleich darauf öffnete sich die weite Schwingtür.
George wandte sich den beiden zu. »Ich habe mir bereits erlaubt den Spinat vorzubereiten, meine Damen«, erklärte er lächelnd. »Und für Sie, Miss Violett steht schon ein Stuhl bereit.« Er deutete auf das Möbel und den Hocker, den er vor die Arbeitsfläche gestellt hatte. »Wenn Sie sich also bitte setzen würden, damit ich ein Kühlpack holen und auflegen kann?«
»Danke, George«, lächelte Violett ihn an, nahm Platz, worauf er ihr keine halbe Minute später einen medizinischen Eisbeutel auf den Knöchel legte.
»So, George, dann wollen wir zusammen das Essen zubereiten.« Tamora schaute über die Zutaten und warf dann ihrer Freundin, die auf der gegenüberliegenden Seite der Kücheninsel saß einen besänftigenden Blick zu. Dann formte sie ihre Lippen zu einem Kussmund und hauchte ihr die liebevolle Geste entgegen.
Violett hatte die aufrichtige Sorge um sie in Tamoras Augen bemerkt. Sie konnte und wollte ihr deswegen nicht böse sein. Lachend fing sie den imaginären Kuss aus der Luft. »Ich liebe dich auch«, raunte sie ihr zu, worauf ihre Geliebte mädchenhaft kicherte und sich George zuwandte, der neben sie getreten war.
»Wir machen jetzt gefüllte Paprika mit Spinat und Seeteufel. Den Spinat haben Sie ja bereits vorbereitet.« Sie lächelte. »Ist es denkbar, dass ich den Fisch in ihre geschickten Hände gebe?«
George schmunzelte. »Sehr gern, Miss Tamora.«
»Gut. Der muss in mundgerechte Würfel geschnitten werden. Da ich weiß, dass Sie und seine Lordschaft passionierte Angler sind, … wer wäre dazu besser geeignet.« Sie hakte sich bei ihm kameradschaftlich für einen Moment ein. »Und ich werde die Paprikas aushöhlen.«
»So werden wir es machen, Miss Tamora«, bestätigte George und zog den Fisch zu sich heran.
»Ach, George, es wäre mir recht, wenn Sie mich schlicht Tamora nennen würden. Bitte!«, neckte sie ihn, nach altbewährtem Spiel.
»Dieser Bitte kann ich leider nicht nachkommen, Miss Tamora!«, erklärte er mit Nachdruck. Dann wusch er mit geschickten Handgriffen den Fisch und zerschnitt ihn in kleine Würfel.
»Wo ist eigentlich seine Lordschaft, George?«, intervenierte Violett.
»Er hat sich ein wenig zurückgezogen«, antwortete George. »Aber wird zum Dinner wieder pünktlich zu uns stoßen. Einige dringende geschäftliche Angelegenheiten sind uns leider bis nach Cornwall gefolgt.«
»Ach, da erinnern Sie mich an etwas.«, wandte sich Tamora an ihre Freundin, während sie die bearbeiteten Paprikas in kochendem Wasser badete. »Ich habe die Tage ein paar Mal versucht Klaas Bertus zu erreichen.«
»Ja, und?«
»Wir sollten, sobald wir wieder in London sind bei ihm vorbeischauen. Er hat von mir zwei neue Drehbücher bekommen und braucht wohl noch eins. Da scheint es im Augenblick auf Hochtouren zu laufen. Und ich habe die Mail von Sarah gelesen, die du sicher auch gesehen hast, nach der das zur Verfügung stehende Budget nicht ausgereizt wird.«
»Ist doch prima!«
»Ja, natürlich.« Sie lächelte. »Aber ich hätte da so einige Ideen, wie wir das ungenutzte Geld investieren könnten.«
»Oh nein, Tammy!« Violett hob abwehrend die Hände hoch. »Das macht mir inzwischen echt Angst, wenn du so anfängst! Reicht dir noch nicht, dass du einen eigenen BDSM-Club auf unserem Geländer errichten darfst? Fühlt dich das etwa noch nicht aus, bei all der anderen Arbeit?«
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