Die sieben Zypressen
Die sieben Zypressen
Mystery-Thriller
von
Anna-Lena & Thomas Riedel
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar
2. Auflage (überarbeitet)
Covergestaltung:
© 2019 Susann Smith & Thomas Riedel
Coverfoto :
© 2019 depositphoto.com
ImpressumCopyright: © 2019 Anna-Lena & Thomas Riedel Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de ISBN siehe letzte Seite des Buchblocks
»Ich kenne euer Tun. Ich weiß, dass ihr weder warm noch kalt seid. Wenn ihr wenigstens eins von beiden wärt!«
Offenbarung 3 : 15
Kapitel 1
M
»Mir gefällt das nicht, Lewis! Ganz und gar nicht!« rief die gertenschlanke, äußerst attraktive Blondine ihrem Arbeitgeber nach, der eilig davonhastete.
Es war bereits später Herbst und die augenblickliche Wetterlage mörderisch. Eisig kalt blies der heftige Ostwind eine immer dichter werdende Nebelbank vom nahen Nordatlantik über das die Landschaft bedeckende weite und beeindruckende schottische Hochmoor der alten Grafschaft Sutherland.
»Sie werden sich draußen noch den Tod holen, junger Mann!« brummte Doktor Mac Clesfield ihm lautstark hinterher.
»Danke für Ihren Rat«, rief Gaskell mürrisch zurück. »Sie scheinen mir nicht mal das Leben zu kennen, Doktor! Wie sollten Sie da den Tod kennen?«
Clesfield lachte geringschätzig.
Lewis Gaskell mochte den seltsamen alten Landarzt nicht, der stets eine übel riechende Scotchfahne vor sich hertrug und laufend wie ein Irrer kicherte. Es sollten die letzten Worte sein, die der kräftige Bauingenieur in seinem Leben hörte. Gaskell konnte in diesem Augenblick nicht ahnen wie Recht der Mediziner mit seiner Behauptung haben würde.
Für seinen späten nächtlichen Spaziergang gab es einen jedoch guten Grund. Gaskell ging es um seinen Assistenten Richard Cunningham. Eine Woche war es nun her, dass dieser mit einer Mappe sehr wichtiger Projektunterlagen verschwunden war – völlig spurlos – gerade so, als habe er sich im Dunst des steten Herbstnebels aufgelöst. Cunningham hatte sprichwörtlich der Erdboden verschluckt.
Gaskell zog den Gürtel seines langen alten schwarzen Ledermantels fester und stellte den Kragen hoch. Der feuchte Nebel legte sich schwer auf seine Lungen, als er die massive Holztür des heruntergekommenen › Wallace Inn ‹ hinter sich ins Schloss fallen ließ. Es war das einzige Gasthaus mit angeschlossener Pension in Tongue, einer gottverlassenen Kleinstadt in den Highlands, in deren unmittelbaren Nachbarschaft er eine Fabrik für einen ihm unbekannten Zweck bauen sollte. Kleinstadt? Für Lewis Gaskell traf es das nicht wirklich. Tongue war für ihn kaum mehr als ein Dorf. Die nächste größere Stadt lag gut vierzig Meilen entfernt.
Seine linke Hand, tief in der Manteltasche vergraben, umklammerte ein schmieriges Stück Papier.
» Kommen Sie um Mitternacht
zur Monterey-Zypressengruppe!
Dort werden Sie erfahren,
was mit Cunningham geschehen ist .«
Im Zimmer seines Assistenten hatte er eine ähnlich lautende Botschaft gefunden:
» Um Mitternacht bei den sieben Zypressen! «
Plötzlich und unvermittelt tauchten, an der mehrfach gewundenen Straße, rechts vom ihm, die windzerzausten sieben Bäume auf. Sie standen einfach inmitten des weiten Moores. Nur diese sieben Bäume und sonst keine. Kaum hatte Gaskell die Monterey-Zypressen ausgemacht, da löste sich eine hochgewachsene, recht schmale Gestalt aus den dicken Stämmen heraus.
Der Bauingenieur ließ sie auf ein paar Meter herankommen. Als er einen altmodischen langen schwarzen Umhang erkannte, holte er sein silbernes Sturmfeuerzeug hervor und knipste die Flamme an.
So mühelos und gleichmäßig, wie sich die Gestalt ihm näherte, gewann Gaskell den Eindruck als würde sie über dem weichen Boden geradezu dahinschweben.
Für den Bruchteil einer Sekunde ließ das flackernde Licht unter der weiten Kapuze das Gesicht des Fremden erkennen.
Lewis Gaskell stockte der Atem. Ihm gefror das Blut in den Adern. Was er da sah konnte nicht sein. So etwas gab es nicht! Nicht im 21. Jahrhundert und schon gar nicht hier in Schottland.
Es war eine bleiche, kantige und vernarbte Fratze, die von einem Paar Zähne beherrscht wurde, das jedem Säbelzahntiger Ehre gemacht hätte.
Durch die Kehle des Bauingenieurs bahnte sich ein gurgelnder Schreckenslaut seinen Weg. Ungläubig und völlig starr vor Entsetzen sah er in die dunklen blutunterlaufenen toten und weit aufgerissenen Augen der unheimlichen Gestalt, die sich ihm weiterhin lautlos näherte. Hände mit langen, krallenähnlichen Fingern, die gefährlichen Klauen ähnelten, streckten sich ihm entgegen. Die langen spitz zulaufenden Fingernägel erinnerten ihn an aufgepflanzte Bajonette an Gewehrläufen.
Er hatte den gespenstischen Anblick noch nicht verarbeitet, da spürte der Bauingenieur auch schon den eisigen Atem des anderen an seiner Wange. Lewis Gaskell erschauderte bei der Berührung der kalten, feuchten Hände, von denen noch das Wasser tropfte. Auch der schwarze Umhang der Kreatur war klamm.
All das sah und nahm er wahr mit jener brillanten Schärfe und Klarheit, von der man sich erzählt, dass diese das Letzte sei, was einige Menschen kurz vor ihrem Tod erfahren würden.
Voller Entsetzen schrie er auf.
Lewis Gaskells greller Schrei war noch nicht ganz verhallt, da legte sich auch schon etwas Weiches, süßlich Duftendes über ihn, das ihn völlig seiner Sinne beraubte. Und vermutlich war es das Beste, das ihm in seiner Lage noch widerfahren konnte.
Kapitel 2
P
atrick MacDougall schimpfte wie es ein Rohrspatz nicht besser hätte machen können. Er verfluchte Gott und die ganze Welt, vor allem aber verteufelte er die gesamte Automobilindustrie. Erst machte ihm der immer dichter werdende Küstennebel zu schaffen, so dass er kaum noch einen Yard von der Stelle kam und dann zerbarst unter der Fahrgastzelle irgendetwas mit einem widerlichen Geräusch. Augenblicklich stand sein alter roter Mini Cooper wie einzementiert. Und als wenn all das nicht schon genug war, es passierte auch noch auf dieser gottverlassenen Landstraße, auf die er sich verfahren hatte. Doch er hatte ja nicht hören wollen, als sein bester Freund Ken, der auch gleichzeitig der Mechaniker seines Vertrauens war, ihm geraten hatte sich endlich von Mary-Ann, wie er seinen Mini liebevoll nannte, zu trennen. Aber MacDougall hing einfach an dem kleinen Wagen.
Der Handelsvertreter hatte nicht die geringste Lust, sich auf der Suche nach einer Ansiedlung obendrein auch noch im Moor zu verlaufen und bereitete sich auf das vermeintlich kleinere Übel vor. Verärgert über die Panne klappte er den Fahrersitz soweit es ging zurück und wickelte sich in seinen rostbraunen gefütterten Mantel. Bei Tagesanbruch würde er weitersehen, dann wäre auch der gespenstische Nebel verflogen.
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