Hans Müller-Jüngst - Priese

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Priese ist zunächst seines Lebens überdrüssig und flieht eines Tages vor seinem Alltag nach Hamburg an die Landungsbrücken. Dort wird er wie in Trance in 50 Lebensfelder geführt, um Ausschau nach dem Sinn des Lebens zu halten. Am Ende fidet er sich anexakt der gleichen Stelle in Hamburg wieder und ist geläutert.

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Hochzeit

Priese landete auf einer Hochzeitsfeier, und er hatte keine Erklärung dafür, klar war nur, dass er den anwesenden Hochzeitsgästen und dem Hochzeitspaar plausibel machen musste, wer er war, und was er auf der Hochzeit wollte. Es fiel ihm auf die Schnelle nichts anderes ein, als zu sagen:

„Guten Tag, mein Name ist Priese, und ich bin Autor eines Buches über Hochzeitsbräuche, ich möchte Sie bitten, mich die Hochzeit begleiten und Notizen machen zu lassen.“ Die ganze Gesellschaft befand sich noch vor der eigentlichen Zeremonie bei den Brauteltern und saß bei einer Tasse Kaffee zusammen, bevor es in die Kirche gehen sollte, die standesamtliche Trauung ist am Vortag schon vollzogen worden. Die Brautleute kamen zu Priese und der Bräutigam sagte:

„Natürlich dürfen Sie bei unserer Hochzeit dabei sein und sich Notizen machen, Herr Priese, meine zukünftige Frau und ich haben nichts dagegen, sie können wie jeder andere Gast auch am Essen teilnehmen!“ Priese fiel ein Stein vom Herzen, als er das hörte, schließlich war er als Wildfremder einfach auf der Hochzeit erschienen, ohne eingeladen worden zu sein oder jemanden zu kennen. Der Name der Braut war Brigitte Schmidt-Mehnert, der des Bräutigams Harald Mehnert, Familienname war Mahnert. Die Namensangelegenheiten waren schon auf dem Standesamt geklärt worden. Haralds Eltern hatten schon die Nasen gerümpft, als sie gehört hatten, dass Brigitte ihren Familiennamen behalten wollte, gaben sich dann aber damit zufrieden, schließlich waren Doppelnamen sehr verbreitet. Immerhin würde der Familienname Mehnert lauten, sodass die Kinder Mehnert hießen. Priese schrieb sich die Namne auf und bedankte sich bei Harald für die freundliche Einladung.

Er ging zu jedem einzelnen Gast und stellte sich vor, die Gäste waren alle durchweg sehr nett zu ihm. Brigitte kam und schenkte ihm einen Kaffee ein:

„Möchten Sie auch ein Stückchen Kuchen essen?“, fragte sie ihn.

„Nein, vielen Dank, vielleicht nachher nach der Trauung“ , antwortete Priese. Die Gäste machten sich allmählich alle fertig, um in die Kirche zu fahren. Harald trug einen dunkelblauen Anzug und Brigitte ein weißes Brautkleid, aber ohne Schleppe, sodass sie beweglich war. Brigitte war im 4. Monat schwanger, wie Priese von ihrer Mutter erfuhr, man konnte an ihr aber noch keinen Schwangerschaftsbauch erkennen. Niemand kannte das Geschlecht des Kindes, sodass sie mit einem Namen noch nicht so weit waren. Wohl hatten sie schon überlegt, ein Mädchen Sophia und eine Jungen Benno zu nennen, aber das änderte sich ja vielleicht noch. Als alle soweit angezogen waren, gingen sie vor die Tür zu ihren Autos, setzten sich hinein und fuhren gemächlich zur Kirche, Priese durfte bei den Brautleuten mitfahren.

„Sind Sie auch verheiratet?“, fragte Brigitte Priese und der antwortete:

„Ja, schon seit 20 Jahren“, und er überlegte zurück, wie er damals mit Emily in der Kirche getraut worden war, und ob sie auch so viele Gäste gehabt hatten. Er musste zugeben, dass bei ihnen nicht ganz so viele Gäste gewesen waren wie bei Brigitte und Harald, aber sie waren auch viele. Schwanger war Emily aber auch noch nicht bei ihrer Trauung, mit ihren Kindern hatten sie sich noch Zeit gelassen. Sie parkten alle vor der Kirche und gingen in den Andachtsraum, Priese löste sich vom Brautpaar und hielt sich in der Kirche hinten auf.

Es war eine evangelische Kirche, die recht schlicht ausgestattet war, und Brigitte und Harald gingen sehr langsamen Schrittes zusammen mit ihren Eltern bis nach vorn, wo sie sich in die erste Reihe setzten, Als alle saßen, war die Kirche vielleicht halb gefüllt, der Organist begann zu spielen und der Pfarrer erschien. Er kam hinten aus der Sakristei und durchschritt den Andachtsraum ganz verhalten, und als er auf dem Altar stand und sich zu den Hochzeitsgästen wandte, standen alle auf und der Pfarrer sprach seinen Segen. Eine leichte Unruhe befiel Brigitte und Harald, sie begannen mit ihren Händen zu nesteln und warteten darauf, dass der Pfarrer sie nach vorne bat. Frau Schmidt richtete Brigitte ein letztes Mal das weiße Hochzeitskleid, als sie schon stand, denn der Pfarrer hatte Harald und sie aufgerufen und nach vorne gebeten. Er fragte Brigitte:

„Brigitte, willst Du Harald, den Gott Dir anvertraut hat, als Deinen Ehemann lieben und ehren und die Ehe mit ihm und Gottes Gebot und Verheißung führen in guten wie in bösen Tagen, bis der Tod Euch scheidet, so antworte: Ja, mit Gottes Hilfe!“ Und Brigitte gab ein kräftiges aber nicht zu lauten „Ja“ von sich. Die gleiche Frage stellte der Pfarrer Harald, und auch er antwortete deutlich vernehmbar mit „Ja“. Die Eheleute küssten sich und steckten sich gegenseitig den Ring auf den Ringfinger, sie erhielten den Segen des Pfarrers und waren von da an auch nach kirchlichem Recht Eheleute. Die Hochzeitsgäste sangen noch 1,2 Lieder und hörten der Predigt des Pfarrers zu, sie beteten gemeinsam das Vaterunser und gingen wieder vor die Kirchentür. Dort gratulierten alle dem Hochzeitspaar und Brigitte und Harald mussten sich in allen möglichen Positionen aufstellen, mal mit, mal ohne Eltern und Trauzeugen, und der Bruder von Harald fotografierte sie. Während des Gottesdienstes hatte er die Zeremonie mit dem Einverständnis des Pfarrers gefilmt, und er wollte den Film später auf der Feier zeigen. Brigitte und Harald gingen Hand in Hand zum Auto, stiegen ein und wurden zum Restaurant gefahren, das sie für diesen Tag gemietet hatten. Als sie dort angekommen waren, ging Priese zu ihnen und sagte:

„Ich gratulieren Ihnen von ganzem Herzen zu Ihrer Vermählung, alles Gute für Ihre gemeinsame Zukunft!“ Er würde versuchen, während der Feier, die mit dem Essen einsetzen würde, von den Gästen mehr über die Eheleute zu erfahren und setzte sich unauffällig und ein Stück von den Eheleuten entfernt an den Tisch. Als sich alle gesetzt hatten, kam die Restaurantbedienung und fragte nach den Getränken, Priese bestellte sich eine Apfelschorle. Kurz darauf wurde eine Rindfleischsuppe gereicht, die sehr gehaltvoll war. Nach der Vorspeise sollte es Lammsteaks mit Kartoffeln und grünen Bohnen geben, und wer kein Lamm mochte, konnte auf Rinderbraten ausweichen. Priese erhielt ein zartrosa und saftiges Lammsteak, in das er von Herzen biss, das Essen war ausgezeichnet. Es gab vereinzelt ein paar Gäste, die Rinderbraten genommen hatten, sonst waren alle mit ihrem Lammsteak zufrieden. Zum Nachtisch gab es Creme Bavarois und Espresso. Danach standen einige Besucher auf und gingen zum Rauchen vor die Tür, denn das Rauchen war im Lokal natürlich nicht erlaubt. Die Großväter von Brigitte und Harald und 2,3 andere Alte rauchten jeweils eine dicke Zigarre. Priese wandte sich an seine Sitznachbarin und fragte sie:

„In welcher Beziehung stehen sie zu den Eheleuten?“ und die Angesprochene entgegnete:

„Ich bin Brigittes Schwester Monika, auch wenn wir uns nicht sehr ähnlich sehen, so sind wir doch Geschwister!“

„Dann können Sie mir ja erzählen, wie sich die beiden kennengelernt haben“, sagte Priese.

„Soweit wie ich weiß, haben sich die beiden damals an ihrer Uni kennengelernt, das ist jetzt vielleicht 8 Jahre her, Brigitte hat auf Lehramt für das Gymnasium Deutsch und Englisch studiert und vor 3 Jahren ihr Referndariat abgeschlossen, und Harald hat Jura studiert, er ist seit 3 Jahren fertig und hat eine Anwaltskanzlei. Fragen Sie ruhig alles, was Sie wissen wollen, ich antworte, wenn ich kann!“, sagte Monika.

„Sind Sie eigentlich älter oder jünger als Brigitte?“, fragte Priese und Monika antwortete:

„Ich bin 2 Jahre älter, aber ich freue mich, dass Sie das nicht sehen!“

„Helfen Sie eigentlich bei der Namenssuche für das Kind mit?“, fragte Priese und Monika erwiderte:

„Sophia und Benno sind beide auf meinem Mist gewachsen, wenn sich Brigitte und Harald umentscheiden, sollen sie das tun, ich finde die Namen aber toll!“ Schon bald nach dem Essen wurde ein Kuchenbuffet aufgebaut, und es gab Kaffee und Tee. Zum Kuchenbuffet gehörten mächtige Torten und Obstböden, in einem Spender neben dem Kuchen gab es Sahne und jeder konnte sich bedienen. Priese ging mit Monika zum Kuchen, sie nahm sich ein Stück Erdbeertorte und einen ordentlichen Schlag Sahne dazu, er bevorzugte ein Stück Schokoladen-Sahne-Torte. Zu vorgerückter Stunden nahm der Bruder von Harald seine DigiCam und schloss sie mit einem HDMI-Kabel an einen Fernseher an, der aus einem Nebenraum herbeigeschafft worden war. Jeder, der wollte, konnte den Film sehen, den er in der Kirche aufgenommen hatte, und er zeigte auch Fotos von vor dem Kirchengebäude. Als neben Brigitte ein Platz freigeworden war, setzte sich Priese darauf und fragte sie:

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