„Hallo Liebster, Guten Morgen.“ „Mein Liebster, Hallo. Wie geht es dir?“
Wir küssen uns auf den Mund, während wir uns umarmen und einer den anderen in Liebe festhält. „Ach, ich bin so froh, dass du jetzt da bist.
Ich freue mich, dass wir heute zusammen ins Jobcenter gehen.“
„Ich freue mich auch. Bestimmt finden wir endlich die richtigen Jobs für uns.“
Also, wir fahren mit dem Bus und mit der U-Bahn zum Jobcenter. Dort
sehen wir, dass die Eingangstüre aus Glas in tausende von Splittern zerschlagen ist. Etwas befremdend erscheint es uns, dass hier bereits am
Eingang und überall drinnen auch uniformierte Wachtposten stehen. Dennoch freuen wir uns über den heutigen Begrüßungscocktail, der aber
leider nur eine braune Molke mit angeblichen Schokoladen-Aroma ist, die uns beiden so vorkommt als wäre es das Abspülwasser von gestern.
Und statt der Bratwürste gibt es heute braunen Haferbrei in Malz-Sirup mit oben drauf ein paar Holunderbeeren.
Wir schlendern herum. Vor manchen Jobläden haben wir uns sogar lange in die Warteschlangen gestellt bis wir endlich zu den begehrten
Jobs kamen, die dann aber immer schon vergeben waren. Die Jobverkäu- fer haben dann gesagt, dass wir als Trost eine Banane haben können,
wenn wir eine wollen. Wir wollten dann auch schon keine Banane mehr und haben dankend abgelehnt.
Das Jobcenter ist riesengroß und hat so viele Etagen, dass wir es gar nicht mehr überblicken. Wir suchen und suchen. Alle Jobs schauen wir uns an.
Auch die vielen 1-Euro-Jobs haben wir durchgewühlt. Wir haben aber leider noch immer keinen gefunden, der uns passen würde. Wir haben
schon so viele probiert. Langsam werden wir jetzt müde und wir können bald nicht mehr.
„Sag mal!“ sage ich zu meinem Verlobten. „Was ist denn da los? Letztens war es noch ganz anders. Ich kam mir vor wie im Jobparadies. Es gab so
viele Jobs. Und die haben mich fast alle so angesprochen. Ich hätte beinahe jeden gerne gemacht. Und heute spricht mich überhaupt keiner
mehr an. Wenn ich mal einen finde und ihn anprobiere, dann passt er mir doch wieder nicht.
Schön langsam gebe ich es auf. Was meinst du?“ „Die guten Jobs sind jetzt alle schon vergeben.“, sagt mein Verlobter. „Wir sind zu spät.“
Da kommt ein Jobcenter-Angestellter auf uns zu und sagt: „Haben die beiden jungen schwulen Herren keinen Job gefunden?“ „Nein.“ sagen wir beide gleichzeitig. „Es ist keiner mehr da für uns.“ Ich ergänze: „Wir haben es aufgegeben, dass wir noch den richtigen Job für uns finden werden.
Wir können nicht mehr. Wir sind furchtbar müde. Und wir sind mit den
Nerven fertig.“
„Dann müssen Sie den Lift da hinten nehmen. Sehen Sie ihn? Den Lift mit der schwarze Türe. Sie brauchen nur auf den Knopf drücken. Der
Lift kommt. Sie brauchen nur einsteigen. Die Türe geht dann von selber
zu und der Lift bringt Sie automatisch da hin wo sie hingehören. Den
Rest wird man Ihnen dort erklären. Alles Gute wünsche ich Ihnen.“
„Gut. Danke.“ sagen wir und gehen zu dem Lift mit der schwarzen Türe. Als wir vor dieser Türe stehen, sehen wir, dass ein Totenkopf auf sie
drauf gemalt ist.
Mein Verlobter sagt: „Was meinst du? Sollen wir da wirklich hineingehen in diesen Lift? Glaubst Du, dass das noch einen Sinn hat?“ „Doch ja.“
sage ich. „Schatz, wir versuchen alles. Den Versuch ist es immer wert. Ich
bin auch neugierig. Ich will wissen wo uns dieser Lift hinbringt und wie man uns dort weiterhilft.“ „Also gut.“ sagt er und fügt hinzu: „Aber
warum ist hier dieser Totenkopf?“
„Ach, Schatz, das ist doch nur ein Spaß von denen.“ sage ich. „Na ja. Mal schauen.“ sagt er.
Wir drücken auf den Knopf. Der Lift kommt. Die schwarze Tür geht auf.
Wir gehen hinein.
Die schwarze Tür geht wieder zu. Jetzt stellen wir fest, dass in diesem Lift innen überhaupt keine Knöpfe sind. Der Lift startet automatisch und wir
spüren dass er nach unten fährt. Er fährt sehr lange nach unten, so als
wolle er bis in das Erdinnere fahren. Er hört nicht mehr auf. Der Lift fährt und fährt nach unten. Wir fahren jetzt schon fünf Minuten lang
nach unten.
Wir beide bekommen schön langsam Panik und ich sage zu meinem
Liebsten neben mir: „Sag mal! Wo bringt uns dieser Lift hin? Warum hört er nicht mehr auf? Wie weit geht es denn da noch runter? Es kommt
mir ja schon beinahe so vor als ob er uns gleich in die Hölle runter fährt. Was hat uns denn dieser Mann erzählt?“
„Ehrlich, ich bekomme jetzt auch Angst.“ sagt mein Verlobter. Da bleibt der Lift plötzlich stehen und seine schwarze Tür geht wieder auf. Wir
kommen in einen überdimensional großen Saal mit weißem Mar- morboden und ohne Fenster, jedoch mit heller elektrischer Beleuchtung.
Dieser ungeheuer geräumige Saal ist ganz klar achtkantig, mit hohen
Betonwänden, die in einem gräulichen Ton gehalten sind. Und die Decke mit ihrer unbeschreiblich großen Fläche ist aus blitzendem Stahl. Die Beleuchtung kommt auch von da oben. Alles wirkt ganz modern und sauber.
Wenn man genau hinsieht, dann erkennt man, dass da sogar auch Duschköpfe befestigt sind, da oben an der Decke. Daher sage ich zu meinem Verlobten: „Siehst du die Duschköpfe da oben an der Decke? Für was haben sie denn Duschköpfe da oben in so einem Saal? Hast du so etwas schon mal gesehen?“ „Nein. Ich weiß es auch nicht.“ antwortet er mir. „Keine Ahnung.“
„Vielleicht kann man hier tanzen und dann kommt von da oben die
Musik?“ frage ich ihn.
„Keine Ahnung.“ sagt er nochmal.
Auf der rechten Seite steht am Ende dieses riesengroßen Saals ein kleiner
Mann in einem schwarzen, eleganten Anzug, mit weißem Hemd und mit schwarzer Krawatte und mit glänzenden schwarzen Lackschuhen. Seine
Haare sind mit Haarpomade ganz streng nach hinten frisiert.
Sein Gesicht ist aber so ein Allerwelts-Gesicht, das man kaum von einem runden Sitzkissen unterscheiden kann. Vor ihm steht eine ganz, ganz
lange Schlange Menschen die bis an das ganz linke Ende des Saals geht.
Diese Menschenschlange ist so kunterbunt wie beim Karneval. Und man muss sich fragen, was die hier in diesem schrecklich kalt wirkenden Saal
machen. „Warum sind wir jetzt hier? Und warum sind die hier alle da, diese unterschiedlichen Menschen?“ fragt mich mein Verlobter.
„Keine Ahnung.“ sage jetzt ich, „Komm! Wir müssen uns hinten anstel- len.“ „Und warten und warten und warten und warten und warten und
warten...“ sagt er. „Ja. Ein bisschen Geduld muss man schon haben.“ sage ich.
Wir schauen uns beide diese verschiedenartigsten Menschen an und bewundern sie. Da sehen wir die interessantesten Typen. Wir sehen
Punks. Wir sehen Hippies. Wir sehen Spießer. Wir sehen junge und alte. Wir sehen Frauen und Männer. Wir sehen welche mit langen Haaren
und welche mit kurzen. Wir sehen Blondinen und wir sehen Grauhaari- ge. Auch Menschen mit roten, grünen und blauen Haaren. Ach, wir
können heute so viele eigenartige Menschen sehen. Das gefällt uns. Wir mögen sie auch alle irgendwie.
Wir sehen große und kleine Menschen. Wir sehen Mütter mit Kindern. Wir sehen Menschen mit verschiedenen Hautfarben, auch blaue und
gelbe. Manche haben ein rosarotes Gesicht. Manche wirken grünlich. Und wir sehen Männer mit Bart und welche ohne Bart. Ach, alles mögli-
che, was es an Menschen gibt, sehen wir. Manche haben eine Tasche dabei und manche keine.
Und wir vertreiben uns damit die Zeit, diese Menschen anzuschauen, sie sympathisch oder unsympathisch zu finden, sie zu bewundern und uns
über sie zu amüsieren. Wir unterhalten uns flüsternd nebenbei ein bisschen, bis ich schließlich vor diesem kleinen schwarz gekleideten
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