Alois Theodor Sonnleitner - Dr. Robin-Sohn

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Unerwartet begnet Kajetan Lorent – der Held von Sonnleitners Koja-Reihe – im Laboratorium des Apothekers Weißwasser seinem alten Schulfreund Robin wieder, bekannt aus dem Band «Kojas Waldläuferzeit». Damals, in Melk, war Robin «wegen der dummen Seerosengeschichte» der Schule verwiesen worden. Trotzdem hat er eisern an seinem Traum festgehalten, Schiffsarzt und «polynesischer Inselkönig» zu werden, und steht in seinem Medizinstudium nun kurz vor dem Physikum. Noch am gleichen Tag kommt es im Laboratorium jedoch zu einem Unfall, der einen Finger Robins lähmt – Robin wird als zum Kriegsdienst Untauglicher eingestuft und kann seine Hoffnung, später als Arzt der Kriegsmarine zu dienen, begraben. Stattdessen möchte er sich für die Menschheit nützlich machen und zieht, endlich Arzt geworden, durch das Vorbild Albert Schweitzers inspiriert, in ferne Länder, um den Armen dort medizinische Versorgung zukommen zu lassen. Die Schilderungen seiner Abenteuer auf See und in verschiedenen Ländern der Welt nehmen den Hauptteil des Romans ein. Auf der kleinen Liparischen Insel Filicudi wird er schließlich als Opfer einer Intrige allein ausgesetzt und muss nun ein entbehrungsreiches Leben als «Robin-Sohn» beginnen … Die gesamte Zeit seiner Abenteuerfahrten über bleibt er mit dem daheimgebliebenen Freund Koja in Kontakt und sie schreiben sich aufschlussreiche Briefe über ihr jeweiliges Leben. – Ein wunderbarer, liebenswürdiger, zugleich lehrreicher, unterhaltsamer und spannender Roman für Jung und Alt, wie ihn nur ein A. Th. Sonnleitner zu schreiben vermag!-

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Alois Theodor Sonnleitner

Dr. Robin-Sohn

Jungen und Alten erzählt

Mit 59 Bildern von

Professor Fritz Jaeger

Saga

Dr. Robin-Sohn

© 1929 Alois Theodor Sonnleitner

Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

All rights reserved

ISBN: 9788711570098

1. Ebook-Auflage, 2017

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com– a part of Egmont, www.egmont.com

Doktor Robin-Sohn

Ein Jugendtraum von Wundern ferner Zonen,

Noch in des Mannes Seele tief bewahrt,

Gab Zuversicht und Dauer seinem Willen

Auf zielgetreuer, vielbewegter Fahrt.

Wohl anders war des Jugendtraums Erfüllung,

Als er geahnt in seiner Knabenzeit;

Nicht ärmer, nein, viel reicher und viel tiefer

Und wunderbar von eitlem Wahn befreit.

So mancher der Gefährten seines Werdens,

Der unentwegt nach eignem Ziel gestrebt,

Hat seines früh erkannten Wertgedankens

Verwirklichung in Schaffenslust erlebt.

Verschieden sind die Wege und die Gaben,

Doch eines gilt für alle Menschen gleich:

Wer andern Werte bringt, der erntet Liebe,

Im Masse, als er spendet, ist er reich.

Perchtoldsdorf, Haus „Auf der Sonnleiten“, Juli 1928

Dr. A. Th. Sonnleitner

Magister Robin

Der Apotheker Weisswasser geleitete den jungen Landlehrer Kajetan Lorent durch die dämmerige Materialkammer und öffnete ihm die Türe zum Laboratorium.

„Servus, Koja!“ scholl es dem Ankömmling entgegen, und vom Destillierherd kam ein fröhlicher Bursch auf ihn zu, in dem er den Robin-Sohn von einst kaum erkannte. Aus dem gedrungenen Melker Studentlein von einst war ein hagerer, über mittelgrosser Mann geworden, das schwarze geringelte Haar war kürzer gehalten als einst; das Gesicht war länger geworden und bot einen durchgeistigten, etwas nervösen Ausdruck; das Wangenrot war einem eintönigen Braun gewichen, das durch kurze Bartstoppeln und ein russfarbenes Schnurrbärtchen noch dunkler wirkte. Die Schwarzkirschen-Augen glänzten lebhafter, die gesund roten Lippen waren wulstiger als einst.

Der Apotheker liess die jungen Leute allein. Koja beeilte sich, den Freund zur bestandenen Magisterprüfung zu beglückwünschen; der legte ein Buch weg, in dem er gelesen hatte, drückte Koja auf den Sessel beim Destillierherd und pflanzte sich vor ihm auf: „Was? — Da schaust?“, fragte er mit unverkennbarem Selbstbewusstsein. „Damals, als mir die Melker Herren wegen der dummen Seerosengeschichte das Consilium abeundi 1) gegeben haben, hast du vielleicht gedacht, mit meinem Plan, Schiffsarzt zu werden und polynesischer Inselkönig, wär’s aus. — Und als du mir später in Wien begegnet bist, wie ich als Schlosserlehrbub vor ein Wagerl mit Eisenbändern gespannt war, magst du mich bedauert haben.“

„Ich weiss ja doch, dass du selbständig weiterstudiert hast“, wendete Koja ein, „trotz der Plag’ im Gewerb. Da hab’ ich mir schon gedacht, dass du es zu was bringst; aber du wolltest doch maturieren und Medizin studieren?“

„Hab auch maturiert so nebenbei, hab einen Schnellsiederkurs 2) gemacht und bin auf dem Weg, Arzt zu werden. Im Wintersemester war ich noch ausserordentlicher Hörer der Medizin gewesen, jetzt nach der Matura bin ich ordentlicher geworden und stehe im zweiten Semester; im Juli mach ich mein Physikum; das ist für mich leichter als für einen andern; Botanik, Mineralogie, Chemie hab ich schon als Pharmazeut studiert, jetzt brauch ich nur die allgemeine Biologie 3) nachzutragen.“

Koja riss in heller Verwunderung die Augen auf. Robin fuhr fort:

„Als ich die Prüfung über die Quarta hatte, starb meine Mutter. Da musst’ ich trachten, wo unterzuschlüpfen. Ich wollte mein Brot haben und dabei etwas treiben, das mich nicht weit abbrachte vom künftigen Beruf des Mediziners. So bin ich Praktikant geworden da in der Apotheke 4) beim Weisswasser. Ein Glück, dass ich grad zu dem gekommen bin. Hast du dir ihn gut angesehen?“ — „Du meinst den dicklichen, blonden Herrn?“ — „Ja, den; die leibgewordene Gefälligkeit; wenn der merkt, dass einen was druckt, fühlt er sich so unbehaglich, dass er helfen muss; sonst wird ihm selber nicht wohl. Ich hab dem Weisswasser nicht nur meine Zeugnisse vorgelegt vom Gymnasium und von der Maschinistenschule in Pola, sondern auch die Grabnummern von Vater und Mutter und hab ihm gesagt, dass ich Pharmazeut werden wollt, um mein Brot zu haben, wenn ich Medizin studier’. Da hat er sich flüsternd mit seinem Provisor beraten, dem Herrn von Eisank. Ich hab nur die Worte gehört: „Der Josef, nämlich der alte Laborant 5), hat Plattfüss’, der kann die Hilf’ brauchen.“ — Dann hat er mir die Hand gereicht: „Sie können morgen um 7 Uhr antreten. Sie werden schon zugreifen auch bei der schweren Arbeit; erleichtern Sie unserem braven Laboranten den Dienst, da tun Sie was Gutes.“ — Dann aber kam ihm ein Bedenken: Er zog sein Notizbuch heraus und rechnete: „Wie wird es mit der Wohnung und Verköstigung sein? — Der jetzige Praktikant, ihr Kollege, ist der Sohn eines reichen Serben. Er verköstigt sich selbst, hat seine eigene Wohnung und zahlt mir fürs Praktizierendürfen 360 Gulden jährlich. — Bei Ihnen wird das anders sein müssen: Schlafen werden Sie auf dem Diwan im Nachtdienstzimmer hinterm Laboratorium, und als Kostgeld geb’ ich Ihnen alles in allem für’n Anfang acht Gulden monatlich. Sie müssen halt mit Milch und Brot vorlieb nehmen zum Frühstück wie zum Abendmahl; und zu Mittag müssen Sie in die Volkskuchel geh’n; um zwei Kreuzer Gemüs’, um zwei Kreuzer Brot. Da bleibt Ihnen noch was auf Salzstangeln zur Jause. Später, wenn ich sehe, dass ich an Ihnen eine gute Kraft hab, leg’ ich Ihnen was zu; d. h. ich sorge auch für Ihre Kleider, für die Wäsche und die Schuhe.“

„Mensch! Koja! Hast du eine Idee, wie gern ich den Weisswasser hab? Nur um fünf Jahr älter als ich, hat er für mich gesorgt wie ein Vater. Aber auch der Herr von Eisank, den du im Laden gesehen hast, ist ein guter Mensch. Wie der gemerkt hat, dass ich nicht erst wart, bis mir eine Arbeit geschafft wird, und wie er erfahren hat, dass ich keinen anderen Ausgang beanspruch, als in der Frühe, so zwischen fünf und sieben, draussen im menschenleeren Rudolfspark herumzugehen und dabei zu studieren, hat er mich seinem Bruder vorgestellt, der Gymnasial-Direktor ist. Und der hat mir nicht bloss Bücher geborgt, soviel ich gebraucht hab, er hat auch dafür gesorgt, dass ich bei den Prüfungen menschlich behandelt worden bin.“

„Da hast du Glück gehabt!“ warf Koja ein, dem es bei aller Teilnahme am Schicksal des Gefährten soeben durch den Kopf gefahren war, ob Robin auch an den Pantherschädel denken werde, den er ihm als Weihnachtsgeschenk versprochen hatte, oder nur immerfort von sich erzählen. — „Was, Glück?!“ ereiferte sich der Magister. „Was die Leute Glück nennen, gibt’s überhaupt nicht, ich mein so etwas wie ein Zauber oder ein Wesen, das einem unverdienterweise hilft. Es kann ja vorkommen, dass eine blinde Henn’ ein Körndl findet oder ein dummer Kerl in der Lotterie gewinnt. Aber auf so was ist kein Verlass. Hennen mit guten Augen finden sicher mehr Körner als die blinden, und ein fleissiger Arbeiter, der rechnen kann, gewinnt sicherer als ein Lotteriespieler. Am ehesten hat noch der Lateiner recht mit seinem Spruch: ‚Fortes fortuna adjuvat!‘ (Die Glücksgöttin hilft den Tapfern!); nur muss man sich’s in denkrichtiges Deutsch übersetzen. Wer alle Kraft ans Ziel setzt, der erlangt’s. Immer daran denken, was man anstrebt, jede Gelegenheit dafür ausnützen, das ist’s, womit man selber das Glück macht.“

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