1 ...8 9 10 12 13 14 ...24 Aber das hatte ich Ihnen doch am Anfang alles gezeigt. Wissen Sie das
nicht mehr? Jetzt musste ich extra wegen Ihnen da rüber gehen.“ Ich wusste nur, dass ich so einen Hebel noch nie gesehen hatte und dass sie
mir einen solchen Hebel auch noch nie gezeigt hatte.
Diese Frau Bereit war ein typischer Fall von Inzucht. Sie kam aus einem
Dorf von einer deutschen Insel in der Ostsee. So hatte sie es mir selber erzählt. Und alles weitere was sie erzählt hatte, machte es einem deutlich
klar, dass man sich seit Jahrhunderten auf dieser Insel nur mit Inselmit- bewohnern gepaart hatte, die schon ebenso lange dort wohnten. Kam
mal ein Seeräuber vorbei, dann konnte man sich doch nicht mit ihm einlassen, wenn man eine saubere und anständige Dearn bleiben wollte.
Auch wenn gerade dieser schöne männliche Seeräuber sämtliche eroti- schen Gefühle in Wallung gebracht hat.
Schon die Bewohner des anderen Dorfes waren Fremde. Das war gerade noch auszuhalten, denn immerhin wohnten sie ja auf der selben Insel
und man sah sich ziemlich häufig. Doch die anderen Deutschen vom
Festland, das waren genauso Fremde als ob sie Ausländer sind. Noch dazu, wenn sie aus Süd-Deutschland kamen. Von solchen anderen
Menschen will man eigentlich gar nichts wissen, geschweige denn, sich
auch noch mit ihnen verpaaren.
Nein, man blieb immer gerne unter sich. Die Mädels und die Jungs vom selben Dorfe konnten gut miteinander feiern. Und sie konnten sich auch
gut wieder vermehren, damit das Dorf nicht ausgestorben ist. Aber dafür
hat man keinen Sex gebraucht. In so einem Dorf braucht man doch
keinen Sex. Noch nie. Sex ist unanständig. Für die Fortpflanzung braucht man keinen Sex.
Der Pfarrer predigt jeden Sonntag in der Kirche, dass Sex eine Sünde ist. Und recht hat er. So sagt man es im ganzen Dorf. Das Zeugen von
Kindern ist nur ein Akt der Besamung. Er wird hinein gesteckt und der
Samen wird hinein gespritzt. Das war´s dann auch schon. Der Stier macht es eben genau so, wenn er auf die Kuh hinauf getrieben wird. Der
Zucht-Unternehmer liefert den Stier in einem Wagen an, der dann auf
die Kuh hinauf getrieben wird, wenn man ein Kalb bekommen will. Das geht dann alles ganz schnell und reibungslos. Das hat doch nichts mit
Sex zu tun. Und bei den Menschen geht es genauso harmlos vor sich. Da braucht man doch keinen Sex für so was.
Man kann sich natürlich ohne Sex lieben. Ja, vielleicht eben gerade ohne
Sex.
Das ist wahre Liebe. Das verstehen Fremde nicht. Deshalb lässt man sich mit ihnen besser nicht ein. Sie sollen dort bleiben wo sie herkommen.
Wir, wir bleiben gerne unter uns. Wir brauchen keine Fremden. Und vor allem brauchen wir keinen Sex.
So waren die Gespräche von Frau Bereit und Herrn Schlechter mittags in der Kantine, wo mir dann immer ganz schlecht geworden ist.
Jetzt, als mich Frau Bereit endlich so zur Schnecke machen konnte, wo sie mich Ausländer so richtig runter putzen konnte, sich gleichzeitig so
sehr über mich erheben konnte, weil ich diesen Hebel da im Kaffeeau- tomat nicht kannte, den sie mir noch nie gezeigt hatte, da wurde mir
schon wieder so schlecht wegen ihrem bösen Blick und wegen ihren
Hasenzähnen. „Ich bin deutscher Ausländer in Deutschland, aber sie hat
Hasenzähne. Sie sieht aus wie ein Tier.“ denke ich.
„Am liebsten will ich sie nicht mehr sehen.“
Da kam Herr Schlechter heran und hat spöttisch mit dem Kinn so nach mir hin gebissen, als ob mich ein Hund anbellen will. In diesem Augen-
blick war mir nur noch alles Wurst, denn ich kam mir vor wie eine
Wurst die gleich von einem Hund gefressen werden will. Und dann habe ich zu diesen beiden Nachtgestalten gesagt: „Ihr seid ja wirklich nicht
ganz koscher.“
Herr Schlechter sagte dann: „Und Sie sind jetzt zum 30. April gekündigt. So ist es mit der Frist. Weil vorher haben Sie ja noch Urlaub. Das be-
kommen Sie gleich schriftlich. Sie brauchen also morgen schon nicht mehr kommen.“
„Oh, Dankeschön. Da freue ich mich.“ habe ich darauf geantwortet.
Und schon war ich wieder arbeitslos. Doch ich war gerettet. Ich wäre heute schon tot, wenn ich dort noch länger geblieben wäre. Schon längst
hätte ich einen Herzinfarkt gehabt. Es waren eindeutig zwei Arbeitsstel- len, die ich alleine bedient hatte. Einen Arbeiter haben sie sich gespart, damit mehr Gewinn in den Chefetagen abfällt, bei den Chefs, die gar nicht arbeiten, sondern nur Chefs sind.
Es war eine Zumutung, wo man nur froh sein kann, wenn es vorbei ist. Ich war nur ein halbes Jahr dort. Derjenige, der mich anfangs eingewie- sen hatte, mir also alles gezeigt hatte, war ein großer, schlanker, junger Mann aus Pakistan, der sehr freundlich und liebevoll hilfsbereit zu mir war. Er war seit vier Jahren dort gewesen. Ich hatte es sogar gleich ge- merkt, dass ich ihm leid getan hatte, als ich anfing. Ich kann es mir nicht erklären und vorstellen, wie er diese Arbeitsstelle vier Jahr lang aushalten konnte. Er hatte eine neue und bessere Stelle gefunden. Und er war sichtlich darüber froh als er endlich gehen konnte.
Als wir die beiden Tage meiner Einweisung zusammen gearbeitet hatten, da hat er gesagt, dass es zu zweit so schön war. So wäre es eine normale
Arbeitsstelle gewesen, wenn es immer so sein hätte können. Aber für
einen alleine war dieses Arbeitspensum nur immer mit absoluten Stress zu bewältigen. Hinzukommend dieser geistige Mief in der Kantine.
Ideal wäre es gewesen, wenn sie noch einen zweiten Service-Angestellten und einen zweiten Lieferwagen gehabt hätten. Dann hätte ich einen
Kollegen gehabt und statt 17 Terminen am Tag hätte jeder von uns 8 bis
9 Termine gemacht. Das wäre anständig zu bewältigen gewesen.
Der Arbeitsplatz wäre in Ordnung gewesen. Die Blondine mit den
Hasenzähnen hätte einen dann auch nicht so leicht mobben können und ich wäre vielleicht sogar heute noch dort.
So ist das mit der Deutschen Wirtschaft und mit der Deutschen Arbeits-
welt. Es ist einfach absolut krank, wenn zwei Arbeitsplätze an eine
Person vergeben werden, die sich dann zu Tode rennen kann und einen gesundheitlichen Schaden abbekommt. Nur damit die oberen Herr-
schaften für sich etwas einsparen können, was ihnen gar nicht zusteht.
Sie fressen ohnehin schon so viel Lachsbrötchen und Russische Eier mit
Kaviar bei ihren Sektempfängen.
Da sagt man lieber „Dankeschön“ und geht. Da ist man lieber arbeitslos, wenn man noch nicht lebensmüde ist.
„Dankeschön und auf Nimmerwiedersehen“ habe ich auch zu Herrn
Schlechter und zur Frau Bereit gesagt, als sie gerade wieder tuschelnd zusammen standen und ich ging. Das war mein Abschied vom Team
´Schlechter-Bereit für eine gute Zusammenarbeit` aus Ostdeutschland.
Es war mir damals noch nicht ganz klar, dass jetzt Westdeutschland durch die Ostdeutschen erobert worden war.
Und der Frau Mondena habe ich gewünscht, dass sie der Blitz erschlagen soll, wenn sie auf dem Klo sitzt. Und ich hoffe, dass es schon so einge- troffen ist, dass er sie schon erschlagen hat.
Obwohl ich alleine zwei Arbeitsstellen zum halben Lohn für eine Arbeits- stelle betätigt habe, hat man mir es nicht einmal gedankt. Man hat sich
drei Monatslöhne eingespart. Bei den Gewinnen, oben in den Bilanzen
der Betriebsinhaber, bleibt ja das Geld dann übrig. Das ist das berühmte
Mehrwertprinzip, das schon Karl Marx ausführlich festgestellt und beschrieben hatte.
Das ist das Grundprinzip der Ausbeutung.
Ich finde, das ist mitunter etwas vom Traurigsten auf der ganzen Welt.
Heute gehen wir ins Jobcenter. Da gibt es Jobs. So wie im Einkaufscenter. Jobs in allen Farben und Schattierungen. Rote, blaue, grüne, gelbe, schwarze, weiße, graue und sogar rosarote Jobs. Violette habe ich auch schon gesehen. Mir gefallen aber auch die bordeauxfarbenen recht gut.
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