1 ...6 7 8 10 11 12 ...24 Situation jedoch unerträglich. Es war unmenschlich und so furchtbar
Gott erbärmlich.
Deshalb kam es mir den ganzen Tag über immer so vor als würde ich zwischen Himmel und Hölle hin und her fahren, also zwischen Automo-
bilindustrie und Kantine.
Frau Schöner und Alkan waren ja die Ausnahmen.
Die ältere, sehr gutaussehende Dame aus Österreich war meine nette
Kollegin an den Kassen.
Sie hat auch in der Kantine aufgeräumt und die Regale mit den Waren, also Süßwaren, wie Bonbons und Kaugummi, aufgefüllt. Sie war schon
über fünfzehn Jahre in diesem Job. Nicht mal der Chef hatte ihr im
Grunde was zu sagen. Sie hat mir anfangs so hilfsbereit und liebevoll alles gezeigt und erklärt. Diese Umgangsform hatte sie auch beibehalten
und ich bin immer sehr gut mit ihr ausgekommen. Ja, ich mochte sie ehrlich. Und sie mich auch. Wenn es ging, so haben wir uns schnell mal
raus gestellt in die Kälte und eine Zigarette geraucht bei einem netten
Schwätzchen.
Wenn es mal ganz heiß herging und meine Termine zeitlich sehr knapp hintereinander waren, dann musste mir Alkan helfen. Er musste mich
also auf meinen Fahrten begleiten.
Er war sehr liebenswürdig. Er war ein fester und stämmiger Typ und er sah ganz gut aus. Er hatte eine gemütliche und herzliche Art. Ihn mochte
ich sehr gerne. Normalerweise war er für das Belegen der Brötchen in
der Küche zuständig.
Waren wir dann zusammen unterwegs, da haben wir zwar echten Spaß gehabt, doch dabei eine etwas umständliche Hektik veranstaltet. Wir
haben nebenbei einfach zu viel gequatscht. So dass wir dann letzten
Endes fast länger gebraucht haben. Aber er kannte alle Tricks und Kniffe, wie wir es dann doch wieder so organisieren konnten, um es rationell gut
zu schaffen. Jedenfalls hat es mit ihm viel mehr Spaß gemacht. Es war dann echt lustig. Wir kamen immer noch rechtzeitig bei der Küche an.
Unser Zeitgefühl war ohnehin ein anderes als das Zeitgefühl von Frau
Bereit und Herrn Schlechter.
Den Kaffee musste ich ja während meiner kurzen Aufenthalte in der
Kantine, also zwischen den Lieferungen des Services für die Konferenzen auch immer wieder selber zubereiten, sprich die Kaffeemaschinen
befüllen und einschalten. Denn Herr Schlechter und Frau Bereit hatten
sich den ganzen Tag nur ein schönes Leben machen wollen. Sie hielten sich für was Besseres und waren sich zum Kaffee machen zu schade.
Doch hat mir gerade das, was den Stress betrifft, oft noch den letzten
Rest gegeben. Der Kaffee lief zwar durch während ich unterwegs war. Doch wenn ich schon zurück kam und der Kaffee noch nicht ganz fertig
war, so musste ich auf den Kaffee warten und kam dadurch in Zeitnot.
Ich musste den ganzen Tag schuften wie ein Tier, während sich Herr
Schlechter und Frau Bereit einen vergnügten Tag gemacht haben und ihre Intrigen über die Mitarbeiter gesponnen haben. Dabei wurden die
beiden aber weitaus besser bezahlt als ich. Es ist nicht auszuschließen,
dass sie den doppelten Verdienst hatten.
Was jedoch meine Qualifikationen anbelangt hatte, so bin ich ihnen in keinster Weise hinten nachgestanden. Ich hatte schon ein Jahr lang in
einem weltweit bekannten Fünf-Sterne-Hotel gearbeitet. Nicht nur das.
Auch auf den Schiffen war ich schon. Sowie in weiteren angesehenen
Vier-Sterne-Hotels. Meine Zeugnisse haben es bewiesen. Tatsächlich war es so, dass sie mir das Wasser nicht reichen konnten. Und ich habe mir
auch wirklich alle Mühe gegeben, mit diesen beiden Banausen klar zu
kommen. Als Trost hatte ich ja ständig immer wieder die netten Herren
der Automobilindustrie, die mir gegenüber so freundlich und zuvor- kommend waren. Da habe ich es letztendlich sogar gerne in Kauf ge- nommen, dass ich jeden Tag früh morgens von der Münchener Innen- stadt mit der S-Bahn bis zu diesem Betriebsgelände gefahren bin.
Doch eines Tages kam die Wende auch für mich. Deutschland wäre nichts, aber auch wirklich gar nichts, ohne die Automobilindustrie. Heutzutage kommt wieder die Rüstungsindustrie dazu, so wie es früher schon mal war. Zur Freude der Verteidigungsministerin und der deut- schen Wirtschaft.
Nun werden mit deutschen Waffen wieder Menschen im Ausland getö- tet. Jedenfalls braucht man für die Rüstungsindustrie und für die Waffe-
nexporte auch Produktionsgüter aus der Automobilindustrie. Es hängt
alles zusammen.
Tatsächlich wurden an besagtem Tag, als für mich dem Arbeitsplatz gemäß die Wende eingeläutet wurde, sehr, sehr hohe Herren im Gebäude
der Abteilung Wirtschaft erwartet, zu einem Sektempfang mit Lachsbröt-
chen und Russischen Eiern mit Kaviar. Alle in der Kantinen-Küche waren ganz nervös. Denn Frau Mondena aus dem Wirtschaftsgebäude,
die zwar nur eine billige Sekretärin der dortigen Verwaltungsangestellten und Wirtschaftsfachleute war, zu denen jedoch auch Diplom-Betriebs-
wirte gehörten, sie hatte diesen Sektempfang zu organisieren und mit den erwarteten höheren Herren abzuhalten.
Also, es ist auch zu sagen, dass nicht in allen Häusern die Damen und
Herren so nett waren, wie ich es oben geschildert hatte. Ausgerechnet im
Gebäude der Abteilung Wirtschaft da waren sie sehr snobistisch, sehr arrogant, sehr unfreundlich, muffig und mies. Die haben immer danach
gesucht, irgend etwas zu beanstanden und sich auf irgend eine noch so dämliche Art und Weise wichtig zu machen. Diese Typen von dort
konnte ich nicht ausstehen. Und Frau Mondena habe ich an diesem Tag auch noch so richtig kennen gelernt.
Nun, Frau Bereit sagte ständig zu mir: „Beeilen Sie sich! Beeilen Sie sich! Frau Mondena hat mindestens schon fünfmal angerufen wegen dem
Sektempfang, dass ja alles gut klappt. Bereiten Sie schon mal alles vor was Sie brauchen! Wir sind auch schon voll im Stress mit den Wurst-
und Käseplatten. Der Lachs und der frische Kaviar muss gleich kommen. Der Lieferant ist schon unterwegs. Holen Sie schon mal sechs Flaschen
von dem teuren Sekt aus dem Wein- und Sektkühllager! Der Termin ist um 14:00 Uhr. Spätestens um 13:45 Uhr muss alles dort sein, so hat es
Frau Mondena bestellt. Sie ruft immer wieder an und fragt uns wie weit wir schon sind.“
Also tat ich mein Bestes und habe alles hergerichtet, wobei ich aber nicht die Ruhe verlieren wollte, denn es war ja gerade erst kurz nach 11:00
Uhr. Ich dachte mir, warum diese Weiber wohl so hysterisch herum spinnen müssen und fragte mich, ob sie gerade wieder ihre Tage haben.
Alles klappte wie am Schnürchen. Alles wurde in der Küche schön auf die blitzblank polierten Tabletts gerichtet und mit ein bisschen Petersilie
auf dem einen und etwas Schnittlauch auf dem anderen bestreut. Auch die Kaffeekannen standen voll und zur Mitnahme bereit da. Die Kaltge-
tränke hatte ich bereits aus der Kühlung geholt, so wie es auf der Bestel- lung stand, während die Uhr doch schon etwas vorgerückt war und die
Zeit schön langsam etwas knapper wurde. Jedoch ich machte mir keine
Sorgen. Ich fing schon mal mit dem Einladen in meinen Lieferwagen an. Denn ich wartete ja nur noch auf die Tabletts mit den Lachsbrötchen
und den Russischen Eiern mit dem Kaviar, welche gerade noch herge-
richtet wurden, als Frau Mondena wieder anrief. Da sagte doch dann
Frau Bereit glatt am Telefon zu ihr, dass ich schon mit allem unterwegs zum Wirtschaftsgebäude bin und gleich dort sein müsse.
Die Sektflaschen in den Eis-Kühlern hatte ich ja zum Glück schon in das
Auto gepackt. Aber nun sagte Frau Bereit zu mir: „Machen Sie jetzt ganz schnell! Nehmen Sie alles mit was fertig ist! Sausen Sie schnell los! Frau
Mondena erwartet Sie schon. Dann kommen Sie ganz schnell nochmal wieder und holen die Lachsbrötchen und die Russischen Eier mit dem
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