daß die Königin schwanger sei. Die Königin
trug ihre Bürde, bis Gott ihr erlaubte, an einem Tage
mit sieben Kindern niederzukommen. Bei ihrer Entbindung
hatte sie keine andere Frau bei sich als die
alte Matabrune, die Mutter des Königs Oriant, welche
ein betrügerisches und böses Weib war. Sechs von
den Kindern waren Söhne, das siebente aber war ein
Mädchen, und aus allen ging späterhin ein edles Geschlecht
hervor. Matabrune legte die Kinder in ihren
Schoß und rief Marke, einen ihr Untergebenen, zu
sich und zu sprach ihm: »Nehmt, Freund, und bringt
diese Kinder an einen solchen Ort, daß man niemals
wieder von ihnen reden höre. Tragt Sorge, daß Ihr sie
tötet!« Marke nahm die Kinder und trug sie tief in den
Wald, dort legte er sie ins Gras. Die Kindlein lächelten
ihn an. Als Marke sie erblickte, hatte er großes
Mitleid mit ihnen und sprach: »Gott soll mich verlassen,
wenn ich euch ein Leid antue!« Er ließ also die
Kinder dort und kehrte heim. Die alte Hexe schaute
unter einer Stiege nach und fand eine Hündin, welche
sieben Hündlein geworfen hatte. Diese nahm sie und
ging zu ihrem Sohn. Als der König Oriant sie kommen
sah, erhob er sich gegen sie und sprach: »Seid
willkommen, Mutter! Was bringt Ihr Neues, Mutter?«
»Ach,« sagte die alte Matabrune, »lieber Sohn, ich
bringe häßliche, schreckliche und böse Nachricht. Da,
seht, womit Euch Eure Gattin beschenkt hat! Sie ist
mit diesen sieben Hündlein niedergekommen. Sie ist
die unzüchtigste Frau, die je gelebt hat, und verweigert
sich keinem Manne. Gar oft habe ich sie mit
einem anderen als mit Euch überrascht. Aber um
Eurer Ehre willen habe ich geschwiegen. Jetzt aber
hat sie diese sieben Hunde geboren. Laßt sie verbrennen!
Denn es gab nie eine schlechtere Frau, als sie ist,
und wenn Ihr es nicht tun wollt, so werde ich sie selber
verbrennen!«
Als der König die Hunde sah und hörte, was seine
Mutter zu ihm sprach, da wurde er sehr traurig und
sagte: »Mutter, ich glaubte nie, daß es auf der Welt
eine bessere und züchtigere Frau gibt als die meine.
Ihr Fehltritt schmerzt mich arg. Aber, um Gottes willen,
liebe Mutter, helft mir dies verheimlichen, denn
ich habe sie geheiratet und habe ihr versprochen, ich
wolle ihr treu und gnädig sein. Und wie könnte ich sie
verbrennen lassen oder zusehen, wie sie verbrannt
würde?« »Lieber Sohn,« sagte die Alte, »Ihr zögert zu
lange. Ich werde sie in einen Kerker werfen lassen.«
Da rief die Alte zwei ihrer Diener und trat zu dem
Bette der guten Beatrix. »Du schmutzige, unzüchtige
Dirne,« sagte sie zu ihr, »jetzt tritt deine Schamlosigkeit
ans Licht; sagtest du doch, daß eine Frau keine
zwei Kinder haben könne, ohne sich zwei Männern
hingegeben zu haben. Nun könnte mein Sohn sagen,
daß du bei ihrer sieben gelegen bist. Nicht um das
ganze Gold von Rußland würde er darauf verzichten,
daß du morgen verbrannt wirst.« »Die heilige Jungfrau
«, versetzte die Königin, »wird nicht zulassen,
daß ich auf solche Weise umkomme, so wahr ich in
Züchten gelebt habe!« »Das nützt dir nichts, du
Hure!« sagte die alte Matabrune. Da packten die
bösen, verräterischen Diener die gute Königin und
schleppten sie in einen finsteren Kerker, wo die gute
Frau weder Bett noch Linnen hatte. Darauf wurden
die zwei Diener sogleich geblendet und sahen fürderhin
das Licht nicht mehr. Die Frau aber litt große
Pein.
Nun aber hört von den Kindern, welche im Walde
an einem Fluß lagen, wo sie Marke eingehüllt in ein
Fell zurückgelassen hatte. Jedes von ihnen hatte ein
Kettlein um den Hals, und das war ihre Bestimmung:
wenn sie diese Kettlein verlieren würden, so müßten
sie geflügelte Schwäne werden. Solange sie dieselben
aber trugen, hatten sie menschliche Gestalt. Siehe, da
kam ein Einsiedler, welcher schon ein Jahr im Walde
gelebt hatte, dorthin. Er gewahrte die Kinder und bat
unseren Herrn, daß er ihnen nach seinem Gefallen
Nahrung schicken möchte, davon sie leben könnten.
Es dauerte nicht lange, da sandte Gott eine Ziege,
welche die Kinder mit Milch versah, ebensogut wie es
eine Frau getan hätte. Der Eremit trug die Kinder in
sein Haus, und jeden Tag kam die Ziege dorthin. Und
so nährte er die Kinder lange Zeit.
Da geschah es eines Tages, daß der Einsiedler in
den Wald gegangen war und eines der Kinder mit sich
genommen hatte. Der Förster Malquerre kam durch
Zufall in das Haus des Einsiedlers, fand die sechs
schönen Kinder und sah die Kettlein, die sie um den
Hals trugen. Er sagte zu sich, wenn es mit dem Willen
seiner Herrin geschehe, so wolle er ihnen die Kettlein
wegnehmen. Der Verräter begab sich also zu
einer Herrin und sprach: »Herrin, ich habe sechs wunderschöne
Kinder in jenem Walde gefunden, und sie
trugen sechs Kettlein um den Hals. Herrin, wenn Ihr
es mir erlaubt, so werde ich gehen und sie ihnen nehmen.
« Als die Alte solches vernahm, wurde sie sehr
bekümmert, denn sie merkte wohl, daß dies ihre
Enkel wären, die Marke in den Wald gebracht hatte.
Sie sprach zu Malquerre: »Geht wieder in die Einsiedelei
und nehmt ihnen die Ketten ab, und wenn sie
euch Widerstand leisten, so tötet sie!« Sogleich machte
sich Malquerre auf den Weg. Matabrune rief
Marke, sie wolle mit ihm reden; und er kam. Da führte
sie ihn in ein Gemach und beschwor ihn, daß er ihr
der Wahrheit gemäß erzähle, was er mit den sieben
Kindern gemacht habe, die sie ihm anvertraut hätte,
und wenn er lügen würde, so wolle sie ihn in Stücke
zerreißen. Da sagte der wackere Mann: »So wißt,
Herrin, daß ich sie lebendig im Walde zurückließ.«
Die Alte ließ ihn ergreifen und ihm die Augen ausreißen.
Malquerre wanderte so lange, bis er in die Einsiedelei
kam. Es traf sich, daß der Eremit in den Wald
gegangen war und eines der Kinder mit ihm. Als Malquerre
die sechs Kinder und ihre Ketten erblickte und
bemerkte, daß niemand zugegen war, da wurde er sehr
froh. Er nahm die Kinder und jagte sie aus dem
Hause, und jedesmal, wenn er eines ergriff, riß er ihm
seine Kette ab. Und jene wurden zu weißen Schwänen
und flogen auf einen Teich ihres Vaters, des Königs
Oriant von Illefort. Als der Verräter dieses sah, erschrak
er gewaltig. Darauf kehrte Malaquerre zu seiner
Herrin zurück und brachte ihr die Kettlein. Matabrune
ließ einen Goldschmied kommen und bat ihn, er
möge aus den sechs Ketten eine Trinkschale verfertigen.
Jener antwortete: »Gerne, Herrin!« Darauf nahm
er eine der Ketten und schmiedete sie und verfertigte
eine prächtige Schale daraus. Die übrigen fünf Ketten
aber brachte der Goldschmied in Sicherheit, denn er
merkte wohl, daß sie überaus kostbar waren. Als der
Einsiedler und das Kind aus dem Walde zurückkamen
und die übrigen Kinder nicht mehr zu Hause vorfanden,
da wurden sie gar betrübt und zornig und gebärdeten
sich ganz verzweifelt.
Kurz darauf ereignete es sich, daß Matabrune zum
König Oriant, ihrem Sohne, ging und sprach: »Lieber
Sohn, du bist zu sehr beschimpft; laß deine Frau verbrennen,
denn es ist ein gar zu todeswürdiges Verbrechen,
daß sie mit einem Hunde schlief.« Da wurde der
König sehr traurig; er berief alle seine Barone, damit
sie ein Urteil über seine Frau sprechen sollten. Diese
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