„Komm schon, mein Geliebter“, flüsterte Llaranya ihm ins Ohr. „Es ist wirklich ganz leicht. Du musst dich nur dem Klang und dem Takt der Musik hingeben.“
„Rundtanz und Schreittanz des Pferdevolkes behagen mir mehr“, brummte er. „Ich kann diesen neuen Sitten aus dem Königreich von Alnoa nichts abgewinnen.“
„Musik besteht nicht nur aus Trommeln, Flöten und Hörnerklang, mein grollender Gebieter.“ Sie sah ihn mit jenem Lächeln an, welches ein finsteres Verlies in einen sonnendurchfluteten Raum verwandeln konnte. „Tanz ist die perfekte Harmonie von Klang und Bewegung.“
„Ich tanze lieber mit den Orks“, gestand er errötend, als er erneut beinahe auf einen ihrer Füße getreten wäre. Es war wohl nur Llaranyas elfischen Sinnen zu verdanken, dass sie bislang keinen ernsthaften Schaden davongetragen hatte.
„Lieber als mit mir?“ Sie sah ihn mit gespielter Verletztheit an.
„Du weißt, wie ich das meine.“
Die schöne Elfin lachte. „Ich gebe zu, beim Tanz mit den Orks bist du beinahe so geschickt wie ein Elf. Du bist ein wahrhaftig guter Krieger, doch nun musst du dein Geschick im Umgang mit deinen Füßen beweisen.“
„Vielleicht könnte ich zur Eröffnung ein wenig auf dem Pferd reiten“, meinte er hoffnungsvoll. „Das Schwert schwingen … Ein wenig mit dem Banner wedeln … Das gebührt sich eher für einen Fürsten des Pferdevolkes.“
„Ich sehe Furcht in deinem Herzen“, neckte sie ihn. „Du weißt genau, wie sehr sich das Volk, und übrigens auch deine tapferen Pferdelords, auf das morgige Erntefest freuen. Und es ist seit Langem Tradition im Pferdevolk, dass der Pferdefürst und seine Hohe Dame dieses Fest mit ihrem Tanz eröffnen. Du solltest dies wissen, da du dich doch so sehr den Traditionen verbunden fühlst.“
„Wenn es ein Rundtanz oder ein Schreittanz wäre …“, versuchte er erneut einzuwenden.
„Sonst bist du Neuem gegenüber nicht so verschlossen“, mahnte sie ihn und blickte zur Seite. „Nimm dir ein Beispiel an Neliana. Sie hat ihre Freude am Tanz.“
Nedeam sah zu ihrer Tochter hinüber und musste nun doch lachen. „Sie tanzt nicht, meine Liebste. Sie hüpft den anderen zwischen den Beinen herum.“
„Nun, Hauptsache, sie erfreut sich.“ Llaranya schmiegte sich enger an Nedeam und küsste ihn flüchtig. „Aber sie bewegt sich dabei sehr harmonisch.“
„Ja. Und einigen tritt sie ganz bewusst auf die Füße“, raunte er. „Nur bei Lotaras und Leoryn gelingt ihr das nicht.“
„Elfische Reflexe“, erwiderte die Herrin der Hochmark auflachend.
Neliana …
Die relative Unsterblichkeit des elfischen Volkes hatte zur Folge, dass es nur selten das Glück einer Geburt gab. Nedeam und Llaranya war es zuteilgeworden und vor vier Jahren war ihre Tochter Neliana zur Welt gekommen. Ein kleines Mädchen mit den tiefschwarzen Haaren der Mutter, den strahlend blauen Augen des Vaters und den typischen spitzen Ohren des elfischen Volkes. Die Kleine war der ganze Stolz ihrer Eltern und das elfische Wort für „Augenstern“ bezeichnete sehr treffend den Liebreiz, den Neliana ausstrahlte. Es gab kaum jemanden, der das kleine Mädchen nicht sofort ins Herz geschlossen hätte. Inzwischen neigte sie zu allerlei Streichen, was auch darin begründet war, dass man ihr kaum längere Zeit böse sein konnte. Allerdings verlief ihr Tag keineswegs nur unbeschwert, denn Llaranya und die elfischen Geschwister erwiesen sich als strenge Lehrmeister, die Neliana in den verschiedensten Fertigkeiten des elfischen Volkes unterwiesen und, auf Nedeams Drängen hin, auch das Wissen und die Traditionen des Pferdevolkes vermittelten. Sie sog all dies mit einer Leichtigkeit in sich auf, die Nedeam erstaunte und zugleich verlegen machte, denn seine Tochter vermochte inzwischen die Zeichen der Schrift mit einer Mühelosigkeit zu setzen und zu deuten, die er sich nur schwer angeeignet hatte.
Es war Hochsommer und am morgigen Tag würde man überall im Pferdevolk das Erntefest begehen. Es bot eine willkommene Abwechslung von all der Mühsal, mit welcher der Alltag ansonsten verbunden war. Einen ganzen Zehntag lang würde man nur die notwendigsten Arbeiten verrichten. Bis auf die Streifen der Schwertmänner und der Herdenwächter würden wohl alle Bewohner der Hochmark im Tal von Eternas zusammenkommen, um sich dem Frohsinn hinzugeben. Es würde reichlich zu essen geben und Gerstensaft und selbst das Blor der Zwerge würden wohl in Strömen fließen. Musik, Tanz und Schaustellerei wurden geboten. Je näher der morgige Tag rückte, desto sorgenvoller wurden die Mienen jener, die an diesen Festtagen die Ordnung aufrechterhalten sollten.
Die Stadt war festlich geschmückt. Überall hingen bunte Tuchstreifen und selbst die Festung von Eternas und die Garnison der Schwertmänner bildeten dabei keine Ausnahme. Auch den hartgesottenen Kämpfern des Pferdevolkes war die Vorfreude auf das Fest anzumerken. Obwohl sie ihren Dienst und die üblichen Waffenübungen mit dem gebührenden Ernst versahen, kam den Männern doch so mancher Scherz über die Lippen. Vielleicht lag es an den Besonderheiten dieses Erntefestes, denn in diesem Jahr fiel es auf den Gründungstag der Hochmark und so wollte Nedeam etwas Außergewöhnliches bieten.
Illdur der Farbenprächtige, der den Himmel verzauberte und die Herzen erfreute, gehörte mit seiner Schaustellertruppe, der „aufspielenden Flöte“, sicher zu den Besten seiner Art. Er präsentierte nicht nur Gaukler, Akrobaten, Zukunftsdeuter und Tänzer, sondern für die Nächte auch ein einzigartiges Feuerwerk in prächtigen Farben, welches auf dem Sprengpulver der Orks basierte. Nedeam war Illdur erstmalig beim Kampf um die Festung Nerianet begegnet und die Schaustellertruppe hatte sich an der Seite der Pferdelords und der Garde Alnoas tapfer geschlagen. Illdur hatte die Einladung des Pferdefürsten in die Hochmark nur zu gerne angenommen und seine Darbietungen würden sicher zu den Höhepunkten gehören. Derzeit hielt er sich im hinteren Burghof auf, denn er sollte seine farbigen Himmelslichter von der runden Nordmauer abschießen. Da auf ihr nur die Batterie der Dampfkanonen stand, gab es viel Platz und zudem konnte man verhindern, dass Neugierige versehentlich eine der Zündschnüre beschädigten oder vorzeitig auslösten.
Ein anderer Höhepunkt sollte das Spektakel der Vorführung einiger Beritte werden. Die Männer wollten dabei nicht nur in den üblichen Formationen reiten und ihre Wehrfähigkeit demonstrieren, sondern in diesem Jahr ihre Geschicklichkeit beweisen. Nicht alleine im Umgang mit den Waffen, denn hier erwartete man von einem Schwertmann ohnehin nur Perfektion. Nein, in diesem Jahr würde es ein Hindernisrennen geben. Seit vielen Tagen wurde in den Unterkünften gehämmert und gesägt, um die verschiedensten Hindernisse vorzubereiten.
„Nedeam?“
Der Pferdefürst schreckte aus seinen Gedanken hoch und blickte seine Elfin für einen Moment verwirrt an. „Entschuldige, ich war ganz in Gedanken.“
„Das habe ich bemerkt. Du kannst mit dem Gestampfe aufhören, die Musik hat aufgehört zu spielen.“
Nedeam errötete und sah sich verlegen um.
Llaranya legte ihm vergnügt die Hand an den Arm. „Du solltest öfter in Gedanken sein, wenn du zu tanzen versuchst. Eben warst du in Harmonie mit der Musik.“
Sie übten im vorderen Innenhof der Festung von Eternas, denn der neue Tanz war als Überraschung gedacht und sollte zum ersten Mal auf dem Erntefest vorgeführt werden. Keiner der Burgbewohner wollte sich dabei blamieren und so waren die Tore geschlossen, damit niemand die Übungen sah. Außerhalb der Mauern konnte man nur die ungewohnte Musik des fernen Königreiches Alnoa hören. Die Musikantengruppe war hierfür extra aus dem fernen Alneris angereist und wirkte mit ihrer feinen Kleidung und dem etwas gezierten Gehabe ein wenig deplatziert. Sonst spielten sie vor den Adligen der Hauptstadt Alneris auf und das Land des Pferdevolkes schien ihnen nicht ganz geheuer.
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