Er war mehr als einen ganzen Kopf kleiner als die anderen. Und die langen Federn erweckten den Eindruck, als müssten sie seine geringe Körpergröße ausgleichen.
Lustig wippten sie unentwegt auf und ab, weil sein Kopf ständig in Bewegung war.
»Du, die haben alle solche Stäbe, guck‘ mal«, flüsterte Martin seinem Bruder zu, der wie immer still da saß und alles, so gut es aus der Ferne ging, sehr aufmerksam beobachtete.
Die Kukullen sahen einfach genial aus. Die Farben besaßen alle die unterschiedlichsten Schattierungen, die teilweise bis ins Tiefschwarze reichten. Wie bei den Schülern konnte man Symbole wahrnehmen, die sich auf den Umhängen bewegten. Das alles wirkte schon sehr mysteriös.
»Nun«, fuhr Meister Gregorius fort, »hier ist zunächst einmal meine Stellvertreterin, die ihr ja schon vor der Tür gesehen habt. Madame Griseldis von den weisen Steinen.«
Madame Griseldis verneigte sich huldvoll und lächelte freundlich, wobei der Eindruck einer liebenswürdigen und hellwachen Fürsorgerin entstand. Das satte Dunkelgrün ihrer Kukulle verlieh ihr etwas Sanftmütiges, das Vertrauen erweckte.
»Sie hat die Oberleitung unserer großen Bibliothek, die das Zentrum unserer Schule bildet, sie kennt jedes Buch und auch jeden Winkel in der Bibliothek. Zudem ist sie zugleich für die magische Formel- und Wörterkunde zuständig.«
Justus drehte sich ruckartig zu seinen Tischnachbarn um. »Was war das? Magische Formeln und Wörter? Hört sich ja spannend an. Wenn das so weitergeht, kann es ja noch heiter werden.«
»Madame Griseldis,« setzte Meister Gregorius hinzu, »führt morgen in der ersten Stunde die Klasse „Metatron“ in die Bibliothek ein.«
Ein weiterer Lehrer, der auf der anderen Seite der Reihe stand, räusperte sich, was allerdings etwas ungehalten klang. Meister Gregorius nahm das zum Anlass, um ihn gleich vorzustellen.
»Meister Joselin Ivarius de Bourgogne. Er ist zuständig für magische Kräfte, besonders für Telekinese. Einige von euch wissen sicher schon, was das ist. Die anderen werden es spätestens in den nächsten Tagen erfahren.«
Joselin Ivarius de Bourgogne machte keinen sehr anziehenden Eindruck. Seine Physiognomie, die spitze Nase und sein vorstehendes Kinn sahen nicht sonderlich vertrauenerweckend aus. Zudem erzeugten seine stechenden grünen Augen bei den meisten Schülern ein Frösteln.
Die tiefbraune Kukulle, in die er eingehüllt war, unterstrich diesen Eindruck nachhaltig. Einen eigenartigen Kontrast dazu stellten seine fahlgrauen Haare dar, die zu einer Stoppelfrisur geschnitten waren. Seine Finger zwirbelten unruhig an den langen Pfauenfedern seines Biretts herum, das vor ihm auf dem Tisch lag.
»Dann haben wir auf dieser Seite unseren Meister Sumerus von den alten Lettern, der sich in allen alten Sprachen auskennt.« Meister Gregorius wies auf den Lehrer, der die vielen Federn auf seinem Hut trug, und lächelte Meister Sumerus freundlich zu. »Bei ihm seid ihr immer gut aufgehoben, wenn ihr mit den alten Büchern, von denen wir eine ungeheure Menge haben, nicht zurechtkommt. Er ist jederzeit bereit, euch mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.«
Meister Sumerus verneigte sich tief, wobei der Federbusch seiner Bewegung durch starkes Wippen Nachdruck verlieh. Er sah verschmitzt von seinem Platz auf die Schüler hinunter und schlenkerte mit seiner Kukulle, die in einem schönen vollen Türkiston erstrahlte. Sein Birett schimmerte in den gleichen Farben.
»Nicht zu vergessen Master Ethan von Eagleshead. Er ist für Telepathie zuständig. Neben Master Ethan von Eagleshead steht Madame Zetha Zethissima aus dem Elfenlande. Madame Zetha Zethissima kennt sich bestens mit den verschiedenen Phänomenen der Zwischenräume aus. Was das ist, erfahrt ihr von Madame Zetha in ihren Unterrichtsstunden.«
Master Ethan von Eagleshead, gänzlich in gelb-orange gehüllt, nickte unwillig in den Saal hinein und raschelte mit seiner Kukulle, weil er nur kurz vorgestellt wurde. Alle Augen richteten sich auf Madame Zetha Zethissima. Sie war von einer lichten, eigenartig hellblauen Aura umgeben, die sie von den anderen Lehrern auf besondere Weise abhob. Zudem war sie von äußerst zierlicher Gestalt, was die Wirkung der Aura noch unterstrich.
»Zwischenräume - was soll das denn schon wieder sein?« Pauline sah die Jungs fragend an, doch sie hatten ebenfalls keine Vorstellung davon, was Meister Gregorius damit meinen könnte.
»Das Ganze hier ist schon absolut schräg. Ich glaub‘, ich bin im falschen Film«, raunzte Justus einigermaßen ratlos.
»Madame Zetha Zethissima wird die Schüler der Klasse „Muriel“ morgen in „Interspatium“ unterrichten«, fuhr Meister Gregorius ungerührt fort.
»Des Weiteren möchte ich unseren Meister Froderik von den gläsernen Hütten vorstellen. Er ist Herr über unsere Kräuterküche und führt euch in die Kunst aller notwendigen Mixturen ein.«
Meister Froderik machte, wie er dort vorne stand, einen sehr zerstreuten Eindruck, wuselig und nervös. Seine Hände strichen unablässig über seine magentafarbene Kukulle. Die Pfauenfedern auf seinem Birett wippten gefährlich hin und her, da sein Körper unablässig in Bewegung war.
Natürlich blieben Meister Gregorius die vielen Fragezeichen, die sich in den Gesichtern der Schüler gebildet hatten, nicht verborgen. Doch er schien Spaß daran zu haben, die Kinder ein wenig zu verwirren.
»Master Ethan wird morgen in den beiden ersten Stunden die Anael-Klasse unterrichten. Der Unterricht findet im Raum „Epistmologium“ statt.«
Master Ethan von Eagleshead machte immer noch eine unzufriedene Miene. Die Prozedur der Vorstellung schien ihm zu missfallen und lästig zu sein. Er raffte seine Kukulle zusammen und verbeugte sich nochmals steif. Sein Gesichtsausdruck ließ für die nächste Unterrichtsstunde nichts Gutes erwarten.
Oberhalb des Lehrertisches schwebten die Namen der drei neuen Klassen in den jeweiligen Farben säuberlich aufgelistet untereinander. In der ersten Reihe war „Metatron“ und “Bibliothek“ zu lesen, in der zweiten Reihe „Muriel“ und „Interspatium“, gefolgt von „Anael“ und „Epistemologium“ in der dritten Reihe.
»Das sind ja schon ziemlich sonderliche Gestalten, diese Lehrer«, meinte Justus zu Pauline. »Einige scheinen enorm von sich eingenommen zu sein, findest du nicht auch?«
»Sie sind so anders als die Lehrer an unserer alten Schule. Dieser Master Ethan von Eagleshead macht auf mich den Eindruck, als wäre er was Besonderes. Wie der guckt und wie er so steif da steht.«
»Bei dem darf man bestimmt keinen falschen Ton sagen, geschweige denn irgendeinen Blödsinn machen, sonst ist man direkt unten durch«, mutmaßte Martin.
»Bei einigen wird es im Unterricht sicher ganz locker. Aber mit dem von Eagleshead ist nicht gut Kirschenessen, hab‘ ich stark den Eindruck.« Aus Justus‘ Worten konnte man eine leichte Frustration heraushören. »Mal sehen, wie‘s wird. So richtig wohl fühle ich mich noch nicht.«
»Mir geht‘s ähnlich.« In Paulines Blick konnte Justus einen leichten Zweifel über den zukünftigen Unterricht an dieser doch etwas merkwürdigen Schule feststellen. Doch wollte sie sich davon nicht unterkriegen lassen. »Sie werden uns schon nicht den Kopf abreißen, wenn wir mal was falsch machen.«
»Aber es sind ja nicht alle so wie dieser Master Ethan von Eagleshead oder dieser Joselin Ivarius de Bourgogne«, stellte Erik fest.
»Ich bin nur froh, dass Madame Griseldis für uns zuständig ist und nicht dieser Ethan.« Aus Justus Worten war die Erleichterung, dass Madame Griseldis ihre Klassenleiterin würde, herauszuhören.
Mit der Vorstellung der Lehrer neigte sich der erste Tag seinem Ende zu. Für den Anfang war alles reichlich aufregend gewesen. Es folgte noch ein gemeinsames Abendessen, bevor die Schülerinnen und Schüler sich erschöpft auf ihre Zimmer zurückziehen konnten.
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