Wenn ich nicht sofort herausspüren und an ihrer Mimik erkennen würde, dass es ihr um eine ungute Art von Konkurrenzkampf geht, in dem sie mich mitleidig ab-, und sich gleichzeitig aufwerten möchte. Der Jakobsweg als Rennstrecke. Zur Befriedigung des eigenen Egos Rekorde aufstellen. Soll sie doch machen was sie will. Doch mich damit von oben herab beurteilen und schlecht machen ist völlig daneben. Ich ärgere mich. Depperte Kuh. Hat sie verstanden worum es hier geht oder glaubt sie, mit ihrem mitleidigem Blick was Besseres zu sein, weil sie so schnell ist? Sie meint sie habe allerdings schon ihren Rückflug gebucht was sie selber stupid findet. Ich beende das Gespräch und nehme mir vor, diese dauernden Fragen nach „Wo bist du losgegangen?“ und „Wann bist du los?“ in Zukunft zu ignorieren. Bricht hier unser gesellschaftlich verbreitetes Leistungsdenken wieder durch? Sozialdarwinismus am Jakobsweg? Schnell ist gleich erfolgreich? Es ist völlig wurscht wann und wie lange man hier geht und braucht.
Meine Stimmung hebt ein netter Typ im Stockbett unter mir. Ein Mann mit Schnarchmaske. Der Arme schaut jedenfalls jede Nacht aus wie Darth Vader um seine Atemaussetzer per Überdruck symptomatisch zu kurieren. Schläuche führen von einer Art kleiner Gasmaske in Richtung eines schwarzen Gerätes, welches er unter das Bett geschoben hat. Ich frage ihn ob das Ding denn sehr laut sei in der Nacht. „Ja, den Kompressor hört man schon“ sagt er. Eine Bombenantwort. Ich freu mich drauf. Eigentlich wollte ich ja, dass der das Ding mal einschaltet zum Probehören. Macht er aber nicht.
Also alles in allem geht mir Logrono aufgrund der geschilderten Erlebnisse jetzt schon auf die Nerven. In der Küche des Hauses treffe ich meine hustende Stuttgarterin wieder, die viel zu erzählen hat. So zum Beispiel von der Ärztin die ihr doch par-tout keine Antibiotika verschreiben wollte. Dieser Entscheidung konnte ich nur zustimmen, was mir in den Augen meiner Pilgerkollegin allerdings keine Sympathiepunkte gebracht hat. Erklärt habe ich ihr das mit den Viren und den Bakterien und den möglichen Behandlungsresistenzen schon. Doch hören wollte sie das nicht. Mir fällt überhaupt eine Diskrepanz auf. Erzählen wollen alle ganz viel, zuhören aber im Gegenzug kaum.
Pfeif drauf, eine Nacht und ich bin wieder weg. Das ist was tolles am Camino im Unterschied zu Zuhause. Wenn dich was nervt, bist du es wahrscheinlich am nächsten Tag wieder los. Außer Gott schickt dir die Prüfung noch einmal…
Zeit in Logrono habe ich reichlich und so mache ich mich auf um wieder einmal einen Schuhmacher zu finden. Ich gebe es einfach nicht auf. Es muss doch eine Lösung für mein Schuhproblem und meine Schmerzen geben. Da mein Spanisch schlecht ist, werde ich zu normalen Schuhgeschäften geschickt wenn ich nach dem Weg frage. Selbstverständlich haben aber auch diese Siesta. Ohne Rucksack in der Stadt unterwegs zu sein fühlt sich für mich übrigens inzwischen gar nicht mehr gut an. In den Augen der Menschen bin ich ein normaler Tourist. Noch dazu einer der sich nicht auskennt. Prompt schaut mich ein junger Mann in der Fußgängerzone verstohlen an. Er wirft einen deutlichen Blick auf meine Gürteltasche um mir dann wieder in`s Gesicht zu schauen. Als würde er abchecken ob sich der Inhalt meines Geldbeutels in Relation zur Anstrengung in mir abzunehmen lohnen könnte. Oh Mann! Ich will wieder raus aus der Stadt um mit meinem Rucksack und meiner Muschel weiterzugehen.
Das Tragen des eigenen Rucksacks macht etwas mit mir. Ja. Es macht einen anderen Menschen aus mir. Selbstsicher auf dem Weg zu seinem Ziel.
Schuhmacher finde ich natürlich keinen. Was ich allerdings finde ist eine neue Blase. Rechter Fuß, mittlere Zehe.
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