„Was hast du noch gesehen?“, fordert er.
„Emma“, gestehe ich. „Sie lag im Bett des Hauptmanns. Nackt“, kommt mir flüsternd über die Lippen.
Aurelion presst die Luft aus seiner Lunge und kratzt sich nachdenklich am Kopf. „Glaubst du, der Hauptmann ist der Mörder?“, will er von mir wissen.
„Ich weiß es nicht, aber vorerst können wir ihm nicht trauen. Sag ihm noch nichts von den Farben unserer Kleider.“ Ich glaube, ich weiß, wie ich mehr über den Hauptmann herausfinden kann.
„Oh, oh. Was hast du vor?“, raunt Aurelion, der meinen Gesichtsausdruck richtig interpretiert hat.
„Ich will sehen, was der Hauptmann noch alles verbirgt“, weihe ich ihn in meinen Plan ein.
„Nein, das ist zu gefährlich. Was, wenn er tatsächlich der Mörder sein sollte. Du würdest geradewegs in die Höhle des Löwen laufen“, erklärt er aufgebracht.
„So wie ich das sehe, habe ich keine Wahl.“
„Nebukadneza!“ Jemand ruft nach mir. Schnell treten wir aus unserem Versteck.
Es ist einer der Männer des Hauptmanns, der mich mit diesem Blick der Entzückung mustert.
„Der Rekrut Aurelion wird heute an anderer Stelle gebraucht. Ich werde ihn ersetzen und in seiner Abwesenheit für deinen Schutz Sorge tragen“, instruiert er mich mit stolzgeschwellter Brust.
Wieso habe ich dabei ein ungutes Gefühl? Aurelion und ich tauschen Blicke aus, doch er scheint meine Bedenken nicht zu teilen, denn er nickt kurzerhand und lässt mich mit dem Soldaten allein.
Ich bin enttäuscht, denn ich hätte mit mehr Gegenwehr von seiner Seite gerechnet. So viel dazu, dass er mich beschützen will. Was, wenn der Rekrut mit dem Hauptmann unter einer Decke steckt? Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache.
Aus dem Augenwinkel erkenne ich die lüsternen Blicke des Rekruten, die auf meinen Ausschnitt gerichtet sind. Das sind die Schlimmsten, die sich nicht einmal die Mühe machen, ihr Starren zu vereiteln.
„Ist der Hauptmann zu sprechen?“, will ich von ihm wissen.
„Nein, er ist heute indisponiert.“ Aha. Und was jetzt?
Ich beschließe, zurück in mein Zimmer zu gehen.
Dort erwartet mich bereits wieder eine neue Box vom König. Das hat mir gerade noch gefehlt. Ich brauche meine Kräfte jetzt an anderer Stelle dringender.
Genervt öffne ich sie und mache mich an die Arbeit.
„Verzeih“, unterbricht mich der Soldat, als ich gerade das Gesicht einer jungen Frau skizziere, die zahllose Tränen in das Stofftaschentuch vergossen hat, das ich untersucht habe. Einen Wimpernschlag später wende ich mich ihm zu.
„Bitte tritt einen Moment vom Tisch zurück“, fordert er.
„Was ist denn los?“, will ich wissen. Er ist bereits bei mir und kontrolliert die Umgebung durch das Fenster. Ich tue, wonach er verlangt hat. Augenrollend trete ich in die Mitte des Raumes.
Scheinbar ist draußen nichts zu sehen, denn sogleich kontrolliert er die Zimmertüre. Die Wachen, die davor postiert sind, haben nichts Ungewöhnliches verzeichnet.
„Es besteht keine Gefahr“, soll mich wohl beruhigen. Ich habe den Verdacht, dass er mir einfach Angst machen wollte, um sich aufzuspielen.
Genervt nehme ich wieder Platz und fahre mit einem Zigarrenhalter fort.
Der Soldat stellt sich wieder in einiger Entfernung hinter mich und starrt mein Gesicht durch den Spiegel an. Wieder einmal versuche ich, seine Blicke, die mir mehr als unangenehm sind, zu ignorieren.
Nach ein paar Stunden habe ich alle Punkte auf der Liste erledigt. Die Portraits lege ich zusammen mit meinen Notizen zurück in die Box.
Es ist vier Uhr morgens und Aurelion ist noch immer nicht zurückgekehrt. Ich frage mich, was er wohl so lange macht.
Genau in dem Augenblick poltert es an der Tür. Ich habe mich so erschrocken, dass ich aufgesprungen bin. Der Soldat, der mich bewacht, zieht seine Waffe, doch als im nächsten Moment Aurelion den Raum betritt, steckt er sie wieder ein.
Der Soldat nickt ihm zu und verlässt das Zimmer. Das war wohl die Wachablöse.
Wir sind keine zwei Sekunden allein, da wankt Aurelion bedrohlich auf mich zu und lacht laut auf. „Sei gegrüßt, Weib.“ Er ist stockbesoffen. Ich rieche den Schnaps bis hierhin.
„Das ist jetzt nicht dein Ernst“, stoße ich verärgert aus.
„Komm, ich will dich“, lallt er und streckt den Arm nach mir aus.
Ich muss mich dazu zwingen, nicht die Fassung zu verlieren. „Du bist betrunken.“
„Nein. Ich bin hackedicht, Weib. Aber ich stehe noch meinen Mann“, gibt er an. Ich glaube es nicht, dass er das jetzt gesagt hat.
„Hör auf, mich Weib zu nennen“, tadle ich ihn.
„Na gut, Täubchen.“ Er beginnt bereits sein Hemd abzustreifen.
„Was tust du da?“, will ich wissen.
„Ins Bett gehen.“ Fuchsteufelswild malme ich die Zähne aufeinander.
„Du hast gesagt, du beschützt mich“, wende ich ein.
Er streckt die Arme zu beiden Seiten aus und erklärt: „In meinen Armen bist du absolut sicher.“ Ich weiß nicht, ob ich ihn schlagen oder anbrüllen soll, als er sich kurze Zeit später die Hose von den Beinen zieht.
„Könntest du aufhören, dich auszuziehen. Wenn dich jemand so sieht, schlagen sie dir den Kopf ab“, weise ich ihn zurecht.
Er lacht laut auf, zieht die Schultern hoch und prustet: „Komm her. Mein Prügel funktioniert auch ohne meinen Kopf.“ Er hat mir gerade zugezwinkert, sich auf mein Bett fallengelassen und sich zwischen die Beine gefasst.
Angewidert drehe ich ihm den Rücken zu und überlege krampfhaft, wie ich ihn nüchtern bekommen kann.
„Was, wenn ich sein nächstes Opfer bin?“ Meine Frage bleibt unbeantwortet, denn mein „Beschützer“ schnarcht bereits vor sich hin. Ich glaube das einfach nicht.
Erschöpft setze ich mich aufs Bett und betrachte ihn. Meine Hand gleitet wie von selbst zu seiner nackten Brust, aber ich halte in der Bewegung inne, bevor meine Fingerspitzen auf seine Haut treffen. Es ist falsch – ich gehöre einem anderen Mann. Aber der Drang, ihn zu berühren, ist fast übermenschlich.
Wenn er nicht so ein Troll wäre, würde ich mich glatt in ihn verlieben. Was natürlich nicht geht, denn ich muss den König lieben.
In einem anderen Leben würde ich mich an seine Brust lehnen, die Augen schließen und mich in seinen starken Armen geborgen fühlen.
Lächelnd decke ich die „Alkoholleiche“ zu und erhebe mich.
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