Marie Lu Pera
Der Sandmann kann mich mal
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Inhaltsverzeichnis
Titel Marie Lu Pera Der Sandmann kann mich mal Dieses ebook wurde erstellt bei
12 Monate, 10 Stunden, 2 Minuten
12 Monate, 1 Tag, 2 Stunden
12 Monate, 1 Tag, 14 Stunden
12 Monate, 2 Tage, 18 Stunden
12 Monate, 8 Tage, 16 Stunden
12 Monate, 9 Tage, 4 Stunden
12 Monate, 13 Tage, 14 Stunden
12 Monate, 17 Tage, 6 Stunden
12 Monate, 23 Tage, 14 Stunden
12 Monate, 25 Tage, 3 Stunden
12 Monate, 28 Tage, 13 Stunden
12 Monate, 29 Tage, 17 Stunden
13 Monate
13 Monate, 5 Stunden, 4 Minuten
13 Monate, 5 Stunden, 14 Minuten
13 Monate, 8 Stunden, 6 Minuten
13 Monate, keine Ahnung, wie viele Stunden vergangen sind
Hab jegliches Zeitgefühl verloren
Die Zeitrechnung hab ich nie geschnallt
Ich sollte aufhören zu zählen
Impressum neobooks
12 Monate, 10 Stunden, 2 Minuten
„Siebenundsiebzig Dollar und dreißig Cent“, legt der pummelige Bankbeamte mit der Pünktchen-Krawatte mein „Vermögen“ offen.
„ Das kann nicht stimmen “, pruste ich.
„Nein, warten Sie“, wendet er ein. „Tatsächlich, ich habe mich in der Zeile geirrt. Es sind nur siebzig Dollar und dreißig Cent, nach Spesen und Bearbeitungsgebühren.“
„Ja, das klingt schon eher nach mir“, spotte ich.
Er fand das weniger komisch, rückt sich die Brille zurecht, räuspert sich und notiert etwas, das ich nicht erkennen kann.
„Haben Sie denn noch andere Besitztümer, die den Wert Ihres Kontostandes übersteigen?“, hakt er nach.
„Definieren Sie ‚ Besitztümer ‘“, fordere ich.
„Immobilien, Oldtimer, Goldbarren“, zählt er genervt auf.
„Oh, ich würd ja sagen, ich hab ein Haus, ein Äffchen und ein Pferd, aber Sie sind es ja gewohnt, angelogen zu werden, also bleiben wir doch bei der Ironie.
Nun zu meiner ultimativen Geschäftsidee. Halten Sie sich fest. Ich bin dafür, dass Alkohol nur noch mit Kindersicherungsverschlüssen verkauft wird. Wer zu besoffen ist, kriegt die Flasche nicht auf. Ich warte nur noch auf den Nobelpreis, dann starte ich voll durch.“ Hey, das war ein Scherz. Brauchst gar nicht so böse zu kucken.
„Haben Sie einen Job oder so etwas in der Art?“, deckt er gleich zu Beginn des Verhörs meinen Schwachpunkt auf.
„Oder so etwas in der Art“, antworte ich.
Der Beamte räuspert sich erneut. „Wir sind also zurzeit beschäftigungslos“, schlussfolgert er.
„Jetzt gehen Sie aber hart mit sich ins Gericht“, bemerke ich.
Bevor er an die Decke gehen kann, wende ich ein: „Oh, ich bin vielbeschäftigt. Ich versuche, mich ausgiebig der Betreuung eines Zengartens hinzugeben und hab ’ne Garnelenzucht. Ja, ich weiß, ist viel Verantwortung, aber ich mach mir deswegen keinen Stress.“
„Miss Brown, ich bezweifle, dass Sie überhaupt imstande sind, die Hypothek zu tilgen, die bereits auf Ihren Namen läuft, geschweige denn dazu kommen, noch in diesem Leben einen weiteren Kredit abzustottern.“
„Dann freu ich mich jetzt schon drauf, Sie in sechzig Jahren überraschen zu können“, kommt es über meine Lippen, bevor ich es aufhalten kann.
Wir bewegen uns wohl in Sachen Humor auf verschiedenen Bewusstseinsebenen, was mir sein Gesichtsausdruck verrät, der eher in Richtung Bis-zur-Schmerzgrenze-gekünsteltes-Lächeln geht.
Dabei lässt er seinen Blick ziemlich offensichtlich über meine Klamotten gleiten. Wohl undercover für die Fashionpolizei unterwegs. Gut, der Fummel ist von der Stange, aber da sehen wir doch mal großzügig darüber hinweg.
„Die Antwort lautet nein, Miss Brown“, stellt er resümierend fest.
„Auf dem Schild vor der Tür steht: ‚ Sie haben den Traum – wir machens möglich ‘“, argumentiere ich.
„Im Kleingedruckten steht: ‚ Bei ausreichenden Sicherheiten der Schuldner ‘“, klärt er mich auf.
„Das heißt also, da sollte eigentlich stehen: ‚ Sie haben den Traum – wir haben jederzeit die Macht, ihn platzen zu lassen – je nachdem wies um Ihre Besitztümer steht ‘.“
„Ich kann Ihnen gerne eine Ansprechperson in der Marketingabteilung nennen, bei der Sie sich beschweren können“, stellt er emotionslos fest.
„Leihen die mir Geld?“, will ich wissen.
„Nein.“
„Wobei wir wieder am Anfang stehen“, fasse ich dieses zermürbende Gespräch zusammen.
„Vielleicht probieren Sie es bei einem anderen Bankinstitut“, versucht er mich abzuwimmeln.
„Ich dachte, Sie wären mein persönlicher Finanzberater und das ‚ in allen Lebenslagen ‘ – steht zumindest auf Ihrer Visitenkarte. Gibt’s da auch Kleingedrucktes?“, hinterfrage ich seine Worte.
„Natürlich nicht. Ich empfehle Ihnen, keinen weiteren Kredit mehr aufzunehmen.“
„ Auf welcher Seite stehen Sie eigentlich? “, pruste ich.
„Auf der Seite derjenigen, die das Kleingedruckte erfüllen.“
Meinen theatralischen Kommentar: „Das sagen Sie mir jetzt – nach all den Jahren“, hat er mir übel genommen und mich danach rausgeschmissen.
Ich glaube, ich hab grad Geschichte geschrieben. Als erster Mensch, der ohne Kuli aus einer Bank rauskommt.
So viel zum Plan, mein notorisches Pleite-Dasein zu beenden.
Ich atme erst mal tief durch, als ich die Tür zu meiner WG aufschließe und mir erschöpft über den Nacken reibe.
Linda, meine Mitbewohnerin, Marke ziemlich ausgeflippte Hippie-Braut, fängt mich bereits im Flur ab und mustert mich angestrengt am Türrahmen lehnend.
Sie pflegt den alternativen Lebensstil, zumindest wenn man von den Öko-Tretern auf ihre Persönlichkeit schließen kann.
Ihre blonde Naturwelle hat sie aber in einem strengen Dutt gebändigt, aus dem immer mal wieder widerspenstige Strähnen Ausbruchsversuche unternehmen, die sie mit vehementen Vergeltungsschlägen – unter Zuhilfenahme von ’ner Ladung Haarspray – im Keim erstickt, was ihr Naturell eines chilligen Kontrollfreaks unterstreicht.
Ihre kompostierbaren Bio-Klamotten, die je nach Lage in der Waschmaschine von ihrer Passform in trockenem Zustand abweichen können, gehören zu den wenigen Dingen, die sie nicht im Griff hat.
Irgendwie ist sie ein Typ der krassen Gegensätze. Streichelzart wie ein Kätzchen, aber ’ne Klappe wie ein ausgewachsener Brüllaffe.
„Bist du vor den Weight Watchers geflüchtet oder den Bullen, weil du so aus der Puste bist? Wenn es Ersteres ist, gib mir ’ne Minute, damit ich unsere Waage im Klo versenken kann“, erklärt sie – charmant, wie sie ist.
Ihr „Apropos, wie wars auf der Bank?“ lässt wieder gruslige Erinnerungen in mir hochkommen, bevor ich meine Tasche neben die Garderobe knalle, ins Wohnzimmer stapfe und mich auf die Couch fallenlasse.
„Ich hatte schon bessere Gespräche – mit ’ner Kaktusse.“
„Das heißt Kakteen“, korrigiert sie mich und lässt sich neben mir nieder.
„Ich meinte dich“, stelle ich klar.
„Falls du Zerstreuung suchst, unsere Hanf-Plantage sieht aus, als ob sie einen Tropfen vertragen könnte“, richtet sie mein Augenmerk auf die Zimmerpflanzen, die schon knusprig wachsen.
„Quatsch, die simulieren nur.“
„Dann gönn ich mir einen edlen Tropfen“, erklärt sie und benetzt ihre Kontaktlinsen mit einem dieser Plastikfläschchen, wobei ich mir immer noch nicht sicher bin, ob da nicht was Hochprozentiges drin ist.
„Er hat mich beschäftigungslos beschimpft und dann mit mir Schluss gemacht. Das muss man sich mal vorstellen“, bringe ich sie auf den neuesten Stand der Realität, die mir wieder mal ins Leben pfuscht.
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