„Ja“, bestätigt er das Offensichtliche, ohne mich dabei anzusehen.
„Jetzt lassen Sie sich nicht alles aus der Nase ziehen. Wie sieht so ein Einsatz aus? Man muss ja ziemlich verzweifelt sein, wenn man sich einen Quacksalber um die Uhrzeit kommen lässt.“
„Was hat Ihnen Andrew über mich und meine Arbeit erzählt?“, will er wissen.
„Dass Sie der Transporter sind, mit All-inclusive-Leichenservice, der die Teile gleich noch mumifiziert oder ausstopft – zu Ausstellungszwecken, versteht sich“, verarsche ich ihn.
Sein Kopf schießt zu mir und erkennt nach kurzer Zeit mein Grinsen. „Es ist nicht sehr klug, mich zu reizen“, sagt er doch tatsächlich.
„Das war ein Scherz.“ Mann, der ist ja noch verklemmter als ich dachte. „Das könnte Ihnen in meiner Gesellschaft durchaus öfter passieren. Was soll ich sagen, wär ich ein Kerl, hätt ich schon Prügel eingesteckt.
Was für ein Quacksalber sind Sie denn? Wir wissen doch beide, dass dieser Pater mich angelogen hat, als er behauptete, Sie wären ‚ so was wie ein Arzt ‘.“
„Ich bin eher ein Heiler“, berichtigt er mich, während er auf den Highway auffährt.
„Eher so kräuterhexenmäßig, Schamanen-voodooomäßig oder homöopathisch veranlagt?“, versuche ich, Licht ins Dunkel zu bringen.
Er sieht mich mit ausgeprägter Zornesfalte an, was mich die Hände abwehrend in die Höhe heben lässt. „Hey, sehen Sie mich nicht so an. Ich bin auf dem Gebiet der Esoterik ein ziemlicher Blindgänger, also seien Sie nachsichtig mit mir. Ich bin aber gewillt dazuzulernen und mich in vorurteilsvoller Zurückhaltung zu üben.
Immerhin muss ich doch wissen, wobei ich Ihnen assistieren soll, also lassen Sie mal ein paar Infos rüberwachsen, die über Ihre Oberflächlichkeiten hinausgehen.“
„Das erfahren Sie, wenn wir dort sind. Ich werde klare Anweisungen geben, die Sie befolgen werden, ohne zu widersprechen“, befiehlt er förmlich.
„Einspruch“, wende ich ein. „Ich werd schon mal aus Prinzip nicht das machen, was Sie sagen, wenn es nicht vorher durch meinen Plausibilitäts-Filter gerasselt ist. Nennt sich übrigens gesunder Menschenverstand. Bewahrt mich zum Beispiel davor, Dummheiten zu machen, falls Sie mir dort befehlen, jemanden den Arsch zu versohlen oder Ihnen Käsecracker in die Nase zu schieben.“
„So etwas würde ich nie von Ihnen verlangen“, sollte mich wohl beruhigen.
„Gut, wär das dann auch geklärt. Was machen Sie denn jetzt genau mit Ihren Mandanten? Soll ich Ihnen beim Handauflegen Händchen halten oder die Beine rasieren? Sehen Sie, diese Bandbreite an Möglichkeiten, in welcher Art und Weise ich Ihnen zur Hand gehen kann, nagt irgendwie an mir, Boss.“
„Ich lege keine Hände auf, das bringt nichts“, sagt er so ganz nebenbei. Ich wusste es .
„Ich muss Sie unbedingt meiner Mitbewohnerin vorstellen. Könnten Sie den Satz dann mit dem exakten Wortlaut wiederholen, wie Sie es eben getan haben? Vielleicht mit einem Hauch mehr Überzeugung.“
Valentin verlässt den Highway an der nächsten Ausfahrt, biegt mitten im Nirgendwo rechts ab und hält vor einem massiven Eisentor.
„Valentin van Dhart“, textet er die Sprechanlage zu, nachdem er die Scheibe runtergelassen hat. Keine fünf Sekunden später geht das Tor quietschend auf.
Mein Begleiter bemerkt wohl mein Unbehagen über das, was uns da drin erwarten könnte und rät mir: „Entspannen Sie sich, Ruby.“
„Uh, da bin ich ganz schlecht“, gebe ich zu.
Einige Sekunden sieht er mich genervt an, dann ignoriert er mich wieder, bevor er die Auffahrt entlangfährt, die kein Ende zu nehmen scheint.
Wer wohnt denn bitte hier? Sieht nach Senatoren-Villa aus. Als wir an das Haus heranfahren, stoppt er den Wagen und steigt aus. Einfach so.
Ich warte, doch er macht keine Anstalten, mir die Tür zu öffnen. Naja, an ihm ist wohl nur der Nachname gentlemenlike.
Memo an mich selbst: Ich muss endlich aufhören, von mir auf andere zu schließen, da werd ich immer nur enttäuscht.
„ Wo bleiben Sie denn? “, schnauzt er mich an, als ich ihn bei den Stufen, die zur Haustür hinauf führen, eingeholt habe.
„Ich vergesse immer, dass dieses Ding keinen automatischen Türöffner hat“, versuche ichs durch die Blume zu sagen. Er sieht nicht so aus, als hätte er den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden.
Uns kommt bereits ein älterer Mann im Morgenmantel entgegen. Oh, das ist wohl der passende Senator zur Villa. Er kommt mir sogar bekannt vor. Ich glaube, den hab ich schon mal irgendwo gesehen.
Hm, könnte einer dieser Politiker sein, die ich immer von der Seite anmache, wenn ich vor der Glotze zur Höchstform meiner verbalen Attacken, die nur dazu führen, mir wertvolle Lebensenergie zu entziehen, auflaufe. Freut mich trotzdem, mal zu sehen, wofür ich mein überschüssiges Aggressionspotenzial vergeude.
„Kommen Sie schnell“, stresst er uns und scheucht uns ins Haus, in dem ich schon eine Frau schreien höre, da bin ich noch nicht mal über die Türschwelle drüber.
„Bitte sagen Sie mir, Sie sind Hebamme – spezialisiert auf Hausgeburten – und das sind schon die Presswehen. Alles andere wär echt abartig“, stoße ich meine Hoffnungen laut aus.
Valentin verliert keine Zeit, sprintet die Treppen des feudalen Eingangsbereiches hoch und läuft den Schreien nach. Ich – ganz die Assistentin – bin ihm natürlich dicht auf den Fersen.
Vor der Tür des Zimmers, aus dem sich eine weibliche Person gerade die Seele aus dem Leib schreit, stoppt er und wendet sich mir zu.
„Ruby, sehen Sie mich an“, verlangt er.
„Oh, oh, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem Sie mir sagen, dass Sie professioneller Sadomasochist sind und ich ihnen die kranken Sexspielzeuge reichen soll – wo wir wieder beim Schweinkram wären“, spreche ich meine Gedanken laut aus.
„Ich bin Exorzist. Die Frau in dem Zimmer ist von einem Dämon befallen“, sagt er doch tatsächlich.
„Okay. Alles ist besser als die Vorstellung, Ihnen einen Anal-Plug oder grüne Grütze zu reichen“, kommt es wie aus der Pistole geschossen.
Das nimmt ihm sichtlich den Wind aus den Segeln. Er hatte wohl mit mehr Theater meinerseits gerechnet.
Nach ein paar Sekunden fährt er fort: „Sie sollen mir keine Instrumente reichen, sondern dabei assistieren, den Dämon aus dem Körper der Frau zu entfernen.“ Egal, was er geraucht hat, ich will auch was davon abhaben.
„Geht klar, Boss“, spotte ich und klopfe ihm auf die Schulter.
„Also gut“, stößt er überrascht aus und betritt das Zimmer. Was für ein Quacksalber – ich halts nicht aus.
Auf dem Bett windet sich eine junge Frau mit feinen aristokratischen Zügen und nobler Blässe in den seidenen Laken und brüllt vor Schmerz. Hm, sieht nach kaltem Entzug aus.
Valentin tritt ans Bett heran und streicht ihr über die Stirn – warte, er macht ein Kreuzzeichen. Mann, jetzt bin ich an so einen Religions-Spinner geraten. Der Gedanke ist noch nicht zu Ende gedacht, da bäumt sie sich keuchend auf. Das war sicher reiner Zufall. Ein Glückstreffer, dass sie darauf reagiert hat.
Skeptisch gebe ich mir dieses Schauspiel von sicherer Entfernung aus. Der ältere Mann betritt hinter uns den Raum.
„Können Sie meiner Tochter helfen?“, wimmert er.
„Ihrer Brieftasche auf jeden Fall, die wird sich hinterher erleichtert fühlen“, hab ich jetzt leider laut gesagt.
Die Blicke der Männer im Raum als mördermäßig zu betrachten, wäre eine Untertreibung.
„Lassen Sie uns allein. Unverzüglich “, befiehlt Valentin, was der Mann nach artigem Kopfnicken auch gleich macht.
Ich will ihm folgen, da hält mich mein Boss mit den Worten „Doch nicht Sie. Sie bleiben hier“ zurück. Verdammt .
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