Ein belustigtes Schnauben entweicht mir, als Valentin die Lampe vom Nachttisch aktiviert und unterschiedlich ausgestanzte Anhänger einer Kette, die er gerade unter seinem Hemd hervorgeholt hat, gegen das Licht hält, was lustige Schatten auf den Körper der jungen, dunkelhaarigen Frau projiziert.
„Ich hab den Film ‚ Constantin ‘ auch gesehen“, musste an der Stelle einfach mal gesagt werden, doch ich werde wiedermal ignoriert.
Komischerweise bäumt sich die Frau auf einmal total schräg auf, als sie einer der Schatten trifft.
Sie hebt das Becken so hoch, dass sie beinahe vornüberkippt. Dabei brüllt sie mit einer grusligen Männerstimme. Okay, ich sollte nicht so viel Fernsehen. Bei mir geht schon die Phantasie mit mir durch – oder mein Verstand flöten. Wer weiß das schon so genau.
Valentin hat gerade ein lautstarkes „ Scheiße “ ausgerufen, bevor er aufs Bett steigt, nur um sich im nächsten Moment auf die Frau zu hocken, ein Büchlein aus der Innenseite seines Jacketts zu zücken und irgendwelche lateinischen Beschwörungsformeln daraus vorzulesen.
Was für eine Show. So will er wahrscheinlich sein horrendes Honorar rechtfertigen. Hm, von ihm kann man noch was lernen.
„Sie sollten lieber einen Rettungswagen rufen“, rate ich dem Quacksalber, der mich immer noch ignoriert.
Die Frau wehrt sich, brüllt wie am Spieß – immer noch mit dieser abgefahrenen Gruselstimme – bevor sie beginnt, auf Valentin einzuschlagen, der ihre Hände festhält.
„ Verdammt “, flucht er.
„Ruby, kommen Sie her“, verlangt er gleich daraufhin. Was? Jetzt zieht er mich da auch noch mit rein. Naja, irgendwie muss er ja meinen Einsatz auch begründen können.
Etwas eingeschüchtert trete ich näher. Das letzte Stück schnappt er mich am Arm und zieht mich grob ans Bett heran.
Erst jetzt erkenne ich die schmerzverzerrten Züge der Frau genauer. Sie leidet hier Höllenqualen und ist scheinbar gerade am Wegtreten. Noch ein Grund, die Finger von Drogen oder Schlankheitspillen zu lassen.
„Steigen Sie aufs Bett“, reißt mich Valentin aus meinen Gedanken. Hey, Moment mal.
„Ich hab Ihnen doch von meiner Filterfunktion erzählt. Naja, Ihre Aufforderung ist hängengeblieben“, informiere ich ihn.
Er packt mich am Kragen und schüttelt mich kräftig durch: „Die Frau wird sterben, wenn Sie nicht gleich hier raufsteigen.“ Das sagt er so ernst, dass ich schlucken muss.
„Sie braucht einen Arzt – rufen Sie einen Krankenwagen“, hauche ich eingeschüchtert.
Er lächelt überheblich. „Sie haben echt keine Ahnung. Wie kann mir Andrew nur so einen Grünschnabel schicken?“ Grünschnabel?
„Jetzt lassen Sie Ihre Überforderung nicht an mir aus!“, verteidige ich mich.
Während ich noch innerlich am Toben bin, packt er mich an der Hüfte und zieht mich vor sich auf die Frau. Damit ich mich nicht wehren kann, hält er mich von hinten fest umklammert.
„Hey, loslassen!“, protestiere ich darauf bedacht, die Frau nicht mit meinem Gewicht zu erdrücken.
„Entspannen Sie sich“, haucht er mir ins Ohr, was mich nur noch mehr verkrampfen lässt. Gänsehaut zieht mir dabei in Wellen über den gesamten Körper. Sein Körper, an den er mich gepresst hält, ist mir dabei nur allzu bewusst.
„Sie sind in meinen Wohlfühlbereich eingedrungen“, ermahne ich ihn.
„Tun Sie, was ich sage, Ruby, dann ist das hier schnell vorbei.“
„Wieso sagen Männer sowas eigentlich immer?“, sollte auf jeden Fall mal gefragt werden.
„Lassen Sie sich darauf ein. Sie können der Frau das Leben retten“, beschwört er mich eindringlich.
„Sie glauben den Scheiß tatsächlich, oder?“ Er antwortet nicht, nimmt stattdessen beide meiner Hände in seine.
Er hat schöne Hände, die total warm sind. Und er riecht gut. Erneut fährt mir ein Kribbeln durch den Körper. Okay, ich hatte schon viel zu lange keinen Sex mehr – ja okay, eigentlich noch nie – sodass ich schon auf Priester abfahre.
Heilige Scheiße, so weit sind wir also schon.
Valentin platziert meine Hände an den Wangen der immer noch bewusstlosen Frau. Seine Hände umschließen dabei die meinen. So hält er inne.
Es tut sich erst mal nichts. Welch Überraschung. Als ob ich sie mit einer bloßen Berührung heilen könnte.
Mein „Sie werden nach Stunden bezahlt, oder?“ lässt er unkommentiert. Stattdessen wartet er einfach ab.
Nach ein paar Minuten frage ich mich, was zum Henker ich hier eigentlich mache.
„Boss?“, setze ich an.
„Hm.“
„Das hier ist irgendwie gruslig, finden Sie nicht auch?“
„Nein.“
„Ach so“, hauche ich eingeschüchtert.
„Verdammt, er beißt nicht an“, zischt Valentin hinter mir. Wer soll denn anbeißen? Ach, ich vergaß der „Dämon“.
„Kann ich jetzt hier runter? Nichts für ungut, aber es ist mir irgendwie unangenehm, wenn Sie mir so nahe auf die Pelle rücken und dabei vom Anbeißen sprechen. Nicht, dass Sie noch Vampir sind. Oder ist das hier ein Rollenspiel?“, hake ich nach.
„Nein.“
„Versteckte Kamera?“
„Irgendetwas stimmt nicht mit Ihnen“, aus seinem Munde trägt nicht gerade zur Erhöhung meines Wohlfühlfaktors bei.
„Ja, das hätt ich jetzt auch vorweg vermutet“, stoße ich sarkastisch aus.
„Sind Sie entspannt?“, fordert er ungeduldig.
„Total“, spotte ich.
Er löst seine Hände von den meinen und platziert sie an meinen Schultern. Schlagartig verkrampfe ich mich nur noch mehr. Er wird doch wohl jetzt nicht …
Der Gedanke ist noch nicht zu Ende gedacht, da startet er ziemlich ungeschickte Knetversuche, die mir ein gequältes „Also, eine Massagepraxis würd ich an Ihrer Stelle nicht aufmachen“ entweichen lassen.
„Sie könnten mir ruhig ein bisschen entgegenkommen“, wirft er mir vor.
„Das ist nahe genug – zumindest für meinen Geschmack.“
„Küssen Sie sie“, verlangt er.
„ Was? “, bemerke ich.
„Machen Sie schon. Es ist doch nur ein unschuldiger Kuss. Stellen Sie sich vor, sie wär Ihre Freundin.“
„Und wer sind Sie dann in dieser Dreiecksgeschichte? Mein Zuhälter?“
„Wenn sie nicht bald aufwacht, überlebt sie das nicht, also stellen Sie sich nicht so an.“
„Okay, Auszeit. Nehmen Sie Ihre Pfoten von mir und bringen Sie Wohlfühlabstand zwischen uns, sonst können Sie sich eine neue Komplizin suchen“, platzt mir der Kragen.
„Ich weiche erst von Ihrer Seite, wenn sie aufgewacht ist“, droht er förmlich.
„Finger weg. Ich mach den Scheiß jetzt selbst“, schnauze ich ihn an.
„Also gut“, gibt er klein bei, steigt von der Frau runter und betrachtet mich mit vor der Brust verschränkten Armen.
Im nächsten Moment knalle ich ihr eine Ohrfeige runter, die sie schnappatmend die Augen aufreißen lässt. Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen, meinem Boss einen Na-siehst-du-ich-hab-sie-wachgekriegt-Blick entgegenzuwerfen.
Als ich die Frau wieder ansehe, bleibt mir fast das Herz stehen. Aus ihr ragt ein ekliger, nackter Alien raus, der mich anbrüllt und nach mir schnappt.
Ich kann nicht mal schreien, so total krank ist diese Situation gerade. Jetzt hab ich schon Halluzinationen – so weit sind wir also schon. Oder ich bin in seiner Wohnung mit Drogen in Berührung gekommen und das hier ist ein ziemlich realer Trip.
Ich spür sogar seine Fingernägel, mit denen sich das Biest in meine Arme krallt, um mich zu sich runterzuziehen.
Erst jetzt beginne ich, mich zu wehren, da packt das Ding meine Kehle und drückt zu. Hinter mir spüre ich meinen Boss, der sich den Arm des Aliens schnappt, mit dem er mich zu erdrosseln droht, gleichzeitig an mir zerrt und dieses lateinische Zeug brüllt. Untermalt wird alles von meinen erstickten Würgelauten.
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