Was für ein „ Zufall “. Ich fass es nicht, dass sie auf die älteste Masche der Welt reinfällt. „Um vier Uhr bei Starbucks an der Sechzigsten“, ergänzt sie.
„ Bei Starbucks? “, krächze ich.
„Ja, das war meine Idee. Dort ist um die Zeit immer der Teufel los, also bist du sicher, falls er sich doch als Grapscher, Serienkiller oder einer meiner zahlreichen Exfreunde, die mich durch dich zurückgewinnen wollen, herausstellen sollte.
Außerdem könnt ihr gleich einen Kaffee trinken, falls er süß ist oder Dagobert Duck . Siehst du, ich hab an alles gedacht.“
Wieso keimt in mir das Bedürfnis auf, ein vollkommen überzeichnetes „ Hhhhh “ auszustoßen? „Ich geh da nicht hin, da kannst du dich auf den Kopf stellen“, verlautbare ich fuchsteufelswild.
„Oh doch, das wirst du. Du hast selbst gesagt, die kriegen nicht raus, was dir fehlt. Das waren deine Worte.“
„Seit wann hörst du zu?“, motze ich.
„Gib doch den Quacksalbern auch mal eine Chance. Was hast du zu verlieren?“
„Weiß nicht? Selbstbeherrschung, überlebenswichtige Teile meines Körpers, meine psychische Unversehrtheit“, zähle ich auf.
„Deine Jungfräulichkeit“, ergänzt sie. „Ich werde für dich beten.“ Ich könnt grad aus der Haut fahren – okay, blöder Spruch.
„Ich kann mir ja deine leihen. Oh, warte – futsch“, verlautbare ich mürrisch, da setzt sie diesen Blick auf, den ich nur allzu gut kenne. Es ist dieses „Boah, diskutier nicht! Mach?!“-Gesicht, das mich zu den Worten: „Du wirst nicht lockerlassen, oder?“ treibt.
Ich fasse es nicht, dass sie mich, unter Androhung diverser Gräueltaten, die eine Einschaltung in einer einschlägigen Single-Börse für schwer Vermittelbare beinhaltet, dazu genötigt hat, mich mit diesem Dilettanten zu treffen.
Ist ja nicht so, dass ich mir nicht gerade wie eine vollkommene Bekloppte vorkomme, hier mit einer quietschgelben Plastiktüte mit der Aufschrift: „ Rettet den Planeten, bevor er sich selbst rettet “ rumzusitzen, mit der mich der Typ erkennen soll.
„ Das war meine Idee “, ahme ich die Stimme meiner Mitbewohnerin in meinen Gedanken nach.
Ich meine, Halloooooo, wer druckt denn so einen Spruch auf Plastik? Ist ja auch egal. Ich bin erst alarmiert, wenn sie Tiere in Paaren auf Schiffe laden.
Erinnere mich daran, das Zeitungsabo zu kündigen. Menschen wie Linda sollte der Zugang zu Printmedien verwehrt werden.
Das Internetkabel kappe ich auch sicherheitshalber – man weiß ja nie. Womöglich hat sie für mich schon eine Haustier-Homepage angelegt, von der ich bis jetzt nichts wusste. Und bei meinem Glück hab ich da schon jemanden kennengelernt.
Ein Blick auf meine Uhr verrät mir, dass er schon eine Minute zu spät dran ist, was mich von meinem Platz förmlich aufspringen lässt. Tja, so ein Pech aber auch.
Ich bin froh, aus dem Laden raus zu sein. Das sind definitiv zu viele, auf engstem Raum eingepferchte, hyperaktiv lechzende Koffeinjunkies.
Naja, ich hab zwar nichts konsumiert, aber Starbucks ist jetzt um eine quietschgelbe Plastiktüte, die die Welt retten wird, reicher.
Ein „Verzeihung“, das jemand hinter mir gerufen hat, stoppt mich bei dem Versuch, mich vor dem Termin, der mir jetzt schon peinlich ist, zu drücken.
Dass der Plan wohl gescheitert ist, verrät mir der Typ, den ich auf Ende vierzig schätze, der mir gänzlich unbekannt ist und bereits in freudiger Erwartung, mich zu quacksalben, auf mich zukommt. Erinnere mich daran, Linda zu lynchen.
Er hat leicht ergrautes Haar, einen farblich dazu passenden Vollbart und diese George-Clooney-Fresse, die ich so sehr verabscheue.
Die Tatsache, dass er gerade ein „Wir hatten telefoniert“ ausgestoßen hat, erhärtet den Verdacht noch, dass es sich bei dem Kerl, der augenscheinlich ein Geistlicher ist, da er einen schwarzen Anzug mit diesem weißen Kragen-Dings trägt, um meinen paranormalen Quacksalber handelt.
Ich klammere mich noch an den Gedanken, es könnte sich doch um einen von Lindas Exfreunden handeln, der nach ihr die Schnauze gewaltig voll hatte, tue das aber als letzten Akt der Verzweiflung ab.
Kleiner Nachtrag: Erinnere mich daran, Linda zu verkloppen, bevor ich sie lynche, weil sie mich an einen Pater vermittelt und sich scheinbar als ich selbst ausgegeben hat.
Womöglich kennt er bereits unsere Adresse, ist ein Soziopath, der vorher im Kostümverleih war und schon geistig die Schlachtmesser wetzt. Okay, ich sollte mir nicht so viele Horrorstreifen reinziehen – das schlägt aufs Gemüt.
Meine Fresse, in was hat mich Linda da nur reingeritten? Und das Beste ist, er sieht total nett aus, so wie er mich hier offenherzig anlächelt, als könnte ich ihm alles anvertrauen. Er hat sogar Rehaugen, die einen zum verträumten Seufzen animieren. Das volle Programm also.
Er streckt mir die Hand hin und stellt sich als „Pater Andrew“ vor.
„Ruby“, rutscht mir mein echter Vorname raus.
„Schön Sie kennenzulernen, Ruby.“ Das Wort „ Vertrauenserweckend “ trifft voll und ganz auf ihn zu.
Ich habe sofort das Gefühl, mich in seiner Gegenwart sündiger Gedanken schuldig gemacht zu haben. Vielleicht schwatzt er mir ja gleich ’ne Beichte auf – oder das Pfarrblatt-Abo. Solche Leute sind mir echt nicht geheuer.
Sicherheitshalber sehe ich davon ab, ihm die Hand zu schütteln. Nur für den Fall, dass er gleich eine Spritze zückt, um mich außer Gefecht zu setzen, damit ich heut Abend bei seiner schwarzen Messe die Hauptrolle spiele, bevor er sich meine Milz unter den Nagel reißt. Okay, ich sollte das abartige Kopfkino mal abstellen.
Das muss ich einfach nachprüfen. „Ziehen Sie Ihr Jackett aus“, verlange ich. Erst jetzt merke ich, wie abartig das geklungen hat.
Er runzelt die Stirn und erwidert: „Wie bitte?“ Dabei lächelt er irritiert. Er glaubt wohl, er hat sich verhört.
„Machen Sie schon oder haben sie was zu verbergen?“, stresse ich ihn. Okay, auch das hat jetzt irgendwie komisch geklungen.
Ihm ist das absolut nicht geheuer. Das Unbehagen steht ihm ins Gesicht geschrieben, aber er knöpft sich in nächsten Augenblick die Jacke auf und streift sie sich über die Schultern.
In dem Moment trete ich an ihn heran, umrunde ihn und klappe seinen Hemdkragen zurück. Flink kralle ich mir das Teil und prüfe die Innenseite des Saums und den Kragen.
Er räuspert sich lautstark und dreht sich ertappt um, als ich ihn nach Waffen abtaste. Ich hab ihn jetzt nicht wirklich angegrapscht. So viel zum sündigen Verhalten.
Ich rücke sein Jackett zurecht, klopfe ihm auf die Schulter und komme zu dem Schluss: „Sie sind sauber.“ Auch das könnte man durchaus anders auslegen – seinem Gesichtsausdruck zufolge.
„Jetzt sehen Sie mich nicht so an“, verteidige ich mich. „Ich wollte bloß nachsehen, ob da das Emblem eines Kostümverleihs drauf ist. Man weiß ja nie.“ Meine Fresse, ich bin echt einem Pater an die Wäsche gegangen. Bist du noch zu retten, Ruby?
In seinen Zügen macht sich Erleichterung breit. Ich glaube, er hat grad totalen Schiss vor mir. „Ich habe auch einen offiziellen Ausweis“, informiert er mich. Ach so. „Hier.“ Er hält mir seinen Personalausweis hin, der ziemlich echt aussieht.
„Ausweise kann man fälschen, aber die Garderobe lügt niemals“, entgegne ich selbstsicher. Er lächelt verschmitzt.
„Keine Angst, ich will Ihnen nichts Böses, Ruby“, beschwichtigt er.
„Das haben die von der Grillkäsewerbung auch gesagt. Wo uns das hingeführt hat, wissen wir ja“, kontere ich. „Der verursacht böse Schwellungen in der Hüftgegend. Übel sowas.“
Er schmunzelt und schüttelt leicht den Kopf. „Wollen wir?“, fordert er mich mit einer galanten Armbewegung auf, ihn irgendwohin zu begleiten.
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