Der kleine Feuerkopf sieht ein, dass er nichts anderes tun kann, als für den Boss die Daumen zu drücken und für seinen Sieg zu beten. Nach dieser Einsicht nimmt sie endlich regen Anteil an dem Rennen, das nicht mehr lange dauern kann, denn sowohl die Menschen, als auch die Tiere sind bereits vollkommen ausgelaugt.
Gerade hat Rambo wieder einen besonders gemeinen Trick erfolglos probiert, da kommen die beiden Gegner in die Nähe eines großen Baumes, der normalerweise mit seiner weitausladenden Krone den weidenden Tieren Schatten spendet. Es ist ein sehr alter, hoher Baum, doch er hat vereinzelte, ziemlich tief hängende Äste.
Rambo sieht seine Chance gekommen und versucht, den Indian gegen einen ganz besonders niedrig hängenden Ast zu drücken. Bei dem Tempo, mit welchem die Pferde über die Weide preschen, würde David aus dem Sattel gefegt, wenn er nur den Bruchteil einer Sekunde unaufmerksam ist.
Carol erkennt die Situation mit einem einzigen Blick und murmelt beschwörend: „Brich ihn ab und knall Rambo das Ding vor die Füße!“
Das Girl hat den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da hat ihr Vormann, der sich keine Sekunde der Unaufmerksamkeit gönnt, den Ast bereits gepackt und aus dem Schwung heraus abgebrochen. Glücklicherweise ist das Ding total morsch und bietet kein großes Hemmnis, so dass der Indian fest im Sattel bleibt.
Er führt Carols Gedanken weiter aus, als hätte sie ihn in Worte gefasst und ihm zugerufen, indem er den Knüppel Rambos Pferd vor die Vorderläufe donnert. Der Gaul erschrickt und steigt mit der Vorderhand hoch. Diesen günstigen Moment nutzt der Indianer sofort und erhält ein klein wenig Vorsprung vor seinem Gegner.
Doch Rambos Pferd ist unglaublich gut und es hat einen völlig rücksichtslosen Reiter. Es gibt nun ein Kopf an Kopf Rennen, welches Widefield nur um eine knappe Nüsterlänge gewinnen kann. Die beiden Kämpfer springen von Ihren Pferden und beginnen eine wüste Prügelei, bei der beide Männer alles geben, was sie nach dem kräftezehrenden Rennen noch an Stärke und Geschicklichkeit aufzubieten haben. Und das ist beileibe nicht wenig.
Carol bebt beim Anblick ihres sich am Boden wälzenden Vormanns. Niemals hätte sie dem Mann dieses Temperament und diese Zügellosigkeit zugetraut. Was mag es in seiner Vergangenheit für Vorfälle gegeben haben, die ihn zu solchen Gemeinheiten und zu solchen Prügelattacken befähigen?
Mittlerweile ist auch Regina aus dem Haus gekommen. Ihr Gesicht ist verquollen, ihre Augen sind rotgeweint, aber sie ist reisefertig. Sie stellt sich still und unscheinbar neben Carol, zu der sich bereits eine ganze Weile vorher Mr. Howards gesellt hat, der sie ungeniert beobachtet.
Das rothaarige Wesen hat sich mittlerweile vollkommen gefangen und verfolgt das Spektakel mit zunehmendem Interesse, insbesondere da David der Überlegenere zu sein scheint.
Aus den Augenwinkeln schaut sie zwischendurch immer wieder zu Gina hinüber und erkennt, dass die Frau jetzt schon unter der Trennung von ihrem kleinen Sohn leidet, obwohl das Kind nur wenige Meter entfernt im Haus ist. Sie konzentriert sich wieder auf das Kampfgeschehen und murmelt leise: „Du musst gewinnen, Du musst es einfach, für diese beiden unschuldigen Menschen.“
Gina starrt mit schreckensgeweiteten Augen auf das Szenario und zuckt bei jedem Schlag, den der Indian gegen ihren Mann führt, zusammen.
Endlich liegt Rambo am Boden und David kniet über ihm. Der Rancher ist fast bewegungsunfähig, aber er schafft es dennoch, mit der Hand zwei Mal auf den Boden zu schlagen, was so viel bedeutet wie: ‚Ich gebe auf!’
Schwer atmend reicht der so als knapper Sieger aus dem Gefecht hervorgegangene Willow-Tree Vormann dem Texaner die Hand, um ihm auf die Beine zu helfen.
Carol überklettert das Gatter, stürzt auf ihren hochverehrten Boss zu, fällt ihm um den Hals und flüstert: „Nicht, dass ich an Dir gezweifelt hätte, aber ich hatte eine wahnsinnige Angst um Dich. Das darfst Du mir nicht noch einmal antun. Ich dachte ein paar Mal, mir bleibt das Herz stehen.“ Sie pustet die Luft aus den Lungen und atmet dann tief auf. „Mann, bin ich froh, dass das vorbei ist. Ich wusste gar nicht, dass Du so fies widerlich sein kannst. Du stehst Rambo ja in nichts nach. Sollte das einreißen, sehe ich mich leider gezwungen, zu kündigen.“
David lacht ebenfalls erleichtert und streicht sich die Haare aus dem Gesicht: „Ich kann noch viel gemeiner sein, meine Liebe. Wenn wir zu Hause sind, werde ich es Dir gerne demonstrieren.“
Carol schüttelt sich: „Ach Du, lieber nicht, ich habe verzichten gelernt. Nach der eben gezeigten Vorführung glaube ich es Dir auch so. Oder soll ich besser direkt kündigen? Hat das Großmaul nicht was von Partner gemurmelt?“
„Bloß nicht!“ David zieht die Kleine an sich und haucht ihr einen Kuss auf die Haare.
Gina ist mittlerweile auch auf die Weide gelaufen und rennt nun zu ihrem Mann hin, tupft ihm unendlich sanft das Blut aus dem Gesicht und flüstert: „Manolito, Lieber Du, ist alles in Ordnung?“
Carol starrt fassungslos zu der jungen Frau hin, tippt sich an die Stirn und brummt: „Da soll doch einer die Weiber verstehen. Ist die jetzt völlig übergeschnappt?“
Gina tupft noch immer an ihrem Mann herum. „Das war das erste Peitschenrennen, bei dem ich gedacht habe, es geht Dir an den Kragen. Du hast das erste Mal wirklich Deinen Meister gefunden. Der Mann aus Wyoming ist unglaublich gut. Ist wirklich alles okay mit Dir?“
Erstaunt schaut Manolito Rambo seine Frau an und irgendeine Wandlung scheint in ihm vorzugehen. Vielleicht hat einer von Davids Schlägen eine empfindliche Stelle am Kopf getroffen. „Sag bloß nicht, dass Du Dir Sorgen um mich gemacht hast. Ich dachte immer, Du verabscheust mich bis in den Tod.“
Traurig schüttelt Gina den Kopf. „Nein, Manolito. Ich habe Dich immer geliebt. Du hast das nur niemals erkannt. Vielleicht hast Du aber auch nur immer darüber hinweggesehen oder es nicht sehen wollen. Ich liebe Dich eigentlich noch immer, aber Du machst es mir so verdammt schwer.“
Bis jetzt hat sie ihrem Mann in die Augen gesehen, nun aber senkt sie den Blick zu Boden und flüstert kaum noch hörbar: „Wenn Du jetzt nur sagen würdest ‚Bleib hier!’, ich würde von Herzen gerne bleiben.“
Rambo klappt die Kinnlade herunter. Er blickt seine Frau lange und unverwandt an, dabei scheint er mit sich zu kämpfen, dann flüstert er heiser: „Bleib bei mir, Gina, bleib bei mir und dem Jungen. Der Kleine braucht Dich und ich glaube, ich brauche Dich auch.“ Mehr sagt er nicht, aber den strengen, unerbittlichen Rancher haben bereits diese wenigen Worte eine enorme Überwindung gekostet.
Carol und Widefield blicken sich vergnügt und zufrieden an. Das junge Ding dreht sich zu Howards um und erinnert: „Mein Boss hat das Rennen gewonnen. Für Sie gewonnen, Mister. Ein Punkt, den er sich für den Fall seines Sieges erbeten hatte, scheint sich glücklicherweise in Wohlgefallen aufgelöst zu haben. Dennoch bitten wir Sie, dass Sie ab und an ein wachsames Auge auf die Eheleute haben, damit der alte Trott nicht wieder einreißt.“
Sie lächelt ihr bezauberndstes Lächeln. „Ich schätze, Sie sind ein Mann mit einem enormen Ehrgefühl und würden niemals eine Frau schlagen, schon gar nicht die Mutter Ihres Kindes. Bitte sorgen Sie nun auch dafür, dass der andere erbetene Punkt erfüllt wird.“
Carol schluckt. „Eigentlich dürften wir mit den zwei erpresserischen Cowboys ja gar kein Mitleid haben, denn schließlich hätten uns die Kerle fast das Leben gekostet, aber dennoch sollen sie eine faire Gerichtsverhandlung erhalten. Die beiden gehen für die Entführung und die versuchte Erpressung höchstens ein paar Jahre in den Knast, schließlich haben sie ja niemanden umgebracht. Wenn Sie das dann in Ihre Hände nehmen wollen, Mister Howards. Mrs. Rambo kann Ihnen alles Notwendige erzählen.“
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