Christina M. Kerpen
Nur ein Tropfen Leben
Willow-Tree
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Christina M. Kerpen Nur ein Tropfen Leben Willow-Tree Dieses ebook wurde erstellt bei
Vorwort Vorwort Heutzutage schwärmen plötzlich alle Leute für altmodischen Krimskrams und nennen das dann Nostalgie. Was gibt es aber auch schöneres, als auf Dachböden oder in Kellern in alten, staubigen Sachen zu wühlen, die vor langer Zeit unseren Großeltern gehörten und ihnen zum täglichen Gebrauch dienten. Da kann man die tollsten Dinge ausgraben. Tante Henriettes Brautkleid im Stil der zwanziger Jahre, welches damals todschick und der letzte Schrei gewesen ist, Großvaters alte Fotokamera, seinerzeit hochmodern und der neueste Stand der Technik, Omas alte Kaffeemühle, noch voll funktionsfähig, was man in unserer heutigen Wegwerfgesellschaft kaum noch für möglich hält, Vaters alte Zeugnishefte, die doch gar nicht die so glänzenden Noten aufweisen, wie er uns immer glauben machen wollte, alte Liebesbriefe, die zu lesen aufgrund der geschraubten Schreibweise manchmal sehr lustig sein kann, ja - und dann gibt es dort vielleicht noch alte Tagebücher. Und bei Tagebücher fängt meine Geschichte auch fast schon an.
Vorgeschichte
Frühsommer 1891
Festnahmen
Der Prozess
Selbstjustiz
Frau Doktor
Ungebändigt
Gefangen
Nächtlicher Ausritt
Immer wieder Alltag
Das Findelkind
Der unheimliche Fremde
Opfer einer Rache
Der deutsche Doktor
Geständnisse
Der Schritt ins neue Leben
Katzenjammer
Texanisches Abenteuer
Von der Vergangenheit eingeholt
Unverhofftes Wiedersehen
Fluchtgedanken
Den Hals in der Schlinge
Retten, was nicht mehr zu retten scheint
Eine heiße Flucht
Und wieder Richter Harrods
Sehnsucht
Geschäftsreise mit Hindernissen
Das Geisterdorf
Die Hiobsbotschaft
Bärentatzen
Ein eiskaltes Bad
Die Rettung
Der Tod wirft lange Schatten
Glückliche Heimkehr
Geständnisse
Im Ungewissen
Noch immer keine Klarheit
Zwischen Hoffen und Bangen
Das Ende der Welt
Geplatzte Seifenblasen
Impressum neobooks
Heutzutage schwärmen plötzlich alle Leute für altmodischen Krimskrams und nennen das dann Nostalgie.
Was gibt es aber auch schöneres, als auf Dachböden oder in Kellern in alten, staubigen Sachen zu wühlen, die vor langer Zeit unseren Großeltern gehörten und ihnen zum täglichen Gebrauch dienten. Da kann man die tollsten Dinge ausgraben. Tante Henriettes Brautkleid im Stil der zwanziger Jahre, welches damals todschick und der letzte Schrei gewesen ist, Großvaters alte Fotokamera, seinerzeit hochmodern und der neueste Stand der Technik, Omas alte Kaffeemühle, noch voll funktionsfähig, was man in unserer heutigen Wegwerfgesellschaft kaum noch für möglich hält, Vaters alte Zeugnishefte, die doch gar nicht die so glänzenden Noten aufweisen, wie er uns immer glauben machen wollte, alte Liebesbriefe, die zu lesen aufgrund der geschraubten Schreibweise manchmal sehr lustig sein kann, ja - und dann gibt es dort vielleicht noch alte Tagebücher.
Und bei Tagebücher fängt meine Geschichte auch fast schon an.
Vor einiger Zeit hat eine Freundin von mir für ganz kleines Geld ein altes Haus gekauft, dessen ältere Besitzerin verstorben war, ohne irgendwelche Erben zu hinterlassen.
Bevor die Renovierungsarbeiten begonnen werden konnten, musste aber das ganze Gebäude erst einmal gründlichst entrümpelt werden, daher war es auch so günstig zu bekommen, sogar gering unter dem Verkehrswert, weil kein anderer die alte, winzige Hütte haben wollte.
Da unsere Kirche einmal im Jahr auf dem Trödelmarkt Sachen für einen guten Zweck verkauft, begab ich mich hochmotiviert auf den Dachboden, in der Hoffnung, dort ein paar brauchbare Spenden zu finden.
In einer Ecke fand ich eine uralte Holzkiste, deren Scharniere bei meiner Berührung ächzend zu Boden polterten. Der Staub auf diesem Monstrum schien mindestens noch Vorkriegsware und die Spinnen, die ihre Netze um sie gesponnen hatten, waren auch mindestens schon fünfzig Jahre im Spinnenhimmel.
Doch der Kisteninhalt war trotz oder vielleicht auch gerade wegen des Staubs und der etwas unsympathischen Spinnweben so faszinierend, dass ich alles um mich herum vergaß und in eine längst vergangene Zeit eintauchte. Erst meine Freundin holte mich unsanft in die Wirklichkeit und damit in die Gegenwart zurück.
Plötzlich tauchte ihr Kopf in der Dachluke auf und mit einem vorwurfsvollen Blick sah sie mich an: ,,Ich dachte, Du wärst hier, um mir zu helfen und nicht um zu lesen. Nimm den Plunder doch mit nach Hause und verlustiere Dich da damit, dann habe ich den Mist wenigstens schon mal aus den Füßen. Außerdem müsstest Du Dich mal sehen, Du siehst aus, als hättest Du in Draculas Gruft gewühlt.“
Recht hatte sie, in allen Punkten. Ich war staubig bis zu den Haarwurzeln, hatte ihr noch kein bisschen geholfen und zu Hause könnte ich mich viel besser in die gefundenen Schätze vertiefen. Also packte ich sorgfältig alles aus der Kiste in eine zwar unmoderne, aber wenigstens nicht staubige, riesige Reisetasche der ehemaligen Hausbesitzerin und schleppte es abends zu mir nach Hause.
Dort habe ich es mir gemütlich gemacht und zu allererst ein sehr abgenutztes und stark zerfleddertes Büchlein zur Hand genommen, in welchem mit schöner, zierlich gemalter Handschrift Eintragungen in englischer Sprache gemacht worden sind. Welche Qual für mich, handgeschrieben und dann auch noch auf Englisch. Ich seufzte und hoffte, dass mein damaliger Freund, ein Amerikaner, geneigt sein würde, mir bei dem Studium des Geschriebenen zu helfen.
Doch auch ohne seine Hilfe fand ich heraus, dass es sich bei diesem Heftchen ganz offensichtlich um das Tagebuch einer Frau handelte und ich nahm zunächst an, auf die Erinnerungen an die Jugendzeit der alten, verstorbenen Dame gestoßen zu sein, obwohl mich die englische Sprache ein wenig stutzig machte. Ich habe die Frau ein wenig gekannt und erinnerte mich noch gut an ihren sehr rheinisch gefärbten Tonfall.
Ich begann, meine Schätze zu sortieren und fand letztendlich noch eine ganze Reihe weiterer Heftchen, was schlicht untertrieben ist, denn es waren weit über hundert in ganz unterschiedlichen Qualitäten. Bei genauerem Hinsehen stellte ich dann fest, dass auch ein ganzer Stapel loser Blätter, engst beschrieben, zu diesen Lebensaufzeichnungen gehörte und je mehr ich mich in die Materie eingelesen hatte, merkte ich, dass die Qualität des Aufzeichnungspapiers nicht nur unterschiedlich war, sondern immer besser wurde, was mir das Sortieren letztendlich vereinfachte.
Leider sind im Laufe der vielen Jahre die Hefte teilweise auseinandergefallen, wobei etliche Seiten der Aufzeichnungen verloren gegangen sind. Auch muss ich zu meiner Schande gestehen, dass meine zu Beginn noch sehr ungeschickten Finger viele der Blätter, die knochentrocken und schon beim Öffnen der Kiste bröckelig gewesen sind, einiges an Staub erzeugt haben: Genauer gesagt, mir zerfielen die Aufzeichnungen im wahrsten Sinne des Wortes vor den Augen. Dennoch oder gerade deswegen faszinierte mich das Geschriebene aufgrund seines Alters in größtem Maße und ich kam schnell dahinter, dass die Hausbewohnerin nicht die Verfasserin sein konnte, denn die Daten der Eintragungen lagen weit zurück ins neunzehnte Jahrhundert und die Verstorbene war noch keine siebzig Jahre alt gewesen. Bei späteren Nachfragen bei den neuen Nachbarn meiner Freundin erfuhr ich, dass die Vorbesitzerin des Hauses eine entfernte Verwandte der ursprünglichen Hausbewohner gewesen ist, die irgendwann in den fünfziger Jahren nach Amerika, der Heimat der Frau, zurückgekehrt sind und dort kurze Zeit später einem Verkehrsunfall zum Opfer gefallen waren.
Читать дальше