Orbs verschmähen modische Krawatten Orbs verschmähen modische Krawatten Vorsorglich bitte ich um Entschuldigung, wenn ich den geneigten Leser an einen kalten Winterabend im Jahre 2008 entführe. Ja, muss das denn sein, haben wir nicht die Nase voll von Dunkelheit und Kälte? Könnte der Autor nicht ein bisschen dichterische Freiheit walten lassen und seinen Bericht an einen lauen Frühlingsabend verlegen? Leider nicht, denn bei der Sache ist absolute Wahrhaftigkeit erforderlich. Wir brauchen sicheren Grund; die Fakten müssen stimmen, sonst verlieren wir uns Hand in Hand im Spekulativen. Es ist also dunkel und nicht kalt, sondern saukalt. Eisiger Dunst hängt in der Luft. Ich atme in meinen Schal und schreite wacker aus, denn ich will meine neue Digitalkamera ausprobieren. Vor mir ragte der riesige Klotz der ehemaligen Hanomag-Fabrik in den Nachthimmel. Vom Baumarkt drüben fällt ein wenig Licht auf die Front, das spiegelt sich in den matten Fenstern. Bin gespannt, ob meine Kamera das einzufangen versteht. Die ersten Versuche sind enttäuschend, das kann ich sogar ohne Brille auf dem Display sehen. Ob der Blitz bis zum Gebäude reicht? Das tut er nicht. Stattdessen zeigt das Foto unzählige Schneeflocken. Ich vergleiche das Bild auf dem Display mit der Wirklichkeit, aber da ist kein Schnee, nicht ein Flöckchen fällt aus dem eisigen Himmel. Auch das Säubern der Linse hilft nicht. Sobald ich blitze, tauchen die Flocken auf. Meine neue Kamera muss eine Flockenmacke haben, denke ich und mache auf dem Nachhauseweg noch ein paar Mackenbilder. Zurück in die Gegenwart. Ich bekam eine E-Mail von Jeremias Coster, dem Professor für Pataphysik an der Technischen Hochschule Aachen. Coster fragte mich, ob ich schon einmal von Orbs gehört hätte. Er sei ganz begeistert von diesen geisterhaften Erscheinungen. Die Allwissende Maschine Internet (DAMI) klärte mich auf. Orbs sind seltsame Lichtflecken auf Digitalfotos. Und ich las, das Orb-Phänomen werde schon längst von Grenzwissenschaftlern und Kornkreisforschern untersucht, denn Orbs sind vielleicht oder sogar höchstwahrscheinlich, zumindest aber eventuell verirrte Geister aus der Zwischenwelt, ggf. sogar die astralen Ausscheidungen von Engeln. Als Skeptiker schrecke ich sogleich zurück, wenn es heißt, eine Sache werde in Korntrinkerkreisen erforscht. Von Coster weiß ich allerdings, dass er sich an die Fastenzeit hält und derzeit dem Alkohol entsagt. Ich rief ihn also an und fragte ihn, was er von diesen Theorien hält. „Ich bin völlig überzeugt, dass Orbs die Abbilder von Engeln sind!“, sagte Coster. Er habe sie sogar auf Fotos von Familienfesten entdeckt. Das erlaube nur einen Schluss, ja, beweise zwingend: „Die Verstorbenen wollen mit ihren Lieben feiern.“ Ratlos legte ich den Hörer auf. Wie zum Teufel gießen die feiernden Engel sich die geistigen Getränke hinter die Binde, wenn sie gar keine haben?
Wundern hoch drei
Zwei Anrufe im Omnibus
Von der Tücke der Objekte, besonders der Badelatschen
Attic thoughts
Sie können mich mal beim Rasieren beobachten!
Tisch 43
Des Kellners Irrtum – Fehler im galaktischen Betriebssystem
Bericht von einer pataphysikalischen Forschungsreise
Mal etwas Gutes über den Herbst
Prima Fernsehen mit Coster
Coster übern Tisch weg
Jeremias Coster entwirrt die Welt und verknotet sie wieder
In meinem Bügeleisen ist beinahe Vollmond
Von der Kunst der Eigenregie
Mit hohlen Augen betrachtet
Bückling vor dem Formular
Eine große Tasse Kaffee, eine kleine Tasse Kaffee und keine neue Hose
Costers Fahrt durch unscharf berechenbare Randzonen
Vöglein schlägt Papiertiger
Einiges über Superlative, Baseballschläger und Fußleisten
Schnee von gestern
Neueste Nachrichten vom Nichtstun
„Ga-ga-ga!“ – Aufbruch der Graugänse
Lobpreisung einer Kaffeemaschine
Alles muss man selber machen
Warnung vor meiner Waschmaschine
Feng Shui oder Immerzu nächtliches Gepolter
Fürsorgliche Untat
Ein Dresdner pustet mich an
Wenn Sie ein Konzert besuchen - denken Sie an mich
Das Gesicht des Büttels
Mutmaßungen über einen Mann in Schafswolle
Einiges über Jack – Verboten für Außerirdische
Boshafte Naturbetrachtung im Grünen
Einiges über Herren, Knechte und Freie
Lautes Lied der Erde
Bitte warten
Prüggenböhlnfüßmüsike
Hier stehen nur Wörter, wenn du befugt bist zu lesen
Wahrer Bericht aus meinem Luxusleben
Warum Herr Gottschalck nächtens über meinen Flur schleicht
Früher war hier alles schöner
Per Handorakel über Gleise durch Universen
Trithemius stellt den Sommer zur Rede
Telefongespräch über beherrschende Socken
Gedanken über die Nacht der Bäume
Gedanken unter der Kreissäge
Vom Nachlass der Hunde – Tretet dAdA rein!
Aushängebogen – Bitte Fehler aufspießen
Über nasse Polster, Handwerker und ein Loch im Wasserkrug
Aquarell
Die schönsten Augen nördlich der Alpen
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Außerirdische zwingen mich zu lügen
Eines Nachts, ich liege wach im Bett, da landet etwas mit leisem Sirren auf meiner Brust, schlägt genau auf dem Brustbein auf. Ich habe sogleich hingelangt, doch was da gelandet war, hatte sich schon verzogen. Augenblicklich begannen in meiner rechten Brust die Muskeln zu zucken und es fühlte sich an, als wären an den Sehnen und Strängen Wartungsarbeiten zugange. Klar, dachte ich, das war ein außerirdisches Flugboot, hat winzige Humantechniker abgesetzt, und die haben sogleich angefangen, mich neu zu verdrahten. Aber man will in solchen Angelegenheiten gefragt werden, ich war sogar ein bisschen unwillig und habe die unwillkürlichen Zuckungen durch willkürliche Muskelanspannungen gestört. Die außerirdischen Humantechniker sind vielleicht dadurch herumgewirbelt worden, aber sobald ich aufhörte, ihnen Stress zu machen, gingen die Neuverdrahtungsarbeiten unverdrossen weiter, eine ganze Weile.
Ob die Humantechniker wegen meiner Störmanöver falsche Anschlüsse gelegt haben oder ob es böse Absicht war, aber seither kann ich nur Texte wie diesen hier schreiben. Darin ist kein Wort wahr. Sie sind quasi komplett gelogen. Falls die neue Verdrahtung meiner Schreibhand weitere Lügengeschichten hervorbringen sollte, werde ich selbstverständlich nichts mehr schreiben und Bleistift und Tastatur bei der Polizei abgeben.
In China gibt es manches, was es bei uns nicht. Umgekehrt ist es natürlich genauso. In China gibt es zum Beispiel den Spruch nicht, „was kümmert mich, ob in China ein Sack Reis umfällt“. Jedenfalls habe ich gehört, dass man sich in China die Kopfhaare Kopf zählen lassen kann. Das ist ja von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Rothaarige haben etwa 90.000 Haare, Blonde bis 140.000. Täglich fallen etwa 60 bis 100 Haare aus. Wenn du dir also in China die Haare zählen ließest, wäre es grad mal eine verlässliche Zahl für den einen Tag.
Dass Haare eine Wurzel haben, weiß man. Doch was eine Wurzel genau ist, habe ich eigentlich erst gemerkt, als mir einmal ein Zahnarzt eine Wurzelbehandlung verpasst hat. Wie der da mit einer Sonde in meinem Zahn rumgebohrt, das hatte etwas ziemlich Brutales. Ich konnte ihn förmlich keuchen hörten, weil es offenbar anstrengend ist, so eine Wurzel zu ermorden oder immerhin abzutöten. Der hat nicht locker gelassen, bis die Wurzel mausetot war. Und mittendrin in diesem Mordgeschehen, das der Arzt unbedingt hat durchziehen wollen und für das ich mein Einverständnis gegeben hatte, indem ich das Maul aufgemacht hab, jedenfalls mitten in diesem durchaus unerfreulichen Akt, da dachte ich: eine Zahnwurzel lebt. Sonst müsste sie ja nicht behandelt werden, was ja nur der Euphemismus für abtöten ist. Jede Wurzel an deinem Körper lebt. Sie führt ein Eigenleben, schiebt ein Haar oder einen Fingernagel aus deinem Körper, hält einen Zahn bei Laune … Und wenn du weiter nachdenkst, so in den Bereich des Mikroskopischen, da lebt noch viel mehr in dir. Eigentlich bestehst du ja komplett aus Zellen, und diese Zellen leben, teilen sich, sterben ab usw.
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