Optisch war er das schließlich auch.
Drinnen wurde ich von der Geräuschkulisse und dem luxuriösen Ambiente beinah erschlagen. Ich gab mir redlich Mühe mir meine Begeisterung nicht anmerken zu lassen. Zwei Damen der High Society schwebten auf uns zu, begrüßten uns mit ein paar anerkennenden Floskeln, beglückwünschten uns – wobei sie mich unverhohlen mit ihren Blicken erdolchten – und machten uns Komplimente. Alan lachte leise, weil die Frauen mich beneideten. Ha, wenn die wüssten!
Die nächste Stunde wiederholte sich das Prozedere noch etliche Male, bis ich endlich meinen ersten Drink bekam. Ausgerechnet vom Bürgermeister, dessen Frau Alan unverblümt anschmachtete und mir eine recht bissige Bemerkung schenkte.
Ich musste bald erkennen, dass sie nur den Anfang machte.
Ehrlich, falls Alan irgendwann eine Freundin gehabt hatte oder haben würde, sollte er aufmerksamer sein und sie verteidigen. Da ich jedoch nicht echt war, schien es ihn nicht zu kümmern. Er unterhielt sich prächtig mit den Frauen, die ihn umschwärmten, während ich mich am Rand der Gesellschaft aufhielt. Ich fühlte mich unwohl. All dieses aufgesetzte Getue ging mir gegen den Strich. Ich fing an, mir die Damen genauer anzusehen. Bei der ein oder anderen würde sich ein kleiner… äh… Besuch durchaus lohnen: Es blitzten Diamanten, Gold, Rubine, sogar hin und wieder Smaragde und ein paar andere interessante Steinchen. Mit denen ließen sich gute Geschäfte machen.
Oh, oh…
Mir fiel auf, dass die Frauen zwei Grüppchen um Alan bildeten. Eins lenkte ihn ab, das andere schwebte langsam aber stetig auf mich zu. Doch bevor sie mich erreichten, sprach mich ein Mann an, der mir Champagner anbot. „Die Ladys haben es wohl auf Sie abgesehen, hm?“ Sah ganz danach aus. Ich nickte, wobei ich ihn hilfesuchend ansah.
Hey, ich konnte mir selbst helfen. Aber ich sollte spielen – Anweisung von Alan. Und im Moment war ich sehr eingeschüchtert.
„Vielleicht sollten wir Alan Garu mal zeigen, dass er besser auf Sie achtgeben sollte. Ich würde eine schöne Frau wie Sie keine Minute aus den Augen lassen.“ Ich schluckte ergeben. „Meinen Sie?“ Er räusperte sich und beugte sich zu mir herunter. „Auf jeden Fall! Kommen Sie.“ Er bot mir seinen Arm und im Nu stand ich mit ihm zusammen in einem einzigen Männerpulk, der mich mit Komplimenten überschüttete. Ui, einige der Herren trugen eine Rolex. Sehr alte Uhren, aber immer noch sehr viel wert. Eigentlich so gut wie unbezahlbar. Gedanklich notierte ich mir die Namen der dazugehörigen Männer. Jepp, ein gutes Gedächtnis war Gold wert. Wortwörtlich. Sobald ich wieder daheim wäre, würde ich im Netz ein wenig recherchieren. Oh Alan, danke für diese Goldgrube! Sollte ich Skrupel haben?
Nein. Warum auch?
Die Typen wollten sich mit mir dekorieren. Sie hatten eigentlich gar kein Interesse an mir persönlich. Ich war – offiziell – mit Alan Garu liiert und das wiederum bedeutete, dass ich ihren Status noch ein Stückchen anhob.
Herrje! Alan brauchte wirklich lange, um zu begreifen, dass seine Freundin angebaggert wurde und nichts dagegen hatte. Wenigstens amüsierte ich mich. Ein paar der Anekdoten, die die alten und jungen Herren zum Besten gaben, waren wirklich großartig. Immer wieder reichte man mir ein neues Champagnerglas, als ob die Männer es darauf anlegten mich betrunken zu machen. Die wussten allerdings nicht, dass meine Alkoholtoleranz verhältnismäßig hoch lag. Einer der Gründe, warum ich gegen Chris ziemlich regelmäßig beim Wetttrinken gewann. Trotzdem… sie mussten nicht wissen, dass Alan mit einem Menschen ausging, bei dem ein kleiner Zusatz in den Papieren stand. Das wusste noch nicht mal Alan.
Und dabei konnte es meinetwegen auch bleiben.
„Puh, ich sollte nichts mehr trinken.“, lächelte ich breit zu Harry, dem jungen Mann, der mich in die Gruppe eingeführt hatte. Ich wedelte mir Luft zu und torkelte ein wenig, was er dazu nutzte, seinen Arm um meine Taille zu legen. Just in dem Moment tauchte Alan auf, legte seine Hände auf meine Schultern und küsste mich in den Nacken. „Amüsierst du dich gut, Schatz? Tut mir leid, dass ich dich so lange allein gelassen habe.“ Hoppla, er schnurrte, als würde er das tatsächlich so meinen. An die Männer gewandt bedankte er sich für deren Aufmerksamkeit, wobei seine Hände unmerklich die des anderen ablösten. „Einen schönen Abend euch noch. Es war mir ein Vergnügen!“, trällerte ich und verteilte Kusshände.
Zügig führte mich Alan von den Männern weg und zur offenen Veranda, auf der mich die Kühle der Nacht sofort umarmte. Verdammt, war das kalt! „Was sollte das? Sollen sich die Lästermäuler ihr Maul zerreißen? Du gehörst die nächsten drei Monate zu mir, nicht zu denen.“, zischte er leise mit gesenkter Stimme nah an meinem Ohr. „Entschuldige bitte!“, lallte ich, überzeugend die Beschwipste spielend, „Du warst beschäftigt! Hätte ich dich etwa die ganze Zeit anschmachten und an deiner Seite bleiben sollen? Nicht in diesem Leben! Immerhin hast du dich belagern lassen. Die Frauen hatten dich doch förmlich schon nackt ausgezogen und mich erdrosselt.“ Er lachte leise. „Eifersüchtig?“ Wie bitte? „Sonst noch einen Wunsch?“ Der Typ ging mir gehörig auf die Nerven. Aber ein paar Wochen würde ich das noch aushalten müssen.
Laura, du schuldest mir wirklich eine verdammt riesig große Menge .
„Es hat sich so angehört. Ab sofort bleibst du an meiner Seite.“ Er sah mich durchdringend an. „Und keinen Alkohol mehr.“ Ja, Papi . Seufzend nahm ich seinen angebotenen Arm und ließ mich von ihm hinein begleiten. „Oh, kein Kuss?“, bemerkte eine sehr kräftige Frau in einem blauen Sari, der ihr ein paar Nummern zu klein war. Sie erinnerte mich an eine Operndiva. Hatte sie unsere Unterhaltung gehört? Bestimmt nicht. Wir hatten beide geflüstert. „Es ist ihr peinlich in der Öffentlichkeit.“, schnurrte Alan in ihre Richtung, obwohl ich mir sicher war, dass seine Augen die Lady eiskalt anfunkelnden. Oder galt der eisige Blick nur mir? Vermutlich. Denn die Gute schien entzückt. Grr, ich hätte Alan am liebsten ins Schienbein getreten. Oder in seinen blasierten Hintern!
Stattdessen lächelte ich schüchtern, senkte meinen Blick auf den gefliesten Boden und schluckte meine Wut hinunter. Aber es ließ sich nicht vermeiden, dass mir ein ganz leise geflüstertes, triumphierendes und nur für ihn bestimmtes ‚Feigling‘ über die Lippen rutschte. Ich unterdrückte mein Lachen, denn seine Reaktion zeigte mir, dass er es verstanden hatte.
Gegen drei Uhr morgens war ich wieder daheim und hundemüde. Meine Füße taten weh, waren geschwollen und fühlten sich an wie zwei riesige Kürbisse. Ich schwor mir, nie wieder neben ihm zu stehen und zuzuhören, wie dieser Knilch angeschmachtet, begrabscht und in den höchsten Tönen gelobpreist wurde, während mich diese wunderschönen Schuhe fast umbrachten. Blasen hatte ich keine. Vom Stehen bekam man die nicht. Allerdings eine verkrampfte Beinmuskulatur. Jetzt, wo ich die Schuhe nicht mehr trug, kam es mir vor, als würde ich ständig bergauf laufen. Das, oder meine Dusche, das Haus und überhaupt alles befand sich plötzlich in Hanglage. In sämtlichen Richtungen!
Nachdem ich mich gründlich gewaschen, jegliche Farbe aus meinem Gesicht und das Gel aus den Haaren entfernt hatte, rubbelte ich mich trocken, schlüpfte ich meinen Pyjama, taperte in meine Schlafstube und huschte unter die Bettdecke. So wie ich im Bett lag, war ich putzmunter.
Sehr schön.
Ich ging also in Gedanken nochmal alle Namen durch, die mir am Abend genannt worden war und filterte sie so, dass nur die übrig blieben, bei denen wirklich ein paar gute Stücke zu holen sein würden. Zehn Personen blieben in der engeren Auswahl, wobei ich bei Harry ein wenig am Schwanken war.
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