Daniel gab ihm mit der Hand ein Zeichen.
„Don Romano, wäre es möglich, dass ich erst in Dein Büro kann?“
Der Restaurantbesitzer sah Daniel verwirrt und fragend an und Daniel nickte ihm kaum merklich zu. Dann sagte er:
„Aber natürlich, fühle Dich ganz wie zu Hause, aber hinterher seid ihr meine Gäste!“
„Mit dem größten Vergnügen!“
Layla sah ihn ganz perplex an. Daniel setzte nur sein wissendes Gesicht auf, zwinkerte ihr zu und folgte Don Romano. Layla folgte den beiden schweigsam. Sie würde sich gedulden müssen. Im Büro von Don Romano angekommen fiel Layla dann erst mal das Kinn bis auf die Brust herunter. Es sah aus, wie in einem Hightech – Labor. Unzählige Computer standen hier Reihe an Reihe und die vielen blinkenden Lichter zeigten, dass die Computer auf Hochtouren arbeiteten. Daniel setzte sich auf den großen Computersessel und begann an dem mittleren, zentralen Computer zu tippen.
„Was ist das denn?“
fragte Layla und ihre Augen leuchteten.
„Hmm, Du kennst ja auch meine Vergangenheit? Bevor ich Sicherheitsexperte für Computersysteme wurde, war ich auch mal auf der anderen Seite!“
„Welche andere Seite?“
„Ein Hacker. Was Du aber sicher nicht weißt, ist, dass es ein richtiges Hackernetzwerk hier in Mexiko gibt, das heißt, es gibt einige Hotspots, einige Hackerzentralen, von wo aus die Angriffe geplant und ausgeführt werden. Dies ist einer dieser Hotspots. Ich hätte zwar auch über mein Handy, Deine E-Mails herunterladen könne, aber hier geht es wesentlich schneller und von hier aus kann ich auch noch versuchen, weitere Informationen einzuholen. Gib mir mal bitte Deinen Labtop!“
Layla holte den Labtop aus ihrer Umhängetasche und gab ihn Daniel, der ihn an einige Kabel anhängte. Layla gab ihr Passwort ein und öffnete ihre Mailbox. Mit unvorstellbarer Geschwindigkeit luden sich die Mails, die aufgrund der Attachements ganz schön umfangreich waren. Layla öffnete die Anhänge und fragte Daniel, ob sie diese ausdrucken konnte. Daniel übernahm die Tastatur. Mit der unglaublichen Routine eines Experten huschten seine Hände über die Tasten. Layla vermochte ihm nicht auch nur ansatzweise zu folgen, aber nicht einmal fünf Minuten später hatte sie gut 50 Seiten an Daten auf ihren Schoss und blätterte sich hindurch. In der Zwischenzeit schloss Daniel sein Handy über ein weiteres Kabel an und begann erst an der Handy Tastatur und dann an ihrem Labtop zu tippen, dann zurrte auch schon wieder der Drucker.
„Die Bilder von diesem verfluchtem Tempel. Ich habe sie Dir auch auf Deinen Labtop geladen und an Peter geschickt. Brauchst Du sonst noch etwas?“
„Ja, ich habe jetzt keine Zeit, mich um all diese Dinge zu kümmern. Ich muss den geheimen Pfad finden. Kannst Du diese Daten bitte auswerten und vielleicht noch weitere Daten suchen?“
„Natürlich, kann ich das! Es wird mir ein Vergnügen sein“
„Dann brauche ich ein anderes Auto. Das da draußen dürfte mittlerweile dank der Aktion beim Tempel bei Sergio und Antonio bekannt sein!“
„Du willst doch nicht schon heute nach Aguas Verdes? Es wird bald dunkel!“
„Wenn wir die Karte gleich entschlüsseln können, dann würde ich tatsächlich schon heute gehen!“
Daniel begann wieder in seiner fast widernatürlichen Geschwindigkeit auf die Tastatur zu Hämmern. Nach wenigen Momenten sagte er:
„Dein Auto, einen Jeep Cherokee hast du in zwanzig Minuten hier vor dem Haus.“
Dann begann Daniel wieder mit seiner Arbeit. Layla vertiefte sich wieder in die Informationen über die verschwundenen Frauen, die Peter geschickt hatte. Sie konnte aber überhaupt keine Zusammenhänge erkennen. Es schien fast so, als wären sie willkürlich ausgewählt worden. Da würde wirklich Daniel darangehen müssen. Daniel schien mit seiner Arbeit erfolgreicher gewesen zu sein, der er pfiff plötzlich zwischen seinen Zähnen und winkte Layla zu sich heran.
Er hatte die Bilder aus dem Handy über eine Landkarte von Google Earth gelegt. Deutlich sichtbar waren die Pyramide und der Plaza Mayor, die maßstabgetreu mit der Zeichnung übereinstimmten, Selbst das gelbe Gebäude des Tempels war deutlich zu erkennen. Was aber überhaupt nicht zu erkennen war, war der geheime Pfad und dessen Ende. Da war nichts, überhaupt nichts.
„Daniel, kannst Du es vergrößern?“
„Natürlich!“
Daniel zog an der Maus und das Bild, sowie die Karte vergrößerten sich. Layla zuckte zusammen.
„Daniel, mach mal den roten Strich einen Millimeter zur Seite!“
Daniel nickte, klickte zwei-, dreimal an der Maus und schon war der rote Pfad wenige Millimeter weiter rechts. Layla sprang vor Aufregung auf. Jetzt konnte sie entlang der roten Linie eine feine natürliche Linie erkennen, die auf den Millimeter genau übereinstimmte. Es war aber kein Weg, oder gar eine Straße, es war vielmehr ein ausgetrockneter Flusslauf! Dieser Fluss musste aber schon lange ausgetrocknet sein, denn er sah selbst in dieser großen Auflösung ziemlich verwittert aus, praktisch nicht mehr wahrnehmbar. Hätten sie die rote Linie nicht gehabt, hätten sie ihn niemals gesehen.
„Kannst Du mir dies ausdrucken?“
„Natürlich!“
„Gehe jetzt bitte zum Ende der Linie!“
Daniel machte, wie ihm geheißen wurde, aber auch hier war nichts zu sehen. Es war praktisch eine Steinwüste, ohne irgendwelche erkennbare Form. Sollte dort ein Dorf namens Aguas Verdes, also grünes Wasser sein? Unmöglich! Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als sich dort persönlich umzusehen. Auch wenn es spät wäre, sie würde sofort aufbrechen und sich zumindest dort umsehen. Es blieb noch mindestens zwei Stunden hell. Wenn sie sich beeilte, müsste sie noch vor Einbruch der Dunkelheit dort eintreffen. Vielleicht konnte sie sogar schon Sergio Alcazar interviewen. Wichtigstes Ziel aber war natürlich, Lupi zu finden. Sie hatte zwar keine Ahnung, wie sie das bewerkstelligen sollte, noch hatte sie eine Ahnung, wie sie diese dann befreien sollte, wenn sie sie wirklich finden sollte, aber es nicht zu versuchen, war einfach keine Alternative. Was würden diese Monster heute Nacht Lupi antun? Sie würde sich dies niemals verzeihen können. Sie musste los. Und zwar so schnell als möglich.
Aus den Aufzeichnungen von Ocelotl, verstoßener Jaguarkrieger ohne Volk
Weiterer Verlauf der Aufzeichnung: Im Jahre des Herrn 1525, wobei dieses Datum später aus dem Aztekischen Kalender umgerechnet wurde.
Seit ich verstoßen worden war, waren fünf Xihuitl, also Sonnenjahre vergangen, die ich alleine in der Wildnis verbringen müsste. Es waren harte Jahre der Entbehrungen gewesen.
Mittlerweile konnte ich meine zweite Natur gut kontrollieren und sogar zu meinen Gunsten einsetzen. Anfänglich war ich dem ständigen Wechsel hilflos ausgeliefert. Ich verstand nicht, was mit mir passierte. Alle drei bis vier Tage verlor ich die Kontrolle über mich selbst und wachte dann immer blutüberströmt wieder auf, meistens ein totes, schrecklich zerfleischtes Tier neben mir. Zweimal waren es sogar tote Menschen gewesen. Niemals von meinem eigenen Volk, sondern immer von den verräterischen Tlaxcalteken, die, wie ich erfuhr mit den Bleichgesichtern, den Spaniern gemeinsame Sache gemacht hatten, die wiederum leider niemals mehr unter meinen Opfern waren.
Dann aber lernte ich diese zweite Natur zu zügeln. Ich verlor nicht mehr die Kontrolle über mich selbst in diesen Nächten. Nach einiger Zeit konnte ich es sogar bewusst steuern. So sehr ich diese zweite Natur zu Anfang hasste, so sehr liebte ich sie mit der besseren Kontrolle immer mehr. Es war atemberaubend, was diese zweite Natur aus mir machte. Auch wenn ich es mir anfänglich nicht vorstellen konnte, war ich durch sie noch stärker, noch schneller und damit noch tödlicher geworden. Langsam begann ich zu verstehen, dass der winzige Spanier auch über solch eine zweite Natur verfügt haben musste, dass er mich auf diese Weise hatte besiegen können. Diese Erkenntnis brachte mir auch mein Selbstbewusstsein zurück, das mir diese bittere Niederlage geraubt hatte.
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