Das Amulett war mittlerweile so heiß geworden, dass es Layla fast ein Loch in die Bluse brannte. Sie musste es abnehmen und tat es in ihre Handtasche. In der Zwischenzeit startete Daniel den Motor und fuhr an.
Im selben Moment, als Daniel auf die Strasse fuhr und den Wagen beschleunigte, sprang ein untersetzter Mann aus der offenen Tür des verfluchten Gebäudes. Trotz seiner Fülle bewegte er sich elegant und anmutig. Er schaffte es sogar fast, das Auto noch zu erreichen, bevor Daniel das Gaspedal voll durchtrat und der Wagen einen Sprung nach vorne machte. Trotzdem bekam das Fahrzeug noch einen Schlag von der Person ab, der das Fahrzeug zum Schlingern brachte. Wie konnte ein menschliches Wesen nur so hart zuschlagen und vor allen Dingen, wie konnte es sich so unverstellbar schnell bewegen?
Angsterfüllt drehte sich Layla um. Daniel hatte den Wagen wieder in Beherrschung bekommen und trat das Gaspedal wieder bis zum Boden durch.
Zum Glück brach der Mann den Angriff ab und setzte dem Auto nicht weiter nach. Er lächelte sogar und winkte dem Fahrzeug hinterher, dann drehte er sich um und ging zum Gebäude zurück.
Layla nahm vorsichtig das Amulett wieder aus der Tasche und betrachtete es. Es war immer noch warm. Was war dies nur? Es schien sie zu führen und vor Gefahr zu warnen. Nur leider wurde es dabei unerträglich heiß. Und warum hatte es sie nicht davor gewarnt, dass Lupi entführt wurde. Es hatte sie ebenfalls nicht von Antonio Gonzales López bei der Polizeistation gewarnt. Warum nur? Warum führte es sie manchmal, die meiste Zeit jedoch nicht, warum warnte es sie manchmal, manchmal jedoch nicht? Warum bereitete es ihr dabei solche unerträgliche Schmerzen? Layla wurde klar, dass sie noch so vieles nicht wusste. Auch Dinge, die überlebenswichtig für sie waren. Nachdenklich zog Layla die Kette wieder über den Kopf. Jetzt war das Amulett wieder kühl. Es fühlte sich sogar angenehm auf der sich bildenden Brandblase auf ihrer Brust an.
Da klingelte auf einmal ihr Handy. Sie nahm es aus der Tasche und erschrak, als sie sah, dass Peter sie anrief. Herrgott noch mal, den hatte sie ja total vergessen. Sie antwortete:
„Hallo Peter!“
„Mann Layla, ich versuche seit Stunden, Dich zu erreichen. Ich wollte schon einen Suchtrupp losschicken!“
„Sorry, Peter, es tut mir wirklich sehr leid!“
„Layla ich kenne Dich ja. Wenn Du an einer Story bist, dann kann Dich nichts, aber auch gar nichts bremsen!“
„Peter, es tut mir wirklich leid!“
„Schon gut! Ich habe einige Infos für Dich. Zuerst Mal diese Mercedes Ramírez. Also sie wurde tatsächlich entführt. Ihre Familie hat eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Ihre Familie wohnt in Puebla. Hast Du was zu schreiben, ich gebe Dir die Namen der vermissten Mädchen durch?“
„Moment bitte!“
Layla nahm ihre Tasche und begann drin zu wühlen. Sie nahm einen Notizblock und einen Bleistift hervor. Sie klemmte sich das Telefon zwischen Ohr und Schulter ein und sagte:
„O.K. Peter, ich bin bereit!“
Peter nannte ihr die Adresse, die Layla in ihr Notizblock schrieb. Viele Namen musste Peter ihr buchstabieren, da er deren korrekte Spanische Aussprache nicht kannte. Layla dankte ihm und fragte:
„Hast Du auch was über Sergio Alcazar und Aguas Verdes herausfinden können?“
„Nein, habe ich nicht. Den Namen Sergio Alcazar gibt es gar nicht. In keinem Register. Es gibt keine Urkunde über ihn, keine Versicherungsnummer, nichts, nada, niente. Selbiges gilt für Aguas Verdes im Mexikanischen Hochland. Es gibt etwas über Aguas Verdes in Argentinien und Peru. Auch in Mexiko habe ich etwas gefunden, aber nur in Baja California. Das hilft Dir nicht viel, oder?
„Nein, nicht wirklich, Was hast Du über den geheimen Pfad von Cholula und die verschwundenen Frauen?“
„Ich konnte eine Liste finden mit insgesamt 47 Frauen aus Cholula, Tlaxcala und Puebla. Ich habe Dir die Liste per Mail geschickt. Ist sehr interessant, schau es Dir bei Gelegenheit mal an. Über den geheimen Pfad habe ich auch nicht viel herausgefunden. Es klingt alles sehr stark nach Gruselmärchen, so in der Art, ‚niemand de ihn je sah, überlebte’ Das einzige was irgendwie nach verwertbarer Information klingt, ist der Hinweis, dass er in einem Tempel oder einer Kirche beginnen soll. Ich habe auf jeden Fall alles zusammengestellt und Dir geschickt. Brauchst Du sonst noch etwas?“
„Ja, könntest Du versuchen dich an eine Person namens Antonio Gonzales López zu hängen. Ich weiß, dass es Tausende dieses Namen geben muss, aber dieser muss mit Aguas Verdes, oder dem verschwundenen Pfad oder Cholula zu tun haben!“
„Kein Problem, mache ich mich gleich daran“
„Des Weiteren brauche ich alle verfügbaren Informationen über einen Pater Mark Bishop und des Convento Santo José, hier in Mexiko!“
„Ist gebongt. Was hast Du herausgefunden?“
Layla wusste genau, dass sie im nächsten Flugzeug nach Europa saß, wenn sie Peter alles wahrheitsgemäß erzählte. Deshalb gab sie ihm eine abgeschwächte Version ohne die Gefahren und ohne die übernatürliche Note darin. Als sie erwähnte, dass sie wahrscheinlich den geheimen Pfad von Cholula gefunden hatte, pfiff Peter anerkennend. Vor ihrem inneren Auge sah sie ihn lächeln. Alleine dies konnte schon eine kolossale Story werden.
Peter legte auf. Daniel sah sie neugierig an, sodass sie Layla kurz auf den neusten Stand brachte. Dann begann sie sich nachdenklich am Kinn zu kratzen. In ihren Gedanken begann ein Plan für die nächsten Schritte zu reifen. Dafür musste sie erst einmal an ihre E-Mails kommen.
„Daniel, kennst Du hier irgendwo in der Nähe ein Internet Cafe, wo ich meinen Computer anschließen kann?“
„Sag mal, in welchem Jahrhundert lebst Du?“
fragte Daniel mit gespielter Entrüstung, fuhr in eine Nebenstrasse die über Umwege wieder ins Zentrum führte und steuerte mit einem undeutbaren Grinsen nach circa 5 min ein ganz normales typisches mexikanisches Restaurant an.
„Was hast Du vor? Hier finden sie uns doch in wenigen Minuten und hier komme ich auch nicht ins Internet!“
Daniel lächelte nur und fuhr in eine gut getarnte Einfahrt, die ihn hinter das Gebäude führte. Dort stellte er das Auto ab und führte die überraschte Layla ins Restaurant. Dort wurde er vom Besitzer ganz freudig begrüßt. Auch die Tochter des Besitzers war gar ganz außer sich vor Freude, als sie Daniel sah und sprang ihm mit einem Aufschrei in die Arme. Daniel lächelte und der Besitzer schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter, während es sagte:
„Daniel, was für eine Überraschung. Was gibt uns die Ehre nach dieser langen Zeit, dass Du uns einmal wieder besuchst? Und wer ist die hübsche junge Dame an Deiner Seite!“
„Das ist meine Prima Layla. Sie lebt in der Schweiz, ist aber Deutscher Staatsbürger!“
„Daniels Familie ist mir immer willkommen!“
Er küsste ihr galant die Hand. Daniel stellte ihn vor:
„Layla, darf ich Dir Don Romano vorstellen, den Besitzer dieses exklusiven Restaurants. Er ist ein guter Freund von mir.“
Don Romano blickte ihr tief in die Augen und lächelte. Layla war begeistert. Don Romano hatte ein fast unglaubliches Charisma und eine natürliche, ungezwungene Autorität, der ihn als den geborenen Führer qualifizierte. Dabei hatte er aber einen freundlichen und herzlichen Charme, der Layla sich gleich wohl- und geborgen fühlen ließ. Der Mann war einfach unglaublich. Seine Tochter umarmte immer noch Daniel und machte auch keine Anzeichen, ihn wieder loszulassen. Sie war etwa 15 – 16 Jahre alt und ausgesprochen hübsch. Auch sie strömte diese natürliche Freundlichkeit aus, die ihren Vater so auszeichneten. Don Romano hob die Hand und winkte er nach einem Kellner.
„Rolando, den besten Tisch für meine Freunde“
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