Vier Monate nach meinem Start in Piräus weiß ich, dass Segeln allein nicht glücklich macht. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte die Tage auf See, die Sonnenuntergänge in einsamen Buchten und die Gesellschaft der Segelfreunde nicht missen, aber ich kann in dieser Welt nicht aufgehen. Ich hatte vor, allein die Welt zu umsegeln; mein Ziele waren St. Lucia, Martinique, St. Vincent und Barbuda und über die Britisch Virgin Islands zurück ins Mittelmeer. Stellen Sie sich das mal vor, ich wollte mehr als 23.000 Seemeilen zurücklegen. Heute denke ich, dass mir das Mittelmeer reichen wird. Ich werde trotzdem noch die Karibik kennenlernen, aber das lässt sich auch mit dem Flugzeug machen. Ich bin keine Zwanzig mehr und das Segeln ist, ich sagte es ja schon, trotz modernster Technik, recht anstrengend. Ich habe es ausprobiert und ich denke, das war es mir wert. Jetzt hoffe ich, dass ich vielleicht mit Ihrer Hilfe einen potenten Käufer für meine Samantha finde. Sollte das nicht gelingen, werde ich versuchen, hier auf Malta einen Platz zum Überwintern zu finden. Ich muss ohnehin das Boot für einige Zeit hier lassen. Wichtige Geschäfte zwingen mich, nach Deutschland zu fliegen. Das liebe Geld, Herr Van Huisken, es will nicht ruhen. Sie verstehen, was ich meine.
Van Huisken nickte beflissen, wenn es ums Geld ging, verstand er eine ganze Menge. Und dass er diesem Grafen bald ein gutes Angebot unterbreiten musste, war ihm auch klar. Am Montag werde er die Yacht zusammen mit einem Experten in Augenschein nehmen, versprach Van Huisken. Dann sollte das Geschäft bald zu machen sein, denn er hatte, was er jetzt aber für sich behielt, bereits einen interessierten Kunden im Auge und wie es schien, hatte der Graf tatsächlich die Lust am Segeln verloren – das waren gute Voraussetzungen für einen vernünftigen Abschluss.
Der Makler brachte seinen Besucher persönlich noch bis vor die Tür. Ich habe meinen Fahrer angewiesen, Sie zurück zur Yacht oder wo immer Sie hinwollen zu bringen. Die beiden Männer verabschiedeten sich, wohl wissend, dass sie sich bald wieder treffen würden.
Egling oder sollten wir aus alter Gewohnheit wieder einmal Prager zu ihm sagen, war nun fest entschlossen, die Yacht zu verkaufen. Sie war sein Startkapital für eine neue Lebensphase. Ein schneller Verkauf war sicherlich nicht angeraten, aber Van Huisken genoss im Königlichen Yachtclub einen guten Ruf als Vermittler und einen besseren als ihn kannte Egling nicht. Eine Dreiviertelmillion war ihm sicher und der Gutachter würde keinen Schaden am Boot feststellen können. Gleich am Montag wollte Egling ein eigenes Yachtkonto einrichten, wenn möglich auf „seiner“ Bank, der Volksbank Malta Limited. Damit hatte er auch einen konkreten Anlass, dort vorzusprechen. Dass er bei dieser Gelegenheit gleich 250.000 € auf ein anderes Konto transferieren und sich zudem eine kleines Taschengeld von 50.000 € auszahlen lassen wollte, konnte er ganz nebenbei erledigen. Der Graf hatte dankenswerter Weise alle notwendigen Papiere griffbereit in seinen schwarzen Aktenkoffer gelegt.
Graf Egling, fügen wir erklärenderweise an, der echte Graf Egling, besaß eine Offshore-Firma auf den Cayman Islands. Der Graf hatte, wie sein Nachfolger schnell herausfand, als besorgter Geschäftsmann getarnt, einige einschlägige Firmen per E-Mail um ein Angebot gebeten. Die Offshore-Dienstleister hatten Panama, Bahrain, Vanuatu und Nauru im Angebot. Diese Staaten trotzten bislang der weltweiten Finanzkontrolle. Da auch die USA beim OECD-Datensharing nicht mitmachten, konnte man, wie Egling nach eingehender Recherche herausfand, auch in US-Bundesstatten wie Delaware, Nevada oder Wyoming eine Offshore-Firma eröffnen, ohne das der eigene Name in einem Register auftauchte.
So hatte Egling, wie sein Nachfolger nun nachlesen konnte, schon vor Jahren auf den Cayman Islands und erst vor kurzem in Wyoming ein Bankkonto auf den Namen der Firma „Egling Transfers“ eröffnet. Egling hatte auch eine Möglichkeit gefunden, wie er mit Hilfe eines Dienstleisters über die Digitalwährung Bitcoin Offshore-Geld anonym nach Deutschland transferieren konnte. Darüber hinaus hatte der kluge Niederbayer neue Rechtsgebiete, wie Ras Al Khaimah, eine unabhängige Provinz der Vereinigten Arabischen Emirate, für sich entdeckt. Das Büro in Dubai bot höchste Rechtssicherheit und keine Unternehmensregister mit persönlichen Informa-tionen. Das Beste aber daran war: Die OECD hatte RAK bislang nicht als „Steueroase“ gebrandmarkt.
Auf einem beigehefteten Notizzettel fand der falsche Egling folgende Adressen: Offshore Companies International Hongkong. In Klammer war handschriftlich angemerkt: Schnelle Antwort, detailliertes Angebot, wenige Fragen. Mit einem Stern hatte Egling auch die Firma TBA & Associates mit Firmensitzen in USA, Großbritannien und Neuseeland versehen. Das „ Premium Incorporation Package “ mit Firmenkonto und Strohmann kostete auf dem Inselstaat Vanuatu 3.900 Dollar im ersten Jahr. Die Firma versprach alle personenbezogenen Daten nach 60 Tagen zu löschen. Dafür wurden die Dokumente per Spezialdienst zugestellt.
Super Idee, dachte der falsche Egling. Das erinnert mich an meine Zeit beim Geheimdienst. Aber unklar war bei diesem Angebot, ob die Daten auch verschlüsselt wurden. Der richtige Egling hatte diesem Angebot auch nur zwei von drei möglichen Sternen zuerkannt.
Wenn ich noch bei der Truppe wäre, würde ich jetzt einen Fachmann der Abteilung Verschleierung hinzuziehen, dachte Egling. Der Gedanke amüsierte ihn. Mal sehen, was mir mein Banker hier auf Malta raten kann. Vielleicht sollte ich ihn zum Essen einladen, dafür reicht das Geld, das mir der Graf in seiner Seemannskiste hinterlassen hat, allemal.
Bankgeschäfte mussten seriös ablaufen, auch wenn die getätigte Transaktion jedem braven Steuerbeamten die Zornesröte ins Gesicht getrieben hätte.
Der Termin war für Montagnachmittag festgesetzt worden und Egling hatte, wie es seine Art war, zumindest interpretierte es der falsche Egling so, sein Anliegen bereits vorab genau formuliert und notwendige Informationen vorbereitet.
Zuerst würde er den baldigen Verkauf seiner Yacht ankündigen, dann ein Konto für das zu erwartende Geld einrichten und sodann für seine laufenden Kosten 50.000 € abheben.
Egling legte die passende Kleidung zurecht, probte an der Reling der Samantha einen festen Händedruck und nahm sich vor, seinem Gegenüber in die Augen zu schauen.
Die Empfangshalle war beeindruckend. Marmorböden, schwarze Ledermöbel, holzvertäfelte Wände. Die Empfangsdame begleitete ihn zum Büro eines Herrn Carlson, einem Mann, mit dem der echte Egling offenbar schon Gespräche geführt hatte, denn der falsche Egling hatte in einem Notizbuch des echten Eglings schon mehrfach den Namen Carlson gelesen.
Egling trug einen Einreiher in Marineblau, auf der Brusttasche das Wappen der Grafen von Egling. Er achtete darauf, dass kein Taschentuch aus der Tasche lugte, das wäre gegen den Dresscode gewesen, man musste ja auf alles achten. Unter der Jacke ein weißes Hemd, dazu dunkelblaue Krawatte und weiße Hose.
Carlson, ein blonder, hochaufgeschossener Mann mit vermutlich schwedischen Wurzeln begrüßte den Grafen wie einen alten Bekannten aus dem hiesigen Yachtclub. Herr Graf, schön, Sie wieder zu sehen. Sie schauen blendend aus, das Segeln scheint Ihnen sehr gut zu bekommen. Sind Sie mit Ihrer Yacht nach Valletta gekommen?
Na ganz offensichtlich, habe ich mit diesem Mann schon des Öfteren Kontakt gehabt, dachte Egling. Er wird mich hoffentlich nicht mit Geschichten aus der gräflichen Familie behelligen.
Egling entschied sich, einen privaten Ton anzuschlagen, vermied jedoch jede Anspielung auf persönliche Vertrautheit, da er nicht wusste, ob es zwischen Egling und Carlson je zum Austausch von Vertraulichkeiten gekommen war.
Читать дальше