Der Mechanismus von Antikythira
Man kann den Mechanismus mit einer astronomischen Uhr vergleichen. Das Erstaunliche aber ist, dass man mit Hilfe vieler Zahnräder und Ziffernblätter mit ihm mehr astronomisch-kalendarische Zusammenhänge anzeigen kann, als es bei entsprechenden Uhren, die es im späten Mittelalter gab, möglich war. Das Gerät ist nicht vollständig erhalten und daher nicht mehr funktionstüchtig.
Genau genommen war es ein metallener Klumpen, als Schwammtaucher ihn im Jahr 1900 in einem Schiffswrack vor der Insel fanden. Als 75 Jahre nach der Bergung die intensive Untersuchung mit Röntgenstrahlen begann, war der Mechanismus bereits in viele einzelne Teile zerbrochen. Die Rekonstruktion musste sich auf materielle Reste, auf schwach erkennbare Spuren von Bauteilen und Formelementen stützen.
Die zum Teil noch andauernde Rekonstruktion des Mechanismus ergab, dass er als Modell für die von der Erde aus beobachtbaren Bewegungen von Sonne und Mond mit Hilfe von Anzeigen auf runden Skalen diente. Die wichtigsten Anzeigen waren: ein Sonnenkalender mit Tagesskala und Monatsskala, ein gebundener Mondkalender mit Monatsskala, ein Finsterniskalender für vergangene und künftige Sonnen- und Mondfinsternisse und ein Olympiakalender für die alle vier Jahre stattfindenden Panhellenischen Spiele.
Man nimmt an, dass der Antikythira-Mechanismus von der Insel Rhodos stammt, denn das bei Antikythira gesunkene Schiff kam von Rhodos. Hier arbeitete ein paar Jahrzehnte vorher Hipparchos, dessen Wissen im Wesentlichen im Mechanismus von Antikythira enthalten ist.
Der berühmte Jaques Cousteau untersuchte das bei Antikythira liegende Wrack 1976 noch einmal und fand Münzen, die aus Pergamon und Ephesos stammten. Ihre Prägedaten unterstützten die bisherigen Erkenntnisse, dass das Schiff von Kleinasien kam. Der Zeitraum seines Untergangs konnte auf 70 bis 60 v. Chr. eingeschränkt werden.
Hallo, Herr Graf, sind Sie zuhause? Egling verließ seinen Arbeitsplatz und stieg zum Steuercockpit hinauf. Auf der Pier standen Piontek und sein Sohn Thomas. Wir wollen nicht stören, sagte Piontek, aber die Neugier treibt uns. Egling lud die beiden ein, an Bord zu kommen. Ich habe schon auf Sie gewartet. Schauen sie sich nur alles an, vermutlich kennen Sie sich besser aus als ich. Wie Sie mir gestern erzählt haben, sind Sie ja schon seit Jahren im Revier unterwegs.
Die Pionteks waren begeistert von dem, was sie sahen, vor allem der junge Piontek ließ immer wieder ein anerkennendes Pfeifen hören. Schau mal, Papa, elektrische Genuawinden und elektrische Fallwinde inklusive Rewindfunktion! Heckstrahlruder sind gut, nickte der alte Piontek und fragte, darf ich mal einen Blick auf die Navigation werfen? Das Übliche, sagte Egling so beiläufig wie möglich. Wie einer, der im Film das Gesehene auch noch kommentieren musste, zählte Piontek auf, was er sah: GPS, Kartenplotter, UKW-Funk, Autopilot, Positionslampen, Echolot, Log, Ruderstandsanzeige, Windmessanlage, Kompass... Gut ausgerüstet, das hilft, wenn man allein unterwegs ist.
Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, sagte Egling hinter ihm. Wenn davon etwas ausfällt, bin ich der ärmste Hund. Nicht, wenn man das Einhandsegeln als Herausforderung sieht, lachte Piontek.
Ich habe von diesem Assisted Sail Trim gelesen, mischte sich Pionteks Sohn ins Gespräch. Kann ein Computer wirklich das Trimmen der Segel übernehmen? Ich mein’, das wär doch toll, da könnte man sich wirklich erholen.
Mein Sohn liebt Technik über alles, erklärte Piontek. Am liebsten tät’ er das Boot auf seinem ipad steuern. Stimmt’s Thomas, an der Winsch sieht man dich selten?
Naja, sagte Graf Egling, ein wenig kann ich Ihren Sohn schon verstehen. Ich hab’ ja jetzt auch das System von Jeanneau. Für mich als Einhandsegler ist das eine Revolution. Segeln soll schließlich auch eine Erholung sein, das ist jedenfalls meine Meinung. Wenn sich Windrichtung und Windstärke verändern, muss dauerhaft gefiert, getrimmt und nachgestellt werden. Das ist doch toll, meldete sich Thomas wieder zu Wort. Papa, überleg’ mal: der Rechner stellt die Segel auf Wunsch automatisch ein, je nachdem, auf welchem Kurs das Boot segelt und woher der Wind weht.
Ja, Ihr Sohn hat Recht, sagte Egling und war froh, dass ihm der junge Mann die Erklärung des Systems abnahm, war er doch selbst noch kaum in der Lage Erklärungen abzugeben. Mit dem System kann man sogar auf Windböen regieren. Wenn das Boot über einen definierten Winkel hinaus krängt, wird automatisch die Großschot abgefiert, wusste der junge Piontek zu ergänzen.
Piontek legte seinen Arm auf die Schultern seines Sohnes: Ja, ja, und wenn das Boot dann wieder aufrechter segelt, nimmt das System die Schot automatisch wieder dicht. Thomas nickte, Genau, der Herr Graf muss nur noch den entsprechenden Knopf auf der Steuereinheit drücken. Ja, das alles ist ja nicht ganz neu, ich hab’ das schon auf einer Yachtausstellung 2012 gesehen. Bei Bavaria Yachtbau hat man ähnliche Funktionen entwickelt. Da war das automatische Wenden und Halsen auch schon vorhanden. Der Segler braucht nichts weiter zu tun als am Rad zu drehen. Der Computer registriert die Kursänderung, fiert eine Schot, während die Winsch auf der anderen Seite schon wieder dichtholt.
Dass all diese Möglichkeiten auch ihm zur Verfügung standen, begriff Graf Egling erst jetzt. Die Pionteks waren noch nicht von Bord, da stand für ihn fest, dass er noch einen weiteren Tag auf Antikythira bleiben würde. Der Wetterbericht hatte für die nächsten Tage stabile Verhältnisse angekündigt, beste Voraussetzungen, um ein wenig zu üben. Trotz oder gerade wegen Assisted Sail Trim galt: Erst Übung macht den Meister .
Aufbruchstimmung in Berlin
Während Graf Egling, der vordem die Namen Körner, Prager und Schmidt führte, im Ionischen Meer das Segeln übte und darüber nachsann, ob er sich zutrauen konnte, die Weltmeere zu befahren, dachten die Freundinnen Laura Christ und Gerlinde Körner über ihre gemeinsame Zukunft als Galeristinnen nach.
Ich habe gestern mit einer jungen Russin gesprochen, sagte Laura, als Gerlinde ihr das Glas mit Champagner füllte. Ich zeigte ihr den Schnaittenbach und wollte ihr das eine oder andere Bild schmackhaft machen. Ich erklärte ihr auch eines der Objekte und führte sie zu den Bildern aus Rudolfs Sammlung. Sie hörte interessiert zu, aber ich merkte, dass sie etwas auf dem Herzen hatte. Irgendwie habe ich geahnt, was diese junge Dame eigentlich wissen wollte. Sie wollte von mir eigentlich nur den Preis hören.
Bei dem Bild „ Spirit of nothing “, du weißt schon, das großformatige vom Schnaittenbach, sagte ich, das kostet 150.000 €. Also, mir war das irgendwie peinlich, aber die Russin schien sich gar nicht für das Bild, sondern nur für den Preis zu interessieren. Und weißt du, was sie gesagt hat, als ich ihr den Preis nannte? Sie sagte ganz überrascht: Ach, nur so wenig?
Gerlinde lachte: Tja, wir haben es da mit einer Klientel zu tun, für die auch eine gute Viertelmillion ein Schnäppchen darstellt. Es ist ja nicht so, dass jeder unserer Besucher ein erfahrener Sammler ist. Vor allem die Russen, die haben noch leere Landhäuser und Villen, die sie mit Möbeln, Antiquitäten und Kunst füllen wollen. Bei denen sollten wir die Preise direkt neben die Objekte schreiben.
Gerlinde betrachtete das Champagnerglas, das sie in der Hand hielt und Laura spürte, dass ihre Freundin jetzt etwas Wichtiges sagen wollte und sie hatte sich nicht getäuscht.
Du, aber jetzt mal ganz was anderes, sagte Gerlinde wie erwartet: Ich habe heute mit unserem Anwalt telefoniert. Damit ich die Erbschaft antreten kann, es stehen ja auch noch die Auszahlungen von Rudolfs Lebensversicherung und die Witwenrente aus, muss der Tod des Vermissten festgestellt werden. Bis heute hat man Rudolfs Leiche aber, wie du weißt, nicht gefunden. Der Anwalt hat mir erklärt, dass ein Verschollener erst dann für tot erklärt werden kann, wenn er mehr als zehn Jahren als verschollen gilt.
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