1 ...8 9 10 12 13 14 ...32 „Wenn Ihr ein solch hübsches Weib besitzt, solltet Ihr keinen Igel in Eurer Börse haben.“ wurde ich von dem Silberschmied angesprochen. „Gönnt ihr den Spaß und lasst sie vom Geschmeide was erwählen.“
„Ihr habt gut reden! - Hübsches Weib! Es ist doch nur mein geprägtes Silber was Ihr begehrt. Zudem – wenn Euch mein Weib auch ungeschmückt so gut gefällt, warum sollte sie dann noch Eures
Schmuckes bedürfen?“
Er lachte.
„Ihr seid mir vielleicht ein Knauser. – Aber wohl pariert, Junker.“
Von unserem Gespräch gänzlich unbeeindruckt, hatte Silvia während dessen die Auslagen durchsucht.
„Sieh mal hier!“
Sie hielt ein in Silber gefasstes Herz aus Bernstein in der Hand, das an einer dünnen Lederschnur befestigt war.
„Das passt perfekt zu deinen Augen“, stimmte ich bei.
„Eine sehr gute Wahl“, nickte auch der Schmied anerkennend. „Ein wirklich schönes Stück.“
„Ihr wollt doch nur den Preis hochtreiben“, maulte ich. „Doch sei’s drum. Sagt an, Meister, wie viel wollt Ihr?“
„Ihr wisst ja, Bernstein ist teuer. Eine viertel Mark löthigen Silbers müsste ich schon haben – und das auch nur, weil mich Euer Weib dauert, da es mit einem Pfennigfuchser wie Ihr einer seid, gestraft genug ist.“, erhielt ich zur Antwort.
Ich hatte nicht einmal den Schimmer einer Ahnung davon, ob dieser Preis angemessen war oder nicht, versuchte aber dennoch zu handeln. Ohne Erfolg! Ich suchte also in meinem Geldbeutel nach einem recht großen Silberstück, das ich dem Schmied reichte. Der nahm es entgegen, bedankte sich und steckte es ein. – Da hatte ich wohl etwas richtig gemacht.
„Ich danke dir!“ Silvia fiel mir um den Hals, gab mir einen Kuss und strahlte mich an, als ich ihr das Schmuckstück umlegte.
„Nun, Junker, bemerkt Ihr jetzt die segensreiche Wirkung meines Zierrats?“ rief der Silberschmied. „Wenn Ihr‘s auch für Tand erachtet, so sollte Euch der häusliche Frieden doch einen kleinen Silberling wert sein. Glaubt mir, die nächsten Tage ist Euer Weib so sanft wie ein Kätzchen.“
Ich musste lachen. Der Mann konnte ja nicht ahnen, wie richtig er mit seinem Vergleich lag. Ich winkte ihm zum Abschied zu, nahm Silvias Hand, um sie im Gedränge nicht zu verlieren, und schob mich dann mit ihr durch die Menge, immer nach dem von Reinald genannten Gewürzhändler Ausschau haltend.
Zunächst mussten wir aber an einer mobilen Schmiede vorbei. Der Schmied hatte auf einem Brett einige Werkstücke seiner Kunst ausgestellt. Darunter auch Messer und Pfeilspitzen. Diesmal war ich es, der an einem Stand nicht vorbei konnte, ohne das Angebot etwas näher in Augenschein zu nehmen.
„Ah, ein Bogenschütze. – Ihr sucht sicher Spitzen für Eure Pfeile.“ Der Schmied unterbrach seine Arbeit am Feuer.
„Seht sie Euch nur an“, fuhr er fort, wobei er sich seine kohlschwarzen Hände in einem noch schmutzigeren Lappen ab-wischte. „Bei mir findet Ihr Spitzen für jeden Zweck. Mit dieser hier schießt Ihr durch jedes Kettenhemd. Die hier knackt sogar den Panzer einer Rüstung und jene dort wären geeignet, jedes Wild zu erlegen. – Natürlich nur, wenn Euer Herr das von Euch begehrt“, fügte er grinsend hinzu. „Ich verlange nur acht Pfennige für das Stück – achtzig für das Dutzend.“
Ich besah mir das Angebot genauer. Die Spitzen waren wirklich gut gearbeitet. Vor allem die Jagdspitzen waren rasiermesserscharf. Ich kaufte von den Kampf- und Jagdspitzen jeweils ein Dutzend.
„Wenn Ihr jetzt noch gute Pfeile braucht, solltet Ihr Hagen, den Bogenbauer, aufsuchen. Ihr findet ihn am Ende des Marktes“, verriet mir der Schmied, bevor wir seinen Stand verließen.
„Hoffentlich haben wir Reinald nicht verfehlt“, bemerkte Silvia, als wir uns wieder durch die Menge drängten, und schaute sich suchend nach dem Mönch um.
„Ich glaube, dort ist er.“
Sie zeigte auf den Stand eines Gewürzhändlers, neben dem eine braune Kutte zu erkennen war.
Direkt vor dem Stand herrschte ein sehr dichtes Gedränge. Mägde deckten sich mit den verschiedensten Gewürzen für die Küche ihrer Herrschaft ein. Patrizierinnen begutachteten mit Kennermienen das Angebot, dabei rücksichtslos alles zur Seite drängend, was ‚unter’ ihrem Stande war. Unser Mönch schien hier kein Unbekannter zu sein, denn abseits des Gedränges seitlich hinter den Auslagen sprach er mit einem Mann, den ich aufgrund seiner Kleidung für den Besitzer der orientalisch duftenden Kostbarkeiten hielt. Wenig später standen wir neben den beiden.
„Schön, Euch zu sehen. Ich bin eben fertig mit meinem Einkauf“, empfing uns Reinald und verstaute die letzten Kräuterbündel in seinem Korb. „Meister Emmeran hat mir den letzten Pfennig aus der
Tasche gezogen. Nun bin ich wieder arm wie eine Kirchenmaus.“
Der Gewürzhändler lächelte nachsichtig zu den Worten des Mönches.
„Macht mich nicht schlechter, als ich bin, Bruder Reinald“, meinte er gelassen. „Ihr wisst sehr wohl, dass Ihr einen guten Preis bekommen habt und für Euer Geld mehr erhieltet, als Euch zustand. Ich war es jedenfalls nicht, der Euch gezwungen hat, auch Euren letzten Pfennig auszugeben. – Wenn Eure Börse die Schwindsucht plagt, liegt es doch nicht daran, dass meine Ware zu teuer ist, sondern daran, dass Ihr von Euren Heiltränken mehr verschenkt, als Ihr verkauft.“
Reinald hob bedauernd die Arme.
„Ihr wisst, das Volk ist arm. – Aber es stimmt, ich habe wahrlich keinen Grund zur Klage. Ihr habt mich wie stets gut bedient und ich habe wohl bemerkt, dass Ihr sehr großzügig abgewogen habt. Möge es Euch der Herr vergelten. - Gott zum Gruße, Meister Emmeran.“
„Gehabt Euch wohl, Bruder Reinald. – Und vergesst nicht, einen armen Kaufmann mit in Eure Gebete einzuschließen“, erwiderte der Gewürzhändler, um sich sogleich wieder seiner herrschaftlichen Kundinnen zu widmen.
„So, meine Besorgungen wären erledigt“, stellte Reinald zufrieden fest. „Nun, da mich nichts mehr drängt, habe ich voll und ganz Zeit für euch. Wenn ihr wollt, kann ich euch noch ein wenig vom Markt und der Stadt zeigen.“
Und ob wir wollten! Wie schon erwähnt, handelte es sich zwar um die Stadt, in der ich aufgewachsen war, doch so, wie sie um diese Zeit aussah, war sie mir fremd. Von den Gebäuden, an denen ich mich hätte orientieren können, existierte nicht eines. Hinzu kam, dass der Marktplatz der Stadt mehr als doppelt so groß war, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Ich freute mich daher, dass wir einen ortskundigen Führer gefunden hatten. Als erstes geleitete uns Reinald zu einem langgestreckten Fachwerkgebäude am Rande des Marktplatzes, welches bereits genau dort stand, wo in späteren Zeiten das von diversen Ansichtskarten bekannte Renaissancerathaus stehen würde.
„Dies ist das Pelsterhaus, das größte in Lemgo. Es gehört der Zunft der Kürschner. Hier tagen auch der Rat der Altstadt und die Gilde der Hanse.“ erklärte der Mönch. „Dahinter liegen die Kirche Sankt Nicolai und der Friedhof.“
Vor dem Gebäude standen mehrere Bänke, auf denen edle Pelzwaren, Felle und Leder ausgebreitet waren, aber auch andere ortsansässige Händler boten ihre Waren zum Verkauf. Schon das zur Schau gestellte Angebot und die in kostbare Stoffe gekleideten Händler ließen selbst den unbedarftesten Betrachter unschwer erkennen, dass sich an hier der Geldadel versammelt hatte. Während an den anderen Auslagen des Marktes die Eigentümer sich selbst um ihre Waren kümmerten, führten die Herren dieser Stände lediglich die Verkaufsgespräche mit ihrer nicht minder reich gekleideten Kundschaft, kassierten mit vornehmer Zurückhaltung den schnöden Mammon und überließen alle weiteren Arbeiten ihren Bediensteten.
Ich besah gerade die Ware eines Kürschners, als ein geistlicher Würdenträger in der Begleitung mehrerer Soldaten, unter denen ich auch Volkwin zu erkennen glaubte, aus einer Gasse trat und auf das Pelsterhaus zu ging. Reinald, der die Männer ebenfalls bemerkt hatte, drehte schnell das Gesicht zur Seite und zog sich die Kapuze über den Kopf.
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